Noch immer ist die Arbeit von Frauen weniger wert als die von Männern. Ganze 20 Prozent weniger Lohn erhielten Schweizerinnen im Jahr 2016, wie das Bundesamt für Statistik (BFS) diese Woche bekannt gab. Oft werden dafür folgende Gründe angegeben: Frauen konzentrieren sich stärker auf die Familie, haben deshalb weniger oft hochbezahlte Führungspositionen, investieren weniger in ihre Aus- und Weiterbildung und arbeiten öfter in Teilzeit. Ein rein privates Problem also.
Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Fast die Hälfte des Lohnunterschieds lässt sich laut der neuen Statistik des BFS nicht durch solche externen Faktoren erklären. Und eine kürzlich erschienene Studie kommt sogar zu dem Schluss: Ein grosser Teil des Lohnunterschieds in der Schweiz entsteht schlicht und ergreifend durch Diskriminierung von Frauen.
In der Studie untersuchten Soziologen der Universitäten Lausanne und München, wie junge Schweizer im Alter zwischen 20 und 30 entlöhnt wurden, also noch bevor Familienpflichten im Leben wichtig wurden. Schon zu diesem Zeitpunkt mussten sich die jungen Frauen mit sechs Prozent weniger Gehalt abfinden. Und diesen Unterschied konnten die Forschenden nicht wegrechnen: Selbst, wenn sie alle möglichen Faktoren, die Gehälter beeinflussen können, in ihrer Analyse berücksichtigten: Berufswahl, Bildungsniveau, Berufserfahrung, Wochenend- und Abendarbeit. Der sogenannte Gender Pay Gap blieb fast vollständig bestehen.
Auch Frauen sind unfair
Einen Grund für die Ungleichbehandlung beim Lohn sieht Daniel Oesch von der Universität Lausanne und Mitautor der Studie in dem, was die Gesellschaft als normal ansieht. Diese sozialen Normen stammen zwar aus einer Zeit, als die Frau nur mit Bewilligung ihres Ehemanns arbeiten durfte. Doch sie halten sich hartnäckig im kollektiven Unterbewusstsein. Das zeigen Studien, in denen Probanden ein Gehalt für fiktive Angestellte festlegen sollen: Die Versuchsteilnehmer – sowohl Frauen als auch Männer – gestanden den Frauen weniger Lohn zu.
Einen Weg, solcher Diskriminierung Einhalt zu gebieten, bietet die Politik. Tatsächlich hat das Schweizer Parlament erst vor einigen Monaten ein Gesetz zur Lohnkontrolle verabschiedet. Dieses fordert, dass Firmen mit über 100 Angestellten ihre Löhne regelmässig auf Ungleichheiten hin analysieren müssen. Zwar hätte das Gesetz schärfer ausfallen können – ursprünglich hatte der Bundesrat die Kontrolle für Unternehmen mit mehr als 50 Angestellten vorgeschlagen. Dennoch sagt Soziologe Oesch: «Es ist ein Schritt in die richtige Richtung.»
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