Herr Weisshaupt, es gibt immer mehr Virtual-Reality-Spielzeuge. Kann man so etwas einem Kind zumuten?
Mark Weisshaupt: Tatsächlich gibt es immer mehr Produkte. Zum Beispiel eine Gamekonsole, für die man aus Karton ein Klavier, eine Angelrute oder etwas anderes basteln kann und in Kombination mit einer VR-Brille dann mit diesen Papputensilien spielt. Die eigentlichen Spielkonzepte werden aber durch Virtual Reality nicht unbedingt besser.
Sie scheinen wenig begeistert.
Der Gedanke dahinter erscheint mir oft ein bisschen naiv. Als ob das sinnliche Eintauchen in eine virtuelle Realität ein Ersatz für gute Spielmechaniken ist. Grundsätzlich spricht aber nichts gegen solches Equipment. Solange Kinder anderweitigen Ausgleich haben, Eltern regelmässig mit ihren Kindern spielen und diese über ihre Erfahrungen sprechen. Das gilt übrigens für alle Videospiele.
Wieso ist das wichtig?
So können Eltern das Kind auch begleiten, wenn es beispielsweise mit Inhalten eines Spiels konfrontiert wird, die überfordernd sind. Das erachte ich als viel sinnvoller, als zu sagen: Du darfst pro Tag eine Stunde spielen. Wenn man solche Zeitlimiten setzt, sich darüber hinaus aber gar nicht mit den Spielen des Kindes auseinandersetzt, hat das viel eher negative Folgen.
Das ist einfacher gesagt als getan.
Das stimmt. Man hat nicht immer die Zeit und Energie, mit den Kindern zu spielen und ihnen die volle Aufmerksamkeit zu schenken. Da ist es dann auch verlockend, die Tochter oder den Sohn vor den Fernseher zu setzen oder ihnen ein Tablet in die Hand zu drücken. Unter Umständen entsteht eine Tendenz zur Delegation.
Was wird denn delegiert?
Überspitzt formuliert delegiert man die kindliche Auseinandersetzung mit der Welt an ein Gerät, von dem man sich bestenfalls pädagogische Inhalte erhofft. Ab und zu ist das in Ordnung, aber es sollte nicht zu einer Gewohnheit werden. Mir ist es lieber, wenn das Kind zwei Stunden am Tag Videogames spielt und die Eltern engagiert dabei sind, als dass es eine Stunde alleine spielt.
Nicht nur Videogames, auch Brettspiele sind zurzeit im Trend.
Das ist eine schöne Entwicklung. Die meisten Gesellschaftsspiele leben von der direkten Interaktion mit Mitmenschen. Interessant ist, dass Spiele wie Monopoly, mit Spielmechanismen aus der sprichwörtlichen Steinzeit, noch immer zu den bekanntesten Familienspielen gehören. Wer mit dem frustrierenden Monopoly nicht zurechtkommt: Es lohnt sich zu schauen, was in den letzten Jahren an guten Gesellschaftsspielen herausgekommen ist.
Immer wieder diskutiert wird typisches Buben- und Mädchenspielzeug. Wie soll man damit umgehen?
Am besten sind Spielsachen, die nicht nur für ein bestimmtes Geschlecht gemacht sind. Und es ist sicher gut, wenn das Piratenschwert nicht nur dem Jungen und der Kochherd nicht nur dem Mädchen vorbehalten ist. Ich plädiere da aber für eine gewisse Gelassenheit: Dem Buben das Schwert zu verbieten, wäre auch kontraproduktiv.
Wohin würde das führen?
Kinder und Jugendliche befinden sich in einer Phase der Identitätsfindung, sie müssen sich mit den gesellschaftlichen Geschlechterrollen erst mal vertraut machen. Erst dann können sie sich einen unverkrampften, auch kreativen Umgang damit aneignen. Das wird aber erschwert, wenn sie von rollentypischen Inhalten grundsätzlich abgeschirmt werden.
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