Reale Bedrohungen simuliert
Albträume machen uns fit für den Ernstfall

Kein Wunder, fühlen sich Träume so realistisch an: Unsere Hirnaktivität beim Träumen sieht ähnlich aus, wie wenn wir etwas real erleben.
Publiziert: 05.12.2019 um 16:37 Uhr
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Ob wir uns im Traum fürchten oder im Wachzustand: Im Gehirn werden ähnliche Areale aktiv.
Foto: Getty Images
Roman Rey @higgsmag

Ein Waldspaziergang. Da raschelt es in den Bäumen, ein Grizzly springt hervor. Panisch rennt man um sein Leben. Eine gefühlte halbe Ewigkeit schreckt man im dunklen Zimmer hoch – es war nur ein Traum.

Man mag sich fragen: Wieso müssen mich meine Ängste auch noch bis in den Schlaf verfolgen? Es gibt einen guten Grund, weiss die Wissenschaft. Albträume helfen uns nämlich dabei, uns auf beängstigende Situationen im Wachzustand vorzubereiten. Die Schlaf-Forschung spricht dabei von der sogenannten Bedrohungssimulation.

Ähnliche Hirnregionen aktiviert

Dies bestätigt eine Studie von Forschenden der Universität Genf, die in der Fachzeitschrift «Human Brain Mapping» veröffentlicht wurde. In einem Experiment konnte das Team erstmals nachweisen, dass bei Angst in Träumen und im Wachzustand ähnliche Hirnregionen aktiviert werden. Dazu haben die Forschenden 18 Versuchspersonen mit EEG-Elektroden ausgestattet, sie mehrmals in einer Nacht geweckt und zu ihren Träumen befragt.

Bei Albträumen waren zwei Hirnareale besonders aktiv: die Inselrinde, die bei Angst im Wachzustand zum Einsatz kommt, und der Gyrus cinguli, der in bedrohlichen Situationen die motorischen Reaktionen des Körpers vorbereitet.

In einem zweiten Experiment führten 89 Probandinnen und Probanden eine Woche lang ein Traumtagebuch. Dann wurden ihnen beängstigende Fotos gezeigt, während ihre Hirnaktivität gemessen wurde. Bei denjenigen, die öfter schlecht geträumt hatten, waren die für Angst zuständigen Gehirnareale weniger aktiv.

Mögliche Behandlung von Phobien

Bei den Schlecht-Träumern hemmte der mediale Präfrontale Kortex auch die Aktivität der Amygdala, die für die Angst-Emotionen zuständig ist. «Dieser Vorgang hilft uns, besser mit der Angst umzugehen», sagt der Neurologe Lampros Perogamvros, Co-Autor der Studie. Die Träume bereiten uns also auf den Ernstfall vor.

Das funktioniert aber nur, wenn die Angst nicht überhandnimmt. «Wenn die Furchtreaktion eine gewisse Schwelle überschreitet, dann verliert der Traum seine positive Wirkung», sagt Perogamvros. Schwere Albträume stören den Schlaf und haben am Folgetag negative Nachwirkungen.

Die Studie könnte einen Weg ebnen, Phobien mit Hilfe von Träumen zu behandeln. «Träume könnten wie eine Konfrontationstherapie funktionieren», sagt Perogamvros. Bei dieser Therapie werden Betroffene einer für sie beängstigenden Situation ausgesetzt. Wenn sie merken, dass die Situation gar nicht so bedrohlich ist, geht die Angstreaktion zurück.

Damit das im Schlaf funktioniert, müsste man aber Träume steuern können – so weit ist die Wissenschaft noch nicht.

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