Während sich ein Pendel vor den Augen sanft hin- und herbewegt, wird man langsam müde und driftet in einen Zustand ab, der irgendwo zwischen Schlaf und Wachsein liegt. So stellen sich die meisten eine Hypnosesitzung vor. Hypnotiseurin, Transformationscoach und «Souldancer»-Gründerin Momo-J. Leuenberger (39) klärt im Gespräch mit BLICK auf: «Diese Vorurteile basieren auf den falschen Vorstellungen, die wir Menschen wegen Show-Hypnose haben. Dort werden Menschen oft nicht immer nach ethisch, moralischen Grundlagen behandelt. Dies fördert Vorurteile und Ängste gegenüber der Hypnose. In Wahrheit geht es in einer Hypnosetherapie aber darum, Ängste abzubauen und nicht zu stärken.» Man sei etwa kein willenloser Roboter, der dem Hypnotiseur ausgeliefert ist. Hypnose basiere immer auf freiem Willen.
Die Vorurteile gegenüber Hypnose würden uns aber schon früh eingetrichtert, wie Leuenberger weiss. Wir mögen uns an Disneys «Dschungelbuch» erinnern, wo die Schlange Kaa den Jungen Mogli hypnotisiert. «Das Ganze bekommt dort einen negativen Beigeschmack und wir werden von klein auf bereits geprägt», so die Hypnosetherapeutin.
Die zeitgenössische Schamanin, wie sich Leuenberger selbst nennt, erklärt auch, dass nicht immer ein Pendel notwendig sei. «Die Vorstellung, mit einem Pendel hypnotisiert zu werden, hat etwas Klassisches. Dabei gibt es aber auch die moderne Hypnose, wo man nicht zwingend Hilfsmittel benötigt.» Dort arbeite man mit der Kommunikation oder mit der Hand beziehungsweise den Fingern.
Mit Hypnose gegen Ängste ankämpfen
Leuenberger führt die Voraussetzungen für eine Hypnose an: «Entspannung, Vertrauen und Wille. Nur wenn man sich ganzheitlich auf den Prozess einlässt, kann auch eine Wirkung erzielt werden.» Man dürfe dem Ganzen skeptisch gegenüberstehen – das mache nichts. Doch es müssten Wille und Vertrauen vorhanden sein.
Was in einer Sitzung alles behandelt werden kann? «Das können ganz unterschiedliche Themen sein. Zum einen lassen sich Selbstbewusstsein oder Leistungsfähigkeit stärken. Auch Ängste, Phobien oder Süchte können so behandelt werden: Flugangst oder Rauchentwöhnung sind klassische Beispiele», weiss die 39-Jährige. Auch Gewichtsreduktion oder -zunahme können Themen sein, die in einer Sitzung behandelt werden.
Von der ausgebildeten Bühnentänzerin zur Hypnotiseurin
Auf die Fragen, wie man zu Hypnose kommt, antwortet Leuenberger: «Ich hatte vor langer Zeit mit einer schweren Beeinträchtigung zu kämpfen und merkte, dass ich nach neuen, alternativen Wegen suchen musste.» 2008 war Leuenberger als ausgebildete Bühnentänzerin tätig. Weil sie unter starkem Heuschnupfen bis zu Asthma litt und keinen Sport mehr machen oder professionell tanzen konnte, wollte die heutige Hypnosetherapeutin etwas ändern. «Durch Hypnose konnte ich das Asthma auflösen. Bei allen chronischen Geschichten geht es oft um Emotionen, die ursprünglich in der Kindheit entstanden – daran kann man gut mit Hypnose arbeiten.»
In einer Hypnosesitzung werden Prägungen aus der Kindheit «neu überschrieben». Bis im Alter von zwölf Jahren entstehen die meisten Hauptprägungen, die uns bis ins Erwachsenenalter beeinflussen. Da würden Glaubensüberzeugungen und Muster entstehen, die nicht immer so positiv sind, wie Leuenberger ausführt. «Diese können uns später behindern. Mit der Hypnose können diese bearbeitet werden.» Dabei ist Hypnose immer ein Kommunikationsprozess mit dem Unterbewusstsein, wo das Tagesbewusstsein auf die Seite genommen und gedimmt wird. So gelangen wir ins Unterbewusstsein, wo sich anschliessend mit unterschiedlichen Prozessen etwas bewirken lässt.
Was die 39-Jährige an ihrer Arbeit besonders fasziniert: «Die Selbstermächtigung, die ich meinen Klienten mit auf den Weg gebe. Mit allem, was ich anbiete, bin ich sehr erstrebt, dass ich allen ein Tool mitgebe, mit dem sie zu Hause weiter an ihrem Thema arbeiten können.» Leuenberger bietet nicht nur Hypnosetherapie an. Sie ist unter anderem auch Masseurin, Aura- und spiritueller Life-Coach und unterrichtet Yoga. Ihr Ziel ist es, einen Menschen immer ganzheitlich zu betrachten und die Bereiche über den Körper hinaus kennenzulernen.
Wissenschaft untersuchte 2016 erstmals Hirnaktivitäten während Trance
2016 führte die medizinische Fakultät der US-amerikanischen Stanford University eine Studie durch, die erstmals die Hirnaktivitäten während eines Trancezustands mass. Dabei wurden aus 545 gesunden Teilnehmern 36 Personen ausgewählt, die besonders gut hypnotisierbar waren. 21 Teilnehmer fungierten als Kontrollgruppe, die bei der Hypnotisierbarkeit eher schlecht abschnitten. Die restlichen Kandidaten waren allesamt durchschnittlich hypnotisierbar und wurden daher nicht berücksichtigt.
Mithilfe von der funktionellen Magnetresonanztomographie wurden die Teilnehmer während der Hypnose untersucht. Dabei zeigten sich drei Hirnregionen, die bei den gut hypnotisierbaren Personen besonders grosse Veränderungen aufwiesen. In der Region des Hirns, das unter anderem für die Erkennung von Objekten und Personen zuständig ist, auch anterioren cingulären Cortex genannt, konnte ein Rückgang ausgemacht werden. Die Forscher erklärten, dass das Gehirn der hypnotisierten Person so beschäftigt sei, dass es sich über nichts anderes Gedanken mache.
Bei der Verbindung zwischen dem dorsolateralen präfrontalen Cortex und dem Cortex insularis konnten die Wissenschaftler eine Zunahme wahrnehmen. Das sei die Schnittstelle zwischen Gehirn und Körper, erklärten die Forscher. Diese Region erlaube es dem Gehirn, die Vorgänge im Körper zu verarbeiten.
Die Verbindung zwischen der Region, die im Ruhezustand aktiv wird, wie beispielsweise beim Tagträumen, auch Ruhezustandsnetzwerk genannt, und dem dorsolateralen präfrontalen Cortex ging dagegen deutlich zurück. Die Forscher glauben, unsere Handlungen würden dadurch von unserem Bewusstsein entkoppelt.
«Hypnose ist etwas ganz Natürliches»
Angst vor einem hypnotischen Zustand müsse niemand haben, erklärt Leuenberger. «Denn Hypnose ist etwas ganz Natürliches und etwas völlig Einfaches. Im Alltag befinden wir uns selbst mindestes zweimal in einem solchen Zustand.» Das sei kurz bevor wir einschlafen – und dann wieder bevor wir aufwachen. Und das ist es auch, was die 39-Jährige an ihrer Arbeit so fasziniert: «Hypnose gehört einfach zu uns. Man kann sie schnell und einfach anwenden – man braucht nicht viel dazu.»