Fuck, Shit, Scheisse, verdammt!
Seien Sie kreativer beim Fluchen

Bis zu zehn Prozent unserer Gespräche bestehen aus Fluchtiraden. Doch warum immer so eintönig? Ein Aufruf zum Gebrauch kreativer Kraftausdrücke.
Publiziert: 30.08.2018 um 14:32 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 21:31 Uhr
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«Hundertausend heulende Höllenhunde!» Kapitän Haddock aus der Comic-Serie «Tim und Struppi» gehört zu den kreativen Schimpfern.
Daniel Arnet

Bei der Verleihung der MTV-­Video-Music-Awards am letzten Montag in New York trägt der Rapper Logic (28) ein T-Shirt mit der Aufschrift «Fuck the Wall»; er protestiert damit gegen die Pläne des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump (72), an der Grenze zu Mexiko eine Mauer zu errichten.

Ende Juli gibt Formel-1-Rennfahrer Max Verstappen (20) in einem kurzen Funkspruch fünfmal das ­F-Wort von sich, nachdem sein Auto beim Grossen Preis von Ungarn auf der Strecke bleibt. Und in den USA kam diesen Sommer der Film «Sorry to Bother You» in die Kinos, in dem das Fluchwort nicht weniger als 160 Mal auftaucht.

Wenn nicht mit «verdammt» oder als Vorsilbe mit «Scheiss-» ins Deutsche übersetzt, dann breitet sich das englische Wort «fuck» – wörtlich: ficken – immer mehr auch bei uns aus und verdrängt originelle Fluch- und Schimpfwörter.

Allein im Berndeutschen gibt es 1500 Schimpfwörter

Aber wieso immer so einfallslos? «Das grosse Schimpfwörterbuch» von Herbert Pfeiffer hat über 10 000 Einträge in deutscher Sprache. Dort könnte man nachschauen. Und Schweizer Schimpfwortforscher zählen landesweit 3500 Fluchwörter, allein das Berndeutsche kennt 1500 Begriffe.

«‹Fuck› ist ein Beleg dafür, dass wir in unserer globalisierten Welt der Überkommunikation immer mehr dem Terror des Gleichen ausgesetzt und davon beeinflusst sind», sagt der Schweizer Dialektologe Christian Schmid (71) auf Anfrage.

«Fuck» ist heute weltweit der gebräuchlichste Kraftausdruck für schimpfende und fluchende Wutbürger. Dessen Ausbreitung kann auch das bigotte Verhalten von Radio- und TV-Sta­tionen in den USA nicht eindämmen: Sie überspielen das F-Wort akustisch mit einem Pieps – mit zweifelhaftem Erfolg. Die Tabuisierung führt dazu, dass sich der Begriff noch weiter verbreitet.

Hält 1971 der Film «The French Connection» mit elf «Fuck»-Nennungen noch einen harmlosen Rekord, so ist «Swearnet: The Movie» 2014 eine wahre Fluch­orgie: 935 Mal «Fuck» in nur 112 Minuten. Da gehen alleine 8 Minuten und 35 Sekunden für dieses Wort drauf – wie eintönig. In der Musik gehören Heavy-Metal-Bands wie Korn oder Rocker wie Green Day zu den grössten Ausrufern des F-Worts.

Schimpfen lernen von Kapitän Haddock

Ein zischendes F zu Beginn, ein knallendes K zum Schluss und das in nur einer Silbe: «Fuck» bringt alles für ein erfolgreiches Schimpfwort mit. Und dann lässt es sich wie der Fluch «Gopf!» zu sich selber sagen (etwa wenn man sich mit dem Hammer auf den Finger schlägt) oder als Schimpfwort einem Gegen­über «Fucking Idiot!» (verdammter Trottel!) zuschmettern.

Dass es kreativer geht, zeigt der grösste Raunzer vor dem Teufel: Kapitän Haddock aus der Zeichentrick-Reihe «Tim und Struppi». Als er im Comicband «Kohle an Bord» einen Sklavenhändler vom Dampfschiff vertreibt, ruft er ihm nach: «Fort, du Hyäne! … Aus meinen Augen, du Galgenvogel!»

Nachdem dieser schon weit im Meer davonsegelt, greift Haddock zum Megafon und schreit: «Pirat! Amöbe! Kopfjäger! Geier! Leichenfledderer! Ostgote! Vandale!» Bis Tim zum Kapitän sagt: «Ich glaube, jetzt hört er wirklich nichts mehr.» «Ja! … Wirklich schade! … Das Ungeheuer!»

Haddock ist während dieser Tirade aufgeregt, schwitzt sichtlich. Studien bestätigen, dass Menschen beim Schimpfen nicht Dampf ablassen, sondern unter Druck stehen: Das Herz klopft schneller, und der Körper schüttet Adrenalin, Cortisol und Endorphin aus.

Das hat durchaus sein Gutes: Dank der Hormone sind wir weniger schmerzempfindlich und leistungsfähiger. Testreihen haben nämlich gezeigt: Probanden, die fluchen dürfen, können die Hände länger in eiskaltem Wasser halten und strampeln auf einem harzig werdenden Hometrainer weiter als ihre stumm geforderten Konkurrenten.

Kraftausdrücke geben also Energie. Folglich geht es nicht darum, weniger zu fluchen, dafür schöner. Der amerikanische Psychologe ­Timothy Jay (68) hat errechnet, dass rund fünf Prozent der Gespräche am Arbeitsplatz und über zehn Prozent der Freizeitunterhaltung dem Schimpfen gewidmet sind.

Das ist keine neue Entwicklung: Geschimpft wurde immer und überall. Schon von den alten Ägyptern sind Flüche überliefert wie zum Beispiel: «Ein Esel soll dich vögeln!» Und das Jiddische kennt die witzige Tradition, auf eine erste, vermeintlich positive Aussage einen Hammer folgen zu lassen wie in «Berühmt sollst du werden – man soll eine Krankheit nach dir benennen» oder «Dem Köter sollen alle Zähne ausfallen, bis auf einen, damit er Zahnweh haben kann».

Eigenkreationen mit vielen harten Konsonanten

In allen Kulturen geht es immer ­darum, beim Fluchen ein Tabu zu brechen: Die katholischen Gebiete der Innerschweiz über Bayern bis Brasilien sind Gotteslästerer («Gottverdammt!»), im arabischen Raum beschimpft man gerne die Familie («Deine Muttermilch war Kamelpisse!»), und in den verklemmten Ländern wie Amerika oder Russland macht man sexuelle Andeutungen («Geh zum Schwanz!»).

Da wir heute weitgehend in einer sekulären und sexuell aufgeklärten Zeit leben, gehen solche Tabus immer mehr verloren. Der Schimpfwortforscher und Begründer der Malediktologie, der Bayer Reinhold Aman (82), weiss Rat, wie man heute trotzdem gut schimpfen kann.

Man nehme einen Prominenten und degradiere ihn zum Schimpfwort. Anstatt «Ach du Scheisse!» sagt man dann etwa «Ach du Trump!». Und jenseits der berühmten Menschen setze man bei seinen neuen Kreationen auf Wörter mit harten Konsonanten wie T, P und K – das sitzt!

Das kann auch der Autor dieses Artikels bestätigen: Zu Hause ist er schon mal als «kongolesischer Tiefschneekacker» bezeichnet worden. Das klingt doch gleich schöner als «Arschloch!» und trägt mit seiner absurd-humoristischen Note zur Deeskalation bei. Danach fühlt man sich gleich wohler, und der Streit ist vorbei.

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