Würde man alle grossen Wildtiere der Erde einfangen und auf eine gigantische Waage stellen, wögen sie zusammen 100 Millionen Tonnen. Das klingt nach viel, ist aber erschreckend wenig. Würde man alle Kühe von den überdüngten Weiden holen, alle Schweine aus den Fabriken befreien und vom Nachbarn den 3000-fränkigen Zuchtmops kurz ausleihen, würde die Waage 700 Millionen Tonnen anzeigen.
Auf der Welt leben inzwischen viel mehr Nutz- und Haustiere als wilde Tiere. Es gibt weltweit nur noch 200'000 Wölfe, aber 400 Millionen Haushunde. 3200 Tiger haben überlebt, dagegen gibt es 600 Millionen Hauskatzen. Weltweit zählt man 41 Millionen Hausesel, in freier Wildbahn sind es wahrscheinlich nur noch knapp über 20 Exemplare.
Das Überleben ist zweifelhaft
Unsere Hausesel stammen von den Afrikanischen Wildeseln ab. Vom Afrikanischen Esel existierten drei Unterarten. Die nordafrikanische Unterart wurde vor 300 Jahren ausgerottet. Das letzte Exemplar des nubischen Esels, der als eigentliche Urform unserer Esel gilt, soll 1970 im Nord-Sudan erlegt worden sein.
Die einzigen Überlebenden sind die Somali-Wildesel. Anfang der 1980er-Jahre lebten im Norden Somalias, Eritrea und Äthiopien noch circa 1500 Stück dieser hübschen Einhufer mit den Ringelsocken. Ob die heutige Population, die auf 20 bis 200 Stück geschätzt wird, noch überlebensfähig ist, ist zweifelhaft.
Zoo Basel kümmert sich um sie
Dabei wären die Esel erstaunliche Überlebenskünstler. Über Jahrtausende haben sie sich an das harte Leben in kargen Steinwüsten angepasst. Gejagt wurden die Esel schon seit Menschengedenken. In den letzten Jahrzehnten wurde die Region aber von Kriegen heimgesucht. Für die leidende Bevölkerung und die Soldaten stellten die Esel eine willkommene Nahrungsquelle dar.
In Zoos leben mehr dieser Esel als in der Natur. Eine wichtige Rolle spielt der Zoo Basel, der seit 1970 Somali-Wildesel hält und in Europa das Erhaltungszuchtprogramm koordiniert. Die Zooesel gehen aber auf nur 17 Vorfahren zurück – genetisch keine komfortable Situation.
Vielleicht ist der Somali-Wildesel also das nächste Opfer des dramatischen Artensterbens. Da wünscht man sich tatsächlich, dass alle Wildtiere eingefangen würden und nicht auf eine Waage, sondern in eine Arche gebracht werden. Nicht um sie vor der Flut zu retten, sondern vor dem grössten Esel des Planeten.
Simon Jäggi (40) ist Sänger der Rockband Kummerbuben und arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.