Nach hitzigen Diskussionen und stundenlangem Ringen ist die 26. Weltklimakonferenz, kurz COP26, im schottischen Glasgow gestern Abend zu einem Ende gekommen. Die Abschlusserklärung der rund 200 anwesenden Staaten fordert die Welt unter anderem erstmals dazu auf, den Kohleausstieg einzuleiten. Die Formulierungen in der Erklärung sind aber oft vage. Die Länder verpflichten sich ausserdem dem Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen. Dazu wird ihnen erneut mehr Zeit eingeräumt: Bis Ende 2022 sollen sie ihre bislang unzureichenden Klimaschutzpläne nachschärfen – freiwillig. Bundesrätin und Umweltministerin Simonetta Sommaruga (61) hatte als Verhandlungsleiterin in Glasgow eine wichtige Rolle inne. Wir haben sie im Anschluss an den Gipfel zum Gespräch gebeten.
Frau Sommaruga, wie viel Schlaf haben Sie die letzten Tagen gekriegt?
Simonetta Sommaruga: Von Freitag auf Samstag nicht viel. Wir waren bis weit nach Mitternacht am Verhandeln. Mein Team in Glasgow – dem ich übrigens ein Kränzchen winde für seine Arbeit – hat über zwei Wochen sehr wenig geschlafen.
Wie haben Sie die Stimmung in Glasgow und vor allem auch die letzten Stunden erlebt?
Der Freitag war angespannt, und in der Nacht auf Samstag kam viel Hektik auf. Es steht schliesslich sehr viel auf dem Spiel.
Welche Bilanz ziehen Sie?
Die Erwartungen an die COP waren hoch. Schliesslich müssen wir weltweit den CO2-Ausstoss reduzieren – und zwar rasch. Dieses Ziel hat man nicht erreicht. Die COP war geprägt von Eigeninteressen. So ist es schwierig, gute Lösungen fürs Klima zu finden. Immerhin gibt es aber auch Positives: Der Kohleausstieg soll eingeleitet werden und Subventionen für Kohle, Öl und Gas sollen auslaufen. Klar, die Schweiz hätte das noch viel deutlicher formulieren wollen.
Greta Thunberg sagte, die COP sei ein «Greenwashing-Festival».
Tatsache ist, dass die Staaten in Zukunft transparenter sein müssen, wenn sie über ihre Anstrengungen fürs Klima berichten. Bei den Marktregeln hat die Schweiz viel erreicht: Doppelzählungen sind verboten und auch Firmen können sich diesem System anschliessen und diese damit verhindern.
Die Schweizer Delegation hat sich für ehrgeizige Ziele und konkrete Massnahmen eingesetzt. Die Schweiz selbst ist aber selbst nicht auf Kurs, was ihre Klimaziele angeht. Wie kann sie da noch als glaubwürdige Verhandlerin auftreten?
Es ist kaum ein Land auf Kurs. Die Schweiz hat seit über 20 Jahren ein CO2-Gesetz, und ich werde noch in diesem Jahr mit einer Revision kommen. Das ist wichtig. Wir müssen jetzt Fehlinvestitionen in Technologien von gestern vermeiden und dafür die Gunst der Stunde nutzen. Viele Staaten machen vorwärts, setzen auf erneuerbare Energie, auf Sonne, Wasser und Wind – ich will mit der Schweiz unter den ersten sein, denn das sichert auch Arbeitsplätze und schafft uns Wettbewerbsvorteile.
Die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels wird schwieriger, je länger nach Versprechen keine Taten folgen. Macht Ihnen das keine Sorgen?
Doch, natürlich. Meine Grosskinder werden – im besten Fall – das Jahr 2100 noch erleben. Dann wird die Erde eine andere sein. Darum setze ich mich in meinem Departement und hier in Glasgow mit aller Kraft für mehr Klimaschutz ein. Auch wenn man es in der Schweiz noch nicht so stark spürt: Die Marshallinseln versinken, in anderen Staaten toben Stürme von noch nie gekanntem Ausmass, Asien vermeldet verheerende Überschwemmungen, auch Europa hat es getroffen. Kurz: Die Klimakrise betrifft alle, darum müssen wir gemeinsam handeln.
Um die gesetzten Ziele zu erreichen, braucht es laut Klimaforschenden bereits in den kommenden Jahren eine erhebliche Reduktion der Emissionen und des Konsums fossiler Energien. Hand aufs Herz: Wird das möglich sein?
Es muss. Und wir werden es möglich machen!