Sie sieht aus wie ein Stapel riesiger Ventilatoren – die Anlage der Firma Climeworks in Hinwil im Zürcher Oberland. Hier wird Kohlendioxid (CO2) aus der Luft gefiltert mit dem Ziel, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Die Methode heisst «Direct Air Capture» (DAC). Sie entzieht mit Filtern der Luft das Treibhausgas CO2. Dieses wird später wieder aus dem Filtermaterial abgetrennt. Die dafür nötige Energie gewinnt das System aus der Abwärme der nahe gelegenen Kehrichtverbrennungsanlage.
Das so extrahierte CO2 wird in ein Gewächshaus geleitet, wo es das Pflanzenwachstum fördert. Ausserdem verkauft Climeworks Kohlendioxid als Gas für Sprudelwasser. Dieses Geschäftsmodell hat das Bundesamt für Umwelt (Bafu) mit einer Million Franken mitfinanziert. «Wir wollen Climeworks helfen, Nischenmärkte zu besetzen, damit die Technologie ausreifen kann», sagt Andreas Schellenberger, wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bafu. Denn irgendwann soll die DAC-Technologie im Kampf gegen den Klimawandel helfen und grosse Mengen CO2 aus der Atmosphäre filtern. In Island testet die Firma bereits die unterirdische Speicherung des Kohlendioxids.
Der Klimawandel ist in aller Munde – und das nicht erst seit gestern. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter diesem Begriff? Hier erfahren Sie alles, was Sie über den Klimawandel wissen müssen.
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Erderwärmung umkehren
Ansätze wie diesen gibt es viele: Man spricht von negativen Emissionstechnologien. Diese sollen das vom Menschen ausgestossene CO2 wieder aus der Erdatmosphäre holen und so ein fettes Minus vor die Gesamtbilanz des weltweiten CO2-Ausstosses setzen. Das soll die Erderwärmung bremsen oder gar umkehren.
Denn das Ziel des Pariser Klimaabkommens, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu beschränken, rückt immer weiter in die Ferne. Um es zu erreichen, müssten wir laut einem Bericht des Weltklima-Rates schon im Jahr 2050 kohlenstoffneutral leben. Das heisst, dann dürfen wir nicht mehr CO2 ausstossen, als Pflanzen durch Photosynthese zurückholen können. Doch dazu müssten die Emissionen bis 2030 um 45 Prozent tiefer sein als im Jahr 2010.
Schaffen wir das nicht, wird es wärmer als die angestrebten zusätzlichen 1,5 Grad. Die Schäden an Natur und Umwelt werden sich nicht mehr rückgängig machen lassen, besagt der Bericht.
Um das Ruder dennoch herumzureissen und die Erwärmung zu beschränken, setzt der Weltklima-Rat unter anderem auch auf negative Emissionstechnologien. Doch die Zeit, solche Technologien einzusetzen, ist schon längst abgelaufen, meinen führende Klimawissenschaftler. Unter ihnen ist der Umweltphysiker Mark Lawrence, Direktor am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam. Er sagt, dass viele Modelle des Weltklima-Rats auf der Annahme beruhten, dass negative Emissionstechnologien tatsächlich zum Einsatz kommen würden. «Doch diese Annahme ist unrealistisch.» Denn die Technologien seien noch lange nicht so ausgereift, damit sie in dem grossen Massstab eingesetzt werden könnten, wie ihn die Modelle vorsehen.
Falsches Sicherheitsgefühl
Zu diesem Schluss kam Lawrence zusammen mit einem internationalen Team von Klimaexperten in einer Überblicksstudie. «Es ist sehr riskant, mit solchen Annahmen in den Modellen zu hantieren», sagt Lawrence. Denn es gebe politischen Entscheidungsträgern das Gefühl, dass man es mit technischen Lösungen schaffen könne, die Klimaziele zu erreichen, ohne die Emissionen so drastisch wie eigentlich nötig zu senken.
Konkret beinhalten die Modelle des Weltklimarates zwei Ansätze: Zum einen geht es um die Aufforstung von Wäldern im grossen Stil, die das CO2 auf natürliche Weise binden und als Biomasse speichern. Zum anderen geht es um ein Verfahren namens «Bioenergy with Carbon Capture and Storage», kurz BECCS. Die Idee: Aus dem Kohlendioxid soll grüne Energie werden. Mit grossflächig angebauten Pflanzen könnte man der Atmosphäre CO2 entziehen. Werden die Pflanzen anschliessend zur Energiegewinnung verbrannt, wird zwar wieder gleich viel CO2 frei, doch dieses soll direkt wieder herausgefiltert und in unterirdischen Reservoiren gespeichert werden.
Allerdings ist diese Speicherung in vielen Ländern heftig umstritten. Und der grossflächige Anbau von Biomasse, wie ihn Aufforstung und BECCS vorsehen, würde riesige Landflächen beanspruchen, die dann nicht mehr für die Produktion von Lebensmitteln zur Verfügung stünden. Das gefährdet die globale Ernährungssicherheit. Die bei den Aufforstungen höchstwahrscheinlich zum Einsatz kommenden Monokulturen wären ausserdem ein Problem für die ohnehin schon stark gefährdete Biodiversität.
Noch nicht auf industriellem Massstab
Ausserdem braucht es sehr viel Zeit, um die Technologien von Testversuchen und Pilotanlagen auf einen industriellen Massstab hochzufahren. Derzeit ist weder BECCS noch DAC massenmarkttauglich. Auch die Aufforstung hat, unter anderem wegen des enormen Landverbrauchs, gemäss der Studie von Mark Lawrence, nur eine geringe Kapazität, Kohlendioxid aus der Atmosphäre einzufangen.
«Es ist in der Tat sehr riskant, sich auf Technologien zu verlassen, die noch nicht im grossen Massstab existieren», sagt Sonia Seneviratne, Klima-Wissenschaftlerin am Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich. Seneviratne ist Mitautorin des Berichts des Weltklima-Rats von 2018 und sagt: «Wir dürfen nicht übermässig auf negative Emissionstechnologien setzen, um den CO2-Überschuss zu kompensieren. Aber wir werden sie in einigen Bereichen in der Zukunft sicher brauchen und müssen sie erforschen.»
Auch beim Schweizer Bundesamt für Umwelt setzt man darauf, die Emissionen weiter zu senken, lässt aber die Technologien zu negativen Emissionen nicht ausser Acht. Bafu-Experte Schellenberger sagt: «Die wissenschaftlichen Grundlagen des Übereinkommens von Paris verlangen, dass wir diese Technologien erforschen und in den nächsten Jahrzehnten auch anwenden müssen.»
Konkret wird sich das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) in nächster Zeit mit der Bedeutung negativer Emissionen für die Schweizer Klimapolitik beschäftigen. Ein entsprechendes Postulat der Grünen Partei wurde vor kurzem vom Bundesrat angenommen. «Wir planen, negative Emissionstechnologien in die langfristige Klimastrategie des Bundes einzubauen», sagt Schellenberger. Ende 2020 soll dazu ein Bericht des Bundesrats verabschiedet werden.
Sie ist gesund, hält schlank und hilft nebenbei noch den Klimawandel zu stoppen. Die Rede ist von der «Planetary Health Diet». Eine Ernährungsweise, die die Welt rettet.
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