In dem 20-seitigen Papier mit vielen ungeklärten Streitfragen wird zwar ein schrittweiser Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle eingefordert, nicht aber der Abschied von Öl und Gas. Umweltschutzorganisationen kritisierten am Donnerstag, der Text sei eine «Baustelle»: zu lang, zu unkonkret und in sich widersprüchlich. Es gebe aber auch Lichtblicke.
Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, sagte, der notwendige weltweite Ausstieg aus Öl und Gas müsse jetzt mit Hochdruck in das Dokument eingebracht werden. Dafür müsse sich auch Aussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) persönlich einsetzen. «Es wäre absolut inakzeptabel, wenn am Ende einer zweiwöchigen Klimakonferenz in Mitten des Klimakollaps maximal die Ergebnisse aus dem Vorjahr wiederholt würden.»
Auch der Oxfam-Experte Jan Kowalzig sagte der Deutschen Presse-Agentur, es wäre «ein grosses Versäumnis», wenn die Klimakonferenz COP27 kein klares Signal aussenden würde, dass die Abkehr von allen fossilen Energien unvermeidlich ist. Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström, kritisierte, beim Klimaschutz nicht über fossile Energieträger zu sprechen sei so wie zu sagen, dass sich die Wirtschaft nicht um Geld drehe.
Die zweiwöchige Konferenz in Ägypten, zu der etwa 34 000 Menschen angereist sind, soll planmässig am Freitag enden. Eine Verlängerung gilt aber zunehmend als wahrscheinlich.
Zu den weiter ungeklärten Punkten zählt auch die Forderung armer Staaten nach Ausgleichszahlungen für ihre erlittenen Schäden, etwa nach Dürren, Überschwemmungen oder Wirbelstürmen, die wegen der Erderhitzung stärker und häufiger werden. Ob dafür ein neuer Geldtopf eingerichtet wird, blieb weiter unklar.
Tom Evans von der Klima-Denkfabrik E3G sagte, die USA und die EU müssten bei dem Thema Schadenersatz, im UN-Jargon «loss and damage» genannt, ein ehrgeiziges Paket vorlegen. Sonst bestehe die Gefahr, dass auch andere Punkte verwässert werden. Er bilanzierte: «Wir sind nicht dort, wo wir sein müssen.» Der ägyptischen Präsidentschaft fehle eine «einheitliche Vision» für Kompromisslinien. Mit 20 Seiten sei der Text «unfassbar lang» mit vielen Wiederholungen und sogar einigen «ziemlich frustrierenden internen Widersprüchen».
Im Text hätten sich auch viele «Wiesel-Wörter» mit vager und unscharfer Bedeutung eingeschlichen, kritisierte Catherine Abreu vom kanadischen Klima-Beratungsgremium NZAB. Mit solchen Wörtern würde der «Status quo» der Energieerzeugung mit Öl, Gas und Kohle gerechtfertigt, statt den Ausstieg einzufordern.
In dem Text werden die Staaten aufgefordert, ihre grösstenteils unzulänglichen Klimaschutzpläne bis spätestens zur nächsten Klimakonferenz nachzubessern, die Ende 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfindet. Kowalzig von Oxfam sagte dazu, es würden aber keine brauchbaren Schlussfolgerungen daraus gezogen, dass die Pläne zu lax sind. «Diesbezüglich fehlt dem Text erheblich an Dringlichkeit und politischem Willen, das Ruder noch herumzureissen, bevor die wichtige 1,5°C-Grenze ausser Reichweite gerät.»
2015 hatten die Staaten in Paris vereinbart, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Welt hat sich nun schon um gut 1,1 Grad erwärmt, Deutschland noch stärker. Ein Überschreiten der 1,5-Grad-Marke erhöht nach Warnungen der Wissenschaft deutlich das Risiko, sogenannte Kippelemente im Klimasystem und damit unkontrollierbare Kettenreaktionen auszulösen.
David Ryfisch von Germanwatch sagte der dpa, die COP27 sei weit von einem Ergebnis entfernt, das alle mittragen können. «Besorgniserregend ist, dass der Vorschlag an einigen Stellen hinter die Ergebnisse des letztjährigen Weltklimagipfels zurückfällt.» Positiv hingegen sei der starke Bezug auf die Ergebnisse des Weltklimarats IPCC und auf den Bedarf für eine Reform der internationalen Finanzarchitektur, damit alle Geldströme in Richtung Klimaschutz fliessen.
(SDA)