Etwa 220 Franken – so viel gibt ein Durchschnittsschweizer pro Monat für Mode und Schuhe aus. 40 Prozent von 500 Deutschschweizerinnen gaben in einer Umfrage des Kleinanzeigenportals Tutti.ch an, die Hälfte ihrer Kleider in den letzten zwölf Monaten nicht getragen zu haben. Dann wird ausgemistet: Im Jahr sind das etwa 15 Kilo Altkleider, zu einem guten Teil neuwertige Textilien.
In Schweizer Sammelstellen landen jährlich etwa 50'000 Tonnen Textilien – etwa 200 Millionen Kleidungsstücke. Viele denken, ihre ausgemusterten Sachen helfen armen Menschen. Doch das stimmt nicht mehr. Von den über 36'000 Tonnen Kleidern (140 Millionen Stücke), die Texaid im Jahr sammelt, landet laut der Hilfsorganisation nur ein «geringer Teil» in Krisengebieten. Zwei Drittel verkauft Texaid «ins Ausland vor allem nach Osteuropa und Afrika».
«Spenden» zerstören lokale Textilindustrie
In Afrika und Asien haben sich riesige Textilmärkte entwickelt, auf denen das Getragene aus den reichen Ländern verkauft wird. Die Regierungen von ostafrikanischen Ländern wie Tansania, Uganda und Ruanda wollen deshalb die Einfuhrzölle erhöhen. Ihr Argument: Die «Spenden» der Reichen machten die heimische Textilindustrie kaputt.
Immerhin, indirekt helfen die ausgemusterten Mäntel, Jacken oder Hosen trotzdem armen Menschen. Texaid betont, der Erlös der ins Ausland verkauften Textilien gehe an karitative Organisationen, etwa an Terre des hommes oder das Rote Kreuz.
15 Prozent werden zu Isoliermaterial
David Hachfeld (38) ist Koordinator für Clean Clothes für Public Eye in der Schweiz, eine Organisation, die sich für bessere Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie einsetzt. Er erklärt das eigentliche Problem mit den Billigherstellern. Sie machen in Afrika dem Secondhand-Markt sowie dem lokalen Modemarkt harte Konkurrenz. Denn wer kauft noch Gebrauchtes, wenn er ein neues T-Shirt für drei Franken kaufen kann? Ergo sieht Hachfeld das Kernproblem «in unserem Umgang mit unserem Kleiderberg». Anders ausgedrückt: Durch unsere Wegwerfmentalität sind zu viele Kleider in Umlauf, die nicht mal die Entwicklungsländer brauchen.
Sowieso ist nicht alles tragbar, was Schweizer in die Altkleidertonne werfen. Bei Texaid bleiben nach dem Aussortieren 35 Prozent schadhaftes oder verschmutztes Sammelgut übrig. Die Sachen werden in Schattdorf UR in einer der europaweit modernsten Anlagen sortiert. 15 Prozent des Sammelguts verarbeitet man zu Recyclingwolle oder Isolier- und Dämmmaterial. Weitere 15 Prozent – beschädigte Textilien aus Baumwolle – verarbeitet Texaid zu Putzlappen. Fünf Prozent der Alttextilien sind zu nichts mehr zu gebrauchen und werden «thermisch verwertet», sprich verbrannt.
Weltweit werden jedes Jahr 100 Milliarden Kleidungsstücke angefertigt. Die Fashion-Branche will bis 2030 um 60 Prozent wachsen. Jeder 6. Mensch auf der Erde arbeitet auf irgendeine Weise für die Modeindustrie.
Weltweit werden jedes Jahr 100 Milliarden Kleidungsstücke angefertigt. Die Fashion-Branche will bis 2030 um 60 Prozent wachsen. Jeder 6. Mensch auf der Erde arbeitet auf irgendeine Weise für die Modeindustrie.