Jahrhundertsturm wütete vor 25 Jahren
«Lothar» hat die Waldbewirtschaftung verändert

Der Schweizer Wald ist 25 Jahre nach dem Sturm «Lothar» besser für ein solches Jahrhundertereignis gewappnet. Aus der Katastrophe wurde laut der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft wichtige Lehren gezogen.
Publiziert: 18.12.2024 um 09:13 Uhr
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Aktualisiert: 18.12.2024 um 11:43 Uhr
Der Sturm "Lothar" richtete vor 25 Jahren riesige Schäden an. (Archivbild)
Foto: WALTER BIERI
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SDASchweizerische Depeschenagentur

Der Orkan «Lothar» fegte am Morgen des 26. Dezembers 1999 über die Schweiz. 14 Menschen starben. Zudem warf der Sturm 14 Millionen Kubikmeter Holz zu Boden. Es war damit der mit Abstand heftigste Wintersturm in Europa und in der Schweiz, was die Waldschäden betrifft, wie die Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) am Mittwoch mitteilte.

«Lothar führte uns vor Augen, welche Schäden Extremereignisse haben können», liess sich Thomas Wohlgemuth von der WSL in der Mitteilung zitieren. Im Mittelland sei das Ausmass beispiellos gewesen, man würde «heute sagen unfassbar». Bei den Aufräumarbeiten kamen laut der Forschungsanstalt weitere 17 Waldbesitzer ums Leben, dazu zwei Personen in öffentlichen Forstbetrieben.

Der gesamte Schaden wurde in den Jahren danach vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) auf 1,35 Milliarden Franken beziffert, 600 Millionen Franken für Bauten und 750 Millionen Franken für den Wald. Insgesamt wurden zwei Prozent der Bäume in der Schweiz umgeworfen oder umgeknickt.

Am stärksten betroffen vom Orkan, der mit Windspitzen von bis zu 272 Kilometern pro Stunde (km/h) von Nordfrankreich über Süddeutschland und die Schweiz nach Österreich zog, waren damals die Kantone Bern, Freiburg, Luzern und Nidwalden.

Stark betroffen war in der Folge die Wald- und Holzbranche. Die Preise für Rundholz sanken aufgrund des Überangebots im Frühling 2000 um etwa ein Drittel.

Nach dem Sturm, und dann insbesondere nach dem Hitzejahr 2003, fügten Massenvermehrungen von Borkenkäfern noch einmal fast zwei Drittel so viel geschädigtes Holz hinzu wie der Sturm selbst. Wenn kräftige Stürme auf grossen Flächen Wälder umwerfen, folgt in fichtenreichen Beständen für einige Jahre fast immer eine starke Vermehrung von Borkenkäfern, wie die WSL erklärte.

Das betreffe zuerst den Randbereich der Sturmflächen, danach auch den angrenzenden, geschwächten Bestand. Besonders in Tieflagen gelte es daher, beschädigte Fichten, also jene Bäume, die von den Borkenkäfern bevorzugt werden, so rasch wie möglich zu räumen.

Im Mittelland ist die Fichte eigentlich nicht heimisch. Die Forstwirtschaft hat aber grossflächig Fichten angepflanzt, weil sich diese für die Holzproduktion gut eignen.

Inzwischen seien Fichten im Mittelland deutlich seltener, so die WSL. Damit sei der Wald besser für ein Jahrhundert-Sturmereignis gewappnet als im Jahr 1999.

Dort, wo der Wald vor 25 Jahren am Boden lag, stehen heute laut der WSL wieder 10 bis 20 Meter hohe Bäume. Auf den Sturmflächen wuchsen viele Laubbaumarten nach, die als klimarobust gelten, wie Eiche, Kirschbaum, Berg- und Spitzahorn.

Wie Untersuchungen der Forschungsanstalt zeigen, sind viele Wälder nach dem Sturm strukturreicher geworden, was neue Lebensräume für viele Tier- und Pflanzenarten schuf. Die Insektenvielfalt ist dadurch laut der WSL geradezu explodiert. Eine Studie der Schweizerischen Vogelwarte wies zudem nach, dass Spechte von Lothar profitieren konnten, da sie sich von Insekten unter der Baumrinde oder in morschem Holz ernähren.

Es sei aber davon auszugehen, dass es früher oder später wieder zu grossen Stürmen komme, so die Forschungsanstalt. Stärkere Stürme als Lothar seien in Europa zwar schwer vorstellbar, aber mit dem Klimawandel nicht ausgeschlossen.

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