Hochwasser-Gefahrenkarten, die zeigen, wo Bäche, Flüsse oder Seen über die Ufer treten könnten, gibt es zwar. Das Forschungsteam des Mobiliar Lab für Naturrisiken der Universität Bern hat anhand dieser Karten errechnet, wie viele Menschen in Gefahrengebieten wohnen und wie viele Gebäude sich in diesen Zonen befinden.
Die Berechnungen sollen zeigen, wo die Schäden durch Hochwasser am grössten ausfallen könnten, wie die Universität Bern am Donnerstag mitteilte. Dadurch könnten beim Entscheid über Schutzmassnahmen Prioritäten gesetzt werden. Die etwa 270'000 Gebäude in Zonen mit Hochwasserrisiko haben einen Neuwert von 480 Milliarden Franken.
Eingeteilt sind Menschen und Häuser in die drei Gefahrenstufen gelb («gering»), blau («mittel») und rot («hoch»). Über alle diese Ebenen betrachtet, sind in einigen Walliser und Nidwaldner Gemeinden sowie in Ortschaften im St. Galler Rheintal ein überdurchschnittlicher Anteil von Gebäuden gefährdet.
Nimmt man von die in Risikozonen lebende Bevölkerung als Basis, fallen zusätzlich die Regionen Meiringen/Interlaken im Berner Oberland, das Glarnerland sowie das Sarganserland als gefährdet auf.
Doch auch Tausende Städterinnen und Städter leben mit einem Hochwasserrisiko, vor allem in Zürich, St. Gallen, Sitten, Winterthur, Luzern und Biel. In Zürich wohnen laut der Studie gegen 80'000 Menschen in Gefahrenzonen, also ungefähr jeder fünfte. Die grösste Schweizer Stadt hatte 2015 rund 410'400 Einwohner.
Allerdings ist für die meisten gefährdeten Zürcherinnen und Zürcher die Hochwassergefahr gering, und unter dem landesweiten Mittel liegt auch die Zahl der Menschen in blauen Zonen.
In Gemeinden im Alpenbogen ist zwar ein höherer Anteil der Gebäude hochwassergefährdet als in Städten. «Die grössten Hochwasserschäden werden aber dort verursacht, wo hohe Werte konzentriert sind, nämlich in den Städten», liess sich Verena Röthlisberger, Expertin für Hochwasserrisiken am Mobiliar Lab, in der Mitteilung zitieren.
Für die Studie erfasst wurden zahlenmässig rund drei Viertel aller Gebäude im Land und wertmässig 82 Prozent der Gebäude sowie 86 Prozent der Einwohner. In roten Zonen leben knapp 61'000 Menschen - weniger als ein Prozent der Erfassten - und hoch gefährdet sind Gebäudewerte von knapp 50 Milliarden Franken - rund 2 Prozent.
In geringem Ausmass gefährdet sind dagegen knapp 10 Prozent der erfassten Gebäude und 11,4 Prozent der erfassten Gebäudewerte - das entspricht rund 256 Milliarden Franken. In gelben Zonen leben auch gegen zehn Prozent der erfassten Einwohnerinnen und Einwohner.
Nicht erfasst wurden Gebiete ausserhalb des Gefahrenperimeters sowie Orte, für die noch keine Gefahrenkarte oder erst ein Teil davon verfügbar ist, wie es beim Mobiliar Lab auf Anfrage hiess. Lücken bestehen vor allem im Tessin, im Wallis und im Kanton Neuenburg.
Die Ergebnisse der Berechnungen stellt das Institut in einem Webtool Fachleuten und auch der Öffentlichkeit zur Verfügung. Auf den interaktiven Karten sind die Anteile von Gebäuden und Menschen in gefährdeten Zonen ersichtlich. Für jede erfasste Gemeinde sind Gefährdungs-Vergleiche mit Bezirk, Kanton und Schweiz möglich.
Das Mobiliar Lab für Naturrisiken ist eine gemeinsame Forschungsinitiative des Oeschger-Zentrums für Klimaforschung der Universität Bern und der Mobiliar Versicherung. Es wurde 2013 gegründet und befasst sich mit Hochwasser, Sturm und Hagel in der Schweiz und dem Schadenpotenzial dieser Ereignisse.