Seit 25 Jahren gibt es kein Lebenszeichen von Gedhun Choekyi Nyima. Der Tibeter wurde im Alter von sechs Jahren zur elften Reinkarnation des Panchen Lama ernannt, dem zweithöchsten religiösen Führer Tibets nach dem Dalai Lama. Die Chinesische Regierung lehnte den Kandidaten jedoch ab, indem sie die Anerkennung als illegal und ungültig erklärte. Nur drei Tage später verschwanden der Junge und seine Familie.
Die chinesischen Behörden erklärten damals, dass er auf Bitten seiner Eltern in Schutzhaft genommen worden sei. Es gibt wenige offizielle Statements zu seinem Verbleib, angeblich wolle er nicht gestört werden und führe ein normales Leben.
Neuer Panchen Lama bestimmt
Sechs Monate nach Nyimas Entführung gab die chinesische Regierung bekannt, sie habe die «wahre Reinkarnation» gefunden und erklärte einen tibetischen Jungen und Sohn von Mitgliedern der Kommunistischen Partei zum neuen Panchen Lama. Er lebt in Peking und wird von den meisten Tibetern nicht als religiöser Würdenträger anerkannt.
Die Zugehörigkeit Tibets zu China ist völkerrechtlich umstritten. Tibet wurde in einem Abkommen von 1951 mit China Religionsfreiheit und innenpolitische Autonomie versichert. Seit 1959 besteht eine Exilregierung Tibets in Indien, die zwar international nicht anerkannt ist, aber von vielen Ländern unterstützt wird.
«Er ist verschwunden, aber vergessen haben wir ihn nicht»
Die in der Schweiz wohnhafte Dekyi Santamaria (51) ist Präsidentin der Tibetischen Frauen-Organisation der Schweiz. Gemeinsam mit den anderen Mitgliedern kämpft sie gegen das Vergessen und für die Freilassung des seit 25 Jahren verschwundenen Gedhun Choekyi Nyima.
«Er ist verschwunden, aber vergessen haben wir ihn nicht», erzählt sie. «Deshalb kämpfen wir, die Tibetische Exil-Regierung und die Tibetan Women Association in Indien, sowie verschiedene Organisationen weltweit weiterhin um seine Freilassung.» Sie sehe eine Chance für seine Rückkehr nach Tibet in sein Kloster, wenn der UN-Menschenrechtsrat und die Staats- und Regierungschefs der Welt Druck auf die chinesische Regierung ausüben würden.
Die Bedeutung des Panchen Lama für Tibet
Als eine der mächtigsten Figuren des Tibetischen Buddhismus ist der Panchen Lama von grosser Bedeutung, sowohl im spirituellen, politischen als auch religiösen Leben Tibets.
Wegen seiner wichtigen Rolle als religiöses Oberhaupt in Tibet und als derjenige, der die nächste Reinkarnation des 14. Dalai Lama anerkenne, sei er von der chinesischen Behörde entführt worden, ist Santamaria überzeugt.
Gedenken an den entführten Würdenträger
Jedes Jahr am 25. April, dem Geburtstag von Gedhun Choekyi Nyima, und am 17. Mai, dem Tag seiner Entführung, veranstalten verschiedene tibetische Organisationen Aktionen, um auf sein Schicksal aufmerksam zu machen. «Es finden Demonstrationen und Ballon-Aktionen statt und es werden Flyer und Gebäck verteilt», so Santamaria.
Die geplante Demonstration in diesem Jahr können wegen der Corona-Pandemie nicht durchgeführt werden. Trotzdem gedenkt die Tibetische Frauen-Organisation der Schweiz ihres verschwundenen Panchen Lama. «Wir hoffen, dass er bald freigelassen wird», so Santamaria. «Ich wünsche mir fest, dass wir ihn bald in einem befreiten Tibet sehen können.»