Kopf vom Homo sapiens:  Neandertaler und moderne Menschen haben mehr gemeinsam als oft gedacht.
Foto: Keystone

Menschheitsgeschichte
Der moderne Mensch kam 150.000 Jahre früher nach Europa als angenommen

Eine aktuelle Studie aus Tübingen und Athen zeigt: Der moderne Mensch besiedelte Europa viel früher als bislang angenommen. Damit beginnt die Geschichte des Homo sapiens wohl 150'000 Jahre früher als bislang gedacht.
Publiziert: 11.07.2019 um 10:22 Uhr
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Aktualisiert: 11.07.2019 um 13:50 Uhr
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Mittels Computeranimation wurde der Schädel des Homo sapiens rekonstruiert.
Foto: Katerina HARVATI / Eberhard Karls Universität Tübingen

Afrika gilt als Wiege der Menschheit. Doch der Homo sapiens verliess den Kontinent wahrscheinlich viel früher als bislang angenommen - das fanden Wissenschaftler aus Tübingen und Athen heraus.

Schon 150'000 Jahre früher

Der Homo sapiens hat Afrika einer Studie zufolge viel eher verlassen und sich 150'000 Jahre früher in Europa angesiedelt als bisher angenommen. Der analysierte Schädel eines modernen Menschen stamme vom Fundort Apidima in Südgriechenland, berichten Wissenschaftler der Universitäten Tübingen und Athen im Fachmagazin «Nature". Ein unabhängiger Forscher äussert einige Vorbehalte zu den Ergebnissen.

Nach Angaben der Universität Tübingen vom Mittwoch, untersuchten die Forscher einen menschlichen Schädel, der bereits in den 1970er Jahren in einer griechischen Höhle entdeckt worden war. Unter anderem rekonstruierten sie beschädigte Teile virtuell und datierten ihn auf ein Alter von 210'000 Jahren.

Wegen seiner Merkmale wie einem gerundeten Hinterkopf ordneten sie ihn einer frühen Form des Homo sapiens zu. Der Schädel stamme damit vom ältesten modernen Menschen, der ausserhalb Afrikas gefunden wurde. Bisher bekannte Homo sapiens-Funde in Europa sind mehr als 150'000 Jahre jünger.

Die Geschichte von Homo sapiens
Als Homo antecessor bezeichnet die Wissenschaft nur die in Nordspanien gefundenen Überreste der ersten Europäer. Noch ist unklar, ob der Antecessor (lateinisch für Vorgänger) eine eigene Art der Gattung Mensch (Homo) ist oder zur Gattung Homo erectus oder Homo heidelbergensis gehört. Der Homo Erectus (erectus = aufgerichtet) lebte vor etwa 1,85 Millionen bis 40 000 Jahren und breitete sich als erste Hominidengruppe ausserhalb Afrikas aus. Der Homo Heidelbergensis war die erste Menschenart, die Europa flächendeckend besiedelte. Der Homo sapiens (sapiens = weise) tauchte vor 100 000 Jahren auf.
Als Homo antecessor bezeichnet die Wissenschaft nur die in Nordspanien gefundenen Überreste der ersten Europäer. Noch ist unklar, ob der Antecessor (lateinisch für Vorgänger) eine eigene Art der Gattung Mensch (Homo) ist oder zur Gattung Homo erectus oder Homo heidelbergensis gehört. Der Homo Erectus (erectus = aufgerichtet) lebte vor etwa 1,85 Millionen bis 40 000 Jahren und breitete sich als erste Hominidengruppe ausserhalb Afrikas aus. Der Homo Heidelbergensis war die erste Menschenart, die Europa flächendeckend besiedelte. Der Homo sapiens (sapiens = weise) tauchte vor 100 000 Jahren auf.

Frühere Ausbreitung

Es gilt als Konsens in der Wissenschaft, dass sich der anatomisch moderne Mensch in Afrika entwickelt und von dort auf der ganzen Welt verbreitet hat. Die jetzt veröffentlichten Forschungsergebnisse zeigten, dass eine erste Ausbreitungswelle viel früher stattgefunden habe und geografisch weitreichender bis nach Europa ausgefallen sei als bisher angenommen, teilte Hauptautorin Katerina Harvati, Paläoanthropologin an der Universität Tübingen, mit.

Einen zweiten Schädel vom gleichen Fundort identifizierten die Forscher als Überrest eines Neandertalers. Ihrer Erkenntnis nach ist er 170'000 Jahre alt. Die Wissenschaftler schliessen daraus, dass in der Epoche des Mittelpleistozän im heutigen Griechenland erst eine frühe Population des Homo sapiens und später Neandertaler lebten. Die Schädelanalysen deuten darauf hin, dass letztere später wiederum von neu ankommenden anatomisch modernen Menschen verdrängt wurden.

Nach Angaben von Faysal Bibi vom Museum für Naturkunde in Berlin fügen sich die Forschungsergebnisse in eine Reihe von Entdeckungen der vergangenen Jahre etwa aus Israel oder China, die die Geschichte des Homo sapiens immer älter und komplexer scheinen lassen. Es ist z.B bekannt, dass Neandertaler und moderne Menschen früh gemeinsame Kinder hatten.

Umstrittene Datierungsmethode

Er äusserte aber Vorbehalte, weil die jetzt neu interpretierten Schädelknochen aus Griechenland nur noch in Bruchstücken vorhanden sind. Zudem sei die von den Forschern verwendete radiometrische Datierungsmethode umstritten. In der Vergangenheit habe sie oft falsche Ergebnisse geliefert.

«Es braucht mehr und bessere Fossilien, um jeden zu überzeugen, dass Homo sapiens so früh in Griechenland lebte, und Daten zur Bestätigung», sagte Bibi. «Die neue Studie liefert aber exzellente Gründe, um weiter nach neuen Entdeckungen zu suchen.»

Neandertaler und moderner Mensch waren sich doch ähnlich

Neandertaler bewegten sich wahrscheinlich ebenso aufrecht wie moderne Menschen und besassen eine ähnlich geschwungene Wirbelsäule. Das schliessen Forschende aus Zürich und den USA aus der computergestützten Rekonstruktion eines sehr gut erhaltenen Skeletts.

Neandertaler stellte man sich bisher eher grobschlächtig vor. Eine neue Studie beweist: Sie hatten durchaus Fingerspitzengefühl. (Archivbild)
Neandertaler stellte man sich bisher eher grobschlächtig vor. Eine neue Studie beweist: Sie hatten durchaus Fingerspitzengefühl. (Archivbild)
KEYSTONE/AP/MARTIN MEISSNER

Neandertaler bewegten sich wahrscheinlich ebenso aufrecht wie moderne Menschen und besassen eine ähnlich geschwungene Wirbelsäule. Das schliessen Forschende aus Zürich und den USA aus der computergestützten Rekonstruktion eines sehr gut erhaltenen Skeletts.

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