Geschichte mit Claude Cueni
101 Minuten Fussball, 4 Tage Krieg

An dieser WM streiten sich die Mannschaften zum Glück nur um den Ball. Das war nicht immer so: 1969 kam es nach dem Qualifikationsspiel zum Krieg zwischen El Salvador und Honduras.
Publiziert: 13.07.2018 um 06:43 Uhr
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Aktualisiert: 06.10.2022 um 09:33 Uhr
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Claude CueniSchriftsteller

Im Azteken-Stadion von Mexiko-Stadt ist die elften Minute der Nachspielzeit angelaufen. Flügelstürmer Mauricio «Pipo» Rodriguez sprintet in den gegnerischen Strafraum, setzt sich gegen einen Verteidiger durch und versenkt den Ball im Netz. El Salvador gewinnt 3:2 gegen den Nachbarn Honduras und qualifiziert sich für die WM 1970. Zuvor hatten beide Teams je einen Sieg errungen, es ging um alles oder nichts.

Doch was danach folgt, hätte der Schiedsrichter auch mit 300 Dosen Rasierschaum nicht verhindern können. Während die Spieler in die Kabinen zurückkehren, versuchen vor dem Stadion 5000 Polizisten eine blutige Massenschlägerei zu beenden, vergebens, einige Fans finden den Tod, viele werden verletzt.

Migranten zurück nach Hause!

Hintergrund der Feindschaft war eine geplante Landreform im dünn besiedelten Honduras, das mit 112'000 Quadratkilometern fünfmal so gross ist wie El Salvador, aber weniger Einwohner hatte als der Nachbarstaat. Deshalb waren verarmte Bauern aus San Salvador nach Honduras ausgewandert und hatten sich auf dem brachliegenden Land von Grossgrundbesitzern niedergelassen. Mit der honduranischen Landreform sollten diese 300'000 salvadorianischen Migranten wieder nach Hause geschickt werden. Paramilitärische Gruppen wie Mancha Brava hatten bereits begonnen, die Zuwanderer gewaltsam zu vertreiben.

2100 Tote, über 6000 Verletzte

Einen Tag nach dem entscheidenden Fussballspiel brachen beide Staaten ihre diplomatischen Beziehungen ab und befeuerten den Konflikt mit abstrusen Fake News. Bereits 17 Tage später flog die salvadorianische Luftwaffe Angriffe auf das militärisch unterlegene Honduras und überquerte mit Bodentruppen die Grenze. Die honduranische Armee flog mit museumsreifen Propellermaschinen Gegenangriffe auf Ziele in El Salvador. Schliesslich beendete die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) mit Drohungen den Krieg nach 100 Stunden, 2100 Toten, über 6000 Verletzten und zehntausend zerbombten Wohnhäusern.

El Salvador hatte zwar das Spiel gewonnen, doch die 300'000 Migranten, die mehrheitlich nach El Salvador zurückgekehrten, führten zu sozialen Unruhen, die sich schliesslich in einem elfjährigen Bürgerkrieg entluden, der über 70'000 Menschen das Leben kostete.

Claude Cueni (62) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Kürzlich ist sein neuer Roman «Der Mann, der Glück brachte» erschienen. Cueni schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK.

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