Die Hand gehörte zu einem OH86 genannten Vorfahren des Menschen, wie Wissenschaftler am Dienstag im Fachmagazin «Nature Communications» berichteten. Er war womöglich mehr als 1,75 Meter gross und damit grösser als alle vorherigen oder zeitgenössischen menschlichen Vorfahren.
Die Hand spielt in der Evolution des Menschen eine besondere Rolle, deswegen sind Fossilienfunde dieses Körperteils für die Wissenschaftler besonders aufregend. Die Form der Hand gibt Auskunft über den Entwicklungsstand unserer Vorfahren und trieb diese Entwicklung zugleich voran, wie Studienleiter Manuel Dominguez-Rodrigo von Institut für die Evolution in Afrika in Madrid erklärte.
Kein anderer Primat könne so viele Handgriffe vollführen wie der Mensch, erklärte Dominguez-Rodrigo der Nachrichtenagentur AFP. «Und diese Fähigkeit zu Handgriffen hat mit unseren Gehirnen interagiert, um unsere Intelligenz zu entwickeln - in erster Linie über die Entwicklung von Werkzeugen.»
Kennzeichen einer modernen Hand sind ein relativ langer Daumen, der einen besseren Griff ermöglicht, und gerade Fingerknochen - gekrümmte Fingerknochen waren für die menschlichen Vorfahren von Vorteil, als sie in den Bäumen lebten und sich von Ast zu Ast schwangen.
Vor rund sechs Millionen Jahren begannen die ältesten menschlichen Vorfahren auf zwei Beinen zu gehen, zeitgleich entwickelten sie längere Daumen. Ihre Fingerknochen blieben aber noch rund vier Millionen Jahre lang gekrümmt, vermutlich weil sie immer noch zeitweise auf Bäumen lebten.
Erst als unsere Vorfahren endgültig den Boden vorzogen, wurden auch ihre Fingerknochen gerade. «Die Hände wurden von ihrer Aufgabe einer Fortbewegung in den Bäumen befreit und spezialisierten sich auf Handgriffe», erklärte Dominguez-Rodrigo. Die ersten bekannten Steinwerkzeuge tauchten vor rund 2,6 Millionen Jahren auf.
Der Vorfahr OH 86, von dem der gefundene, gerade gewachsene Fingerknochen stammt, war vermutlich deutlich grösser als der zeitgleich lebende Homo habilis. Das erklärt in Dominguez-Rodrigos Augen auch, wie unsere Vorfahren in der Zeit hunderte Kilogramm schwere Tiere nach der Jagd von einem Ort zum anderen schleppen konnten, wie es Spuren nahelegen.
«Ich habe mich immer gefragt, wie der Homo habilis, der nur etwas über einen Meter gross war, so grosse Tiere jagen konnte. OH86 ist ein besserer Kandidat, um die Anhäufung der tierischen Überreste zu erklärten.»
Andere Forscher warnten hingegen davor, vom Fund eines Fingerknochens ausgehend zu weitreichende Schlussfolgerungen zu ziehen: «Dieser einzelne Knochen sagt uns nichts darüber, wie der Rest der Hand aussah, und noch weniger, wie der Rest des Skeletts aussah», kommentierte Tracy L. Kivell von der Universität Kent. Ähnlich äusserte sich Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. (SDA)