Bis in die 1970er-Jahre hinein waren Universitäten weitgehend geschlossene Gesellschaften. Wer studierte, hatte meist Eltern aus dem Akademikermilieu. Und die Herren Professoren und die wenigen Professorinnen pflegten zu festlichen Gelegenheiten in ihrer aus dem Mittelalter stammenden Amtstracht aufzutreten: in Talaren, wie Richter, Staatsanwälte oder Pfarrer. Von den Studenten liessen sie sich mit «Magnifizenz» oder zumindest «Exzellenz» anreden.
Eine steife Gesellschaft war das. Und den studentenbewegten Jungakademikern ein Dorn im Auge: Sie verlangten Hochschulreformen und in Deutschland die Aufarbeitung der jüngsten Geschichte an den Universitäten – zahlreiche akademische Lehrer, die während der Nazizeit Parteimitglied gewesen waren oder mit den braunen Machthabern gekungelt hatten, konnten sich auch nach dem Krieg auf ihrem Lehrstuhl halten.
«Unter den Talaren …»
Dann kam der 9. November 1967. An der Universität Hamburg stand ein Wechsel im Rektorat an, und sämtliche akademischen Würdenträger schritten in Tracht an einer Prozession in den grössten Vorlesungssaal. Zwei Studenten mogelten sich an die Spitze des akademischen Zugs und entfalteten ein Transparent, während die universitären Lehrer ihnen nichtsahnend folgten – die konnten von hinten nicht sehen, was darauf stand: «Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren».
An der grössten Universität der Schweiz plante die «Fortschrittliche Studentenschaft Zürich» (FSZ) im Sommer 1968 ein Seminar über «Hochschule und Gesellschaft». Die FSZ-Aktivisten rund um den späteren Avenir-Suisse-Chef Thomas Held wollten den deutschen Revolutionär Rudi Dutschke sprechen lassen. Thema: «Die Rolle der Hochschule bei der Umwälzung der Gesellschaft».
Doch das Attentat auf den deutschen Studentenführer verhinderte diesen Auftritt. Die Veranstaltung fand dennoch statt – mit behördlichem Segen im Lichthof der Universität und rund tausend Zuhörern. Der «Tages-Anzeiger» sprach von ersten legalen «Go-in» in der Geschichte der Universität.
An der grössten Universität der Schweiz plante die «Fortschrittliche Studentenschaft Zürich» (FSZ) im Sommer 1968 ein Seminar über «Hochschule und Gesellschaft». Die FSZ-Aktivisten rund um den späteren Avenir-Suisse-Chef Thomas Held wollten den deutschen Revolutionär Rudi Dutschke sprechen lassen. Thema: «Die Rolle der Hochschule bei der Umwälzung der Gesellschaft».
Doch das Attentat auf den deutschen Studentenführer verhinderte diesen Auftritt. Die Veranstaltung fand dennoch statt – mit behördlichem Segen im Lichthof der Universität und rund tausend Zuhörern. Der «Tages-Anzeiger» sprach von ersten legalen «Go-in» in der Geschichte der Universität.
Eine Anspielung auf das von den Nazis propagierte tausendjährige Reich, an die ausgebliebene Aufarbeitung dieser dunklen Zeit gerade auch an den Universitäten und an die verkrusteten Strukturen des akademischen Lehrbetriebs bis in die unmittelbare Gegenwart hinein. Pressefotografen hielten die bizarre Prozession fest, Zeitungen druckten die Bilder, und die Studentenbewegung hatte eine ihrer zeitlosen politischen Parolen formuliert.
Unis werden überrannt
Das zeigte Wirkung. Nirgends so stark wie in Deutschland. Neue, sogenannte Reformuniversitäten schossen überall im Land wie Pilze aus dem Boden. Meist waren es Campus-Universitäten mit interdisziplinärer Lehre und Forschung, die den nachrückenden studentenbewegten Wissenschaftlern neue Karrieremöglichkeiten eröffneten und einen Run auf die Unis auslösten.
Immer noch weniger Arbeiterkinder
Studierten Mitte der 1960er-Jahre noch weniger als 10 Prozent eines Jahrgangs, sind es heute über 40 Prozent. Staatliche Unterstützung öffnete die Universitäten zudem auch für Arbeiterkinder – allerdings beginnen noch heute von hundert Kindern von Nichtakademikern lediglich 24 mit einem Studium. Dennoch: Die Hochschulreformen sind wohl die bedeutendste Errungenschaft der Studentenbewegung.
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