Die Tradition des Postkartenschreibens ist leider fast ausgestorben. Doch vor 150 Jahren war die Postkarte das neuste und modernste Korrespondenzmittel. Die Einführer verwiesen auf die grossen Vorzüge des neuen Mediums: kurz, weniger förmlich, günstiger und schneller als der Brief. Nicht alle haben die Vorteile der Postkarte sofort anerkannt; man fürchtete, dass vertrauliche Informationen in falsche Hände geraten könnten.
Die ersten Kärtchen hatten übrigens keine Bilder, sie waren sehr einfach und nur mit einer Briefmarke versehen. 1896 hat man angefangen, die Ansichtskarten zu versenden. Diese zeigten schöne Orte, Naturlandschaften, Blumen, Tiere und wichtige Persönlichkeiten. Heute hat die Bedeutung der Postkarte gegenüber den elektronischen Medien stark an Bedeutung verloren. Manche werden doch noch nostalgisch, und verschicken Bildpostkarten aus den Ferien, zum Geburtstag oder als Einladung.
Drei Fakten über die Postkarte
- 1869 erfindet ein Wiener die Postkarte: Vor 150 Jahren, am 26. Januar 1869, erscheint in einer Wiener Zeitung ein Artikel mit dem Titel «Über eine neue Art der Correspondenz mittels der Post». Darin regt der Ökonom Emanuel Herrmann die Einführung der Postkarte an – eine Idee, die Österreichs Postdirektor sofort aufnimmt. Am 1. Oktober 1869 wurde die Karte schliesslich das erste Mal verschickt und wurde sogleich ein Renner: Bereits nach vier Wochen wurde das millionste Exemplar verkauft. Kein Jahr später erfolgte die Zulassung in der Schweiz.
- 1913 verschickten Schweizer 112.5 Mio Karten: Auch in der Schweiz ist man begeistert von der praktischen Alternative zum Brief und verschickt massenweise Postkarten. Der Höhepunkt ist kurz vor dem Ersten Weltkrieg erreicht: Vor 106 Jahren kommen auf jeden Einwohner gut 30 verschickte Postkarten.
- 75 % weniger Postkarten von 1997 bis 2007: Mit dem Aufkommen neuer Kommunikationsmittel wie dem Telefon verliert die Postkarte ab 1914 mehr und mehr an Bedeutung. E-Mail und SMS machen ihr um die Jahrtausendwende fast den Garaus. Seit Kurzem verhilft die Post der Postkarte mit ihrer Postkarten-App zu einem Revival.
Wie sah die Postkarte damals aus?
Die Postkarte passte zum allgemeinen Innovations- und Beschleunigungsschub in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zu dem auch das Reisen gehörte. Das Bedürfnis entstand, die Daheimgebliebenen zu grüssen und mithin neidisch zu machen. Die mittlerweile verbreitete Fotografie ermöglichte das Versenden von Aufnahmen aus dem Urlaubsort, die daselbst käuflich zu erwerben waren: «Seht her, so schön hab ich's hier!»
So ganz authentisch waren diese Ansichtskarten indes nicht, es fehlte die Farbe. Ein massentaugliches Farbbildverfahren war noch nicht erfunden. Foto-Ansichtskarten wurden Abzug für Abzug per Hand koloriert, oft mittels Schablonen, damit's schneller ging.
Wie kam die Farbe auf die Postkarten?
Da trat der Zürcher Lithograph Hans Jakob Schmid auf den Plan und erfand für seinen Arbeitgeber Orell Füssli das Photochrom-Verfahren. Dabei wurde das Schwarz-Weiss-Negativ auf bis zu 16 lichtempfindlich gemachte Steine projiziert, die danach in verschiedenen Farben gedruckt wurden. Weil die Farbe transparent war, konnte mit 16 Steinplatten eine fast unendliche Zahl an Farbnuancen generiert werden. Für das Verfahren gab's an der Pariser Weltausstellung 1900 eine Goldmedaille.
Die Photochrom-Abzüge zeigten das «warme Leben der Wirklichkeit», schwärmte die NZZ. Doch die Bilder waren mehr, gleichsam wirklicher als wirklich: Das Blau der Flüsse und Seen war blauer, der Himmel dramatischer, die Bäckchen der Damen rosiger, als man es kannte. Das verlieh den Bildern, die nun kostengünstig als Ansichtskarten aus aller Welt erhältlich waren, einen ganz besonderen, poetischen Zauber.
Karten sammeln, statt abschicken
Die Hälfte der Postkarten sahen gar nie eine Post von innen, sondern wurden direkt an Sammler verkauft. Bis zum Ersten Weltkrieg herrschte eine regelrechte Postkartenmanie. Auf dem Höhepunkt 1913 wurden in der Schweiz 112,5 Millionen gedruckter Postkarten umgesetzt.
Der österreichische Schriftsteller Karl Kraus gab zu Bedenken, der «ungeheuerlich ausgearteten Ansichtskartensport» schade der Volksgesundheit. Das Hobby war so weit verbreitet, dass ihm 1898 der bekannte Berliner Operetten-Komponist Paul Lincke einen «Karten-Sammler-Marsch» komponierte. (SDA)