So wirklich wollten die Briten diesen Tunnel nicht. Eine militärische Invasion, illegale Migration, tollwütige Ratten - all das und noch viel mehr fürchteten sie auf ihrer Insel. Vor 25 Jahren eröffnete er trotzdem, der Eurotunnel, eine Verbindung zwischen Grossbritannien und Frankreich.
Durchbruch nach sieben Jahren
Der Eurotunnel ist mit seinen rund 37 Kilometern unter dem Ärmelkanal nicht nur der längste Unterwassertunnel der Welt, sondern auch Grossbritanniens direkte Verbindung zu Europa. Die Insel und das Festland wuchsen weiter zusammen. Gerade in Zeiten des Brexits ist der Eurotunnel ein ganz besonderes Bauwerk, an dem es durchaus zu grossen Spannungen kommen könnte.
Kriege, politische Wirren und endlose Konflikte hatten das Projekt lange unmöglich gemacht. Mehr als sieben Jahre schufteten Tausende Arbeiter, am 1. Dezember 1990 kam es zum Durchstich und beide Seiten waren miteinander verbunden. Noch mal gut drei Jahre später, am 6. Mai 1994, eröffneten Frankreichs Präsident François Mitterrand und Königin Elizabeth II. den Tunnel schliesslich feierlich. Es sollte noch einige Monate dauern, dann konnten auch die Passagiere den Tunnel nutzen.
Knapp zwei Stunden auf die Insel
Der insgesamt etwa 50 Kilometer lange Eurotunnel besteht aus drei Röhren, die bis zu 45 Meter tief unter dem Ärmelkanal verlaufen. Durch die äusseren Röhren verläuft je ein Gleis. Dazwischen befindet sich ein Sicherheitstunnel für Rettungsfahrzeuge. Neben dem Passagierschnellzug Eurostar, der Paris, Brüssel und London verbindet, verkehren durch den Tunnel Shuttlezüge für Busse und Autos sowie Fracht-Shuttles für Lastwagen und herkömmliche Güterzüge.
Heute dauert es mit dem Eurostar nur rund zwei Stunden und fünfzehn Minuten von Paris nach London. Croissant zum Frühstück an der Seine und Fish and Chips zum Mittag an der Themse sind also problemlos machbar. Im Jahr 2018 sind rund 22 Millionen Passagiere durch den Eurotunnel gefahren - entweder im Zug, Auto oder Bus. Rund 430 Millionen Menschen hat der Tunnelbetreiber seit der Eröffnung des Jahrhundertbaus gezählt.
Polizei gegen Flüchtlinge im Tunnel
In den vergangenen Jahren machte der Eurotunnel auch immer wieder Schlagzeilen, weil Flüchtlinge die andere Seite des Ärmelkanals erreichen wollen. Sie machen sich als blinder Passagier auf den Weg nach England - klammern sich unter Lebensgefahr auf den Dächern von Lastwagen fest, verstecken sich in den Anhängern.
Vom ehemaligen Flüchtlingscamp bei Calais, «Dschungel» genannt, starteten Tausende Migranten mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Schliesslich rüsteten die Behörden am Tunnel mit Spürhunden und Zäunen auf.
Den «Dschungel» gibt es zwar heute nicht mehr. Doch das Problem hat sich nicht nennenswert verändert. «Die Flüchtlingssituation ist nach wie vor dramatisch. Es hat sich in den letzten Jahren kaum gebessert», sagt Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV). Das Phänomen bedrohe die Fahrer, die Logistik und die Waren.
Der Schutz der Behörden sei nicht ausreichend, Lastwagenfahrer gerieten immer wieder in illegale Situationen. Denn: Wer Flüchtlinge illegal über die Grenze bringt - ob wissentlich oder unwissentlich - dem drohen hohe Strafen.
Brexit könnte Spannungen verursachen
Auch im Streit um den Brexit steht der Eurotunnel besonders im Fokus. Denn im Falle eines ungeregelten EU-Austritts Grossbritanniens aus der Europäischen Union würde sich die Region um Folkestone und um das benachbarte Dover schnell zum Nadelöhr entwickeln. Nahe Folkstone kommen viele Lastwagen mit Waren an, die huckepack von den Shuttlezügen über den Ärmelkanal gebracht werden. Im etwa zwölf Kilometer entfernten Dover transportieren Fähren viele Fahrzeuge.
Ob Gemüse, Autoteile oder Medikamente: Die unterschiedlichsten Waren werden im Eurotunnel oder mit Schiffen transportiert. Wegen nötiger Zollkontrollen würden Prognosen zufolge bei einem Brexit ohne Abkommen mehr als 10'000 Lastwagen in kurzer Zeit auf britischer Seite in der Grafschaft Kent in Mega-Staus steckenbleiben. Empfindliche Waren könnten unbrauchbar werden. Das erwartete Chaos könnte ein halbes Jahr anhalten. 2018 nutzen fast 1,7 Millionen Lastwagen den Eurotunnel.
Zwar einigte sich ein Sondergipfel der Europäischen Union auf eine gut sechsmonatige Brexit-Verschiebung - mit einem Abkommen. Aber nach wie vor ist das britische Parlament in Sachen EU-Austritt zerstritten. Wie und wann der Brexit erfolgen wird, ist noch offen - und damit das Schicksal der Regionen am Eurotunnel auf beiden Seiten des Ärmelkanals. Sicher dürfte aber sein: Egal wie es kommt, die Verbindung zwischen Europa und Grossbritannien wird bleiben. (SDA)