Es handelt sich um einen Meilenstein auf dem Weg zu sauberer Energie. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in den USA ist ein historischer Durchbruch auf dem Feld der Kernfusion gelungen. Erstmals wurde beim Verschmelzen von Atomkernen mehr Energie gewonnen als verbraucht, wie US-Energieministerin Jennifer Granholm am Dienstag in Washington verkündete. «Einfach ausgedrückt ist dies eine der beeindruckendsten wissenschaftlichen Leistungen des 21. Jahrhunderts».
Die Ergebnisse wurden von einem Forscherteam in der staatlichen National Ignition Facility (NIF) am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien erzielt und bedeuten einen Meilenstein auf dem Weg zur Erschliessung einer neuen Energiequelle. In einigen Jahren könnte mithilfe der Kernfusion womöglich klimaneutral und sicher Strom in riesigen Mengen erzeugt werden. Allerdings dürfte es bis zur massenhaften Produktion wegen weiterhin grosser technischer Hürden noch ein weiter Weg sein.
Schon vor knapp einem Jahr waren Fortschritte bei der Kernfusion an dem Institut verkündet worden. Dabei sei die Zündung des Plasmas erreicht worden, berichtete ein Forschungsteam Anfang des Jahres in der Fachzeitschrift «Nature». Dies führt letztlich dazu, dass die Fusionsreaktion sich selbst erhält. Im Kernfusionsreaktor liegt der Brennstoff in Form von Plasma vor – dieser Aggregatzustand entsteht, wenn man ein Gas extrem erhitzt.
Kernfusion statt Kernkraft
Sowohl Kernkraft als auch Kernfusion gewinnen Energie aus den Bindungskräften von Atomkernen. Bei der Kernkraft werden jedoch grosse Atome gespalten, es entsteht unter anderem radioaktiver Abfall und es drohen schwere Unfälle. Bei der Kernfusion hingegen werden kleine Atomkerne zu grösseren verschmolzen – fusioniert. Die Technologie gilt als sauber und sicher. Diese Form der Energiegewinnung ähnelt physikalischen Vorgängen in Sternen wie etwa der Sonne.
Die Forschenden in Kalifornien nutzten für ihre Experimente die stärkste Laseranlage der Welt, um winzige Mengen von schwerem und überschwerem Wasserstoff (Deuterium und Tritium) in etwa eine Million Grad heisses Plasma zu verwandeln. Dabei erhitzen viele Laserstrahlen das Innere eines wenige Millimeter grossen Behälters.
Kraftwerke sind vermutlich erst in 30 Jahren einsatzbereit
Doch bis mit einer solchen Kernfusion Strom erzeugt werden kann, dauert es noch eine ganze Weile. Yves Martin, stellvertretender Direktor des Swiss Plasma Center an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL), sagt gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone, dass Kernfusionskraftwerke erst in 30 Jahren zu erwarten sind. Das Ergebnis sei dennoch eine grosse Errungenschaft.
«Das Experiment beweist endgültig, dass mit einer Kernfusion Energie produziert werden kann», sagt Martin. Der Energiegewinn beziehe sich aber nur auf das Kernexperiment, sagte Martin weiter. Der gesamte Strombedarf des kalifornischen Versuchsreaktors sei derzeit immer noch fast 200 Mal grösser als die erzeugte Energie. In der Stromproduktion gehe bei verschiedenen Schritten weitere Energie verloren. Zum Beispiel bei den Lasern, für deren Betrieb deutlich mehr Energie aufgewendet wird als schliesslich die Atomkerne erreicht. Ebenso bei den Turbinen, die durch die mit Kernfusion erzeugte Wärme angetrieben werden sollen.
«Wir rechnen damit, einen ersten Prototyp im Jahr 2050 bauen zu können», so der Experte. Der Erfolg in den USA ändere an diesem Zeitplan nichts. (SDA, jwg)