"Bei einem Ring, der so weit aussen ist, würden wir erwarten, dass das Ringmaterial innert weniger Jahrzehnte zu einem kleinen Mond verschmilzt." Dies erklärte Willy Benz, Astrophysikprofessor an der Universität Bern, auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA am Mittwoch. Benz war zusammen mit dem Cheops-Team an der Entdeckung des Rings beteiligt. Die Erkenntnisse wurden am Mittwoch im renommierten Fachblatt "Nature" veröffentlicht.
Die Ringe um Planeten - wie der bekannte Saturn-Ring - bestehen aus Eis- und Felsstücken. Die meisten Planetenringe befinden sich innerhalb eines kritischen Abstands zu ihrem Planeten, der sogenannten Roche-Grenze. Innerhalb dieser verhindert die Schwerkraft ein Verschmelzen der Eis- und Felsstücke.
Viele Spekulationen über Material
Der neu entdeckte Ring um Quaoar hält sich nicht an diese Regel: Er liegt 4100 Kilometer vom Zentrum von Quaoar entfernt, während die Roche Grenze bei 1780 Kilometern liegt. Die bisherige Annahme, dass Ringe nur innerhalb der Roche-Grenze überleben, müsse deshalb gründlich revidiert werden, hiess es in einer Mitteilung der Europäischen Weltraumagentur (ESA).
Theoretiker spekulieren nun darüber, wie das Ringmaterial ein Zusammenklumpen vermeidet. "Eine Erklärung wäre, dass der Ring noch sehr jung ist", sagte Benz. Das sei jedoch sehr unwahrscheinlich. Eine Möglichkeit sei aber, dass das Ringmaterial elastischer ist, als gemeinhin angenommen. "So springen die Teilchen eher auseinander, als dass die zusammenkleben."
Eine weiteres Szenario sei, dass sich die Teilchen in einer sehr hohen Geschwindigkeit bewegen. Auch das würde ein Zusammenkleben verhindern. Um das Rätsel definitiv zu lösen seien aber noch weitere Untersuchungen nötig.
Die Erforschung dieses Zwergplaneten war insbesondere wegen seiner extremen Entfernung schwierig. Quaoar ist ein sogenannten transneptunisches Objekt - es umkreist unsere Sonne jenseits der Umlaufbahn des Planeten Neptun, 44 Mal so weit weg von der Sonne wie die Erde.
Forscher massen Helligkeit
Der Ring um Quaoar ist zu klein und schmal, um direkt entdeckt zu werden - selbst mit grossen Teleskopen. Stattdessen massen die Forscherinnen und Forscher die Helligkeit der Sterne, während Quaoar vor ihnen vorbeizog. Das Ringmaterial um Quaoar verursachte einen vorübergehenden Abfall der Helligkeit der Sterne, indem es einen Teil des Sternenlichts davon abhielt, die Teleskope zu erreichen.
Hier kam das Schweizer Weltraumteleskop Cheops zum Zug - damit wurden die Messungen des Lichts durchgeführt. "Es war das erste Mal überhaupt, dass eine solche Messung vom All aus gemessen wurde", sagte Benz. Das habe grosse Vorteile. Da das Teleskop nicht durch die verzerrenden Effekte der unteren Erdatmosphäre schaut, waren die Signale sehr klar. Diese Klarheit erwies sich als entscheidend für die Erkennung des Ringsystems von Quaoar, da die Forscher so die Möglichkeit ausschliessen konnten, dass die Lichtabfälle durch einen falschen Effekt in der Erdatmosphäre verursacht wurden.
Cheops ist eine gemeinsame Mission der ESA und der Schweiz unter Leitung der Universität Bern in Zusammenarbeit mit der Universität Genf. Anders als bisherige Missionen soll das auf 700 Kilometern Höhe fliegende Weltraumteleskop keine neuen Exoplaneten aufspüren, sondern nimmt bereits bekannte unter die Lupe. Unter anderem möchten die Forschenden herausfinden, ob lebensfreundliche Bedingungen auf einem der Planeten herrschen. Nach dem Ausflug kehrte Cheops wieder zu seiner eigentlichen Mission zurück. (SDA)