«Diese Erkenntnisse ermöglichen es, bekannte Texte zur altägyptischen Balsamierung neu zu lesen», schilderte Philipp Stockhammer von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) der Deutschen Presse-Agentur.
Die Ergebnisse der Forscherinnen und Forscher aus Ägypten, Frankreich, Deutschland, Italien und Grossbritannien wurden am Mittwoch im Fachmagazin «Nature» veröffentlicht. Die Forscher hatten Töpfe aus einer grossen Werkstatt zum Einbalsamieren untersucht. Im ägyptischen Sakkara unweit der berühmten Unaspyramide fanden sich in der Werkstatt aus dem 7. und 6. Jahrhundert vor Christus zahlreiche gut erhaltene Keramikgefässe - viele von ihnen sogar mit Inhaltsangaben und Handlungsanweisungen beschriftet.
Mithilfe chemischer Rückstandsanalysen konnten die Experten die molekularen Reste jener Substanzen herauslösen und identifizieren, die sich ehemals im Gefäss befunden hatten. Für die Forscher oftmals eine Überraschung: «Seit langer Zeit wurde die von den alten Ägyptern als «antiu» bezeichnete Substanz mit Myrrhe oder Weihrauch übersetzt. Doch wir konnten nun zeigen, dass sich dahinter ein bestimmtes Gemisch ganz unterschiedlicher Zutaten verbirgt, die wir mit Hilfe der Gaschromatographie-Massenspektrometrie entschlüsseln konnten», berichtete Projektleiter Maxime Rageot von der Universität Tübingen.
In Sakkara habe es sich bei «antiu» um eine Mischung aus Zedernöl, Wacholder- beziehungsweise Zypressenöl und tierischen Fetten gehandelt. Und hinter «sefet» steckt nicht wie bislang angenommen eine einzelne Substanz, sondern ein Gemisch aus Tierfett mit unterschiedlichen pflanzlichen Ölen oder Harzen. Pistazienharz und Rizinusöl wiederum wurden in der Werkstatt nachweislich ausschliesslich für den Kopf verwendet, andere Substanzen kamen «am dritten Tag» oder «für die Leber» zum Einsatz, wieder andere waren «für eine schöne Haut».
«Besonders überraschend war für uns, dass der grösste Teil der während der Balsamierung verwendeten Substanzen nicht aus Ägypten selbst stammt, sondern zum Teil aus dem Mittelmeerraum und sogar auch aus dem tropischen Afrika und Südostasien importiert wurde», schilderte Stockhammer. Diese Dimension sei bislang unbekannt gewesen. Sie zeige, welcher Antrieb die Mumifizierungen für den frühen globalen Handel gewesen seien - schliesslich seien die Toten damals ab der oberen Mittelschicht im grossen Stil einbalsamiert worden.
In Sakkara war die Werkstatt sichtlich auf grossen Umschlag ausgelegt: Neben einer ebenerdigen Einheit lag die eigentliche, erst 2016 von dem Ägyptologen Ramadan Hussein entdeckte Balsamierungskammer in 13 Metern Tiefe - die Balsamierer nutzten damit die natürliche Kühlung. Gleich nebenan war eine Schachtanlage, in der die Toten dann bestattet wurden. Die Forscher vermuten, dass es mehrere «Qualitäten» der Mumifizierung gab - zu unterschiedlichen Preisen für die Hinterbliebenen.
https://www.nature.com/articles/s41586-022-05663-4
(SDA)