Bald soll es am schönsten Fest des Jahres am Baum wieder glitzern und funkeln. Der Mann, der für diese Pracht sorgt, heisst Robert Niederer. Seine Christbaumkugeln, Kerzenbaumhänger und Dekoartikel zaubern traditionelle Weihnachtsstimmung: Handwerklich hochstehend aus farblosem Glas, bestechen seine Kugeln und Baumkerzenhalter durch ihre Form und Schlichtheit. Der Inhaber der Glasi Hergiswil «durftemusste», wie er sagt und dabei lacht, den Beruf des Glasmachers von seinem Vater Roberto Niederer lernen. Heute ist er froh, schon seit seiner Kindheit zu wissen, was den Geschmack der Deutschschweizer trifft. «Understatement, solide Herstellung, hervorragende Qualität, schöne Form», sagt der Chef des Familienunternehmens.
Er stellt in zweiter Generation Weihnachtsschmuck, Haushaltsgegenstände und Dekoartikel her. Wie sein Vater in Hand- respektive Mundarbeit. Er weiss: «Wenn man die Menschen im Herzen berührt, dann kaufen sie auch.» Die Glasi Hergiswil tut dies auf mannigfaltige Art. Direkt am See gelegen, ist die Produktionsstätte zunächst schlicht ein schöner Ort, an dem Familien dank eigens errichtetem Spielplatz und Glasphänomen-Ausstellung gerne verweilen. Auch ein selbst kuratiertes Museum zur Geschichte des Glases lockt.
Kernstück der Attraktion ist aber die Herstellung der Glasartikel im Glasofen. Archaisch mutet es an, wenn schweigsame Männer konzentriert und mit ruhigen Handgriffen Präzisionsarbeit abliefern. Hinter ihnen glüht es aus den offenen Türen des elefantenartig riesigen Ofens. Arbeiter schöpfen aus mehreren Türen leuchtendes Glas. Schön ist das anzusehen, als verfüge die sonnige Masse über magische Kraft. Mit fast meditativen Bewegungen giesst ein Arbeiter die Flüssigkeit auf Platten oder in Formen, während ein anderer sie glättet, mit eigens hergestellten Stahlformen prägt oder in Form bläst.
Im grossen Ofen liegen stets 16 Tonnen 1500 Grad heisses, flüssiges Glas, kontinuierlich gibt eine Maschine ein Quarzsand-Mineralien-Gemisch bei, rund um die Uhr, pro Tag 1,2 Tonnen. Abstellen lässt sich solch ein Ofen aus hitzebeständigem Spezialstein nicht. Sechs bis acht Jahre hält er, dann sind die Steine ausgebrannt, und Niederer muss den Ofen abbauen und neu errichten lassen. Auch sonst sind seine Zahlen schwindelerregend: 400'000 Franken für Strom, 400'000 Franken für Gas zahlt er jährlich, um sein rund 800-teiliges Sortiment herzustellen.
Vor allem Portugiesen verrichten die Arbeit
Für Besucher ist es entspannend zuzusehen, wie bei den Zweier- und Dreierteams jeder Handgriff sitzt, jede Bewegung präzise wie bei einem Tanz in Zeitlupe gesetzt ist und so Krüge, Platten und Vasen entstehen.
«Für die Männer ist es aber Schwerstarbeit», sagt Niederer, «zu schwer für Schweizer: Die letzten paar von mir ausgebildeten Schweizer haben den Beruf gewechselt. Es war ihnen zu streng.» Niederer beschäftigt hauptsächlich Portugiesen als Glasarbeiter – in der Glasi sind aber auch Schreiner, Metallbauer, Mechaniker, Schlosser, Elektriker und Elektroniker angestellt, wie ein Gang durch Werkstätten und Lager zeigt.
Der Schellen-Ursli persönlich lässt grüssen
Im Lager liegt ein veritables Stück Schweizer Geschichte: Gussformen für Glasteller, vom Schellen-Ursli höchstpersönlich gestaltet – respektive von Steivan Liun Könz, Engadiner Kunstmaler und Sohn der «Schellen-Ursli»-Autorin Selina Chönz. Mit ihm war Niederer senior befreundet. Es ist ihm zu verdanken, dass es die Glasi heute noch gibt. Der Glaskünstler ist in den 1950er- und 1960er-Jahren zunächst nur Kunde der Hergiswiler Glashütte, die dieses Jahr das 200-Jahr-Jubiläum feiert. Damals gehörte die Glasi noch der Familie Siegwart – wie schon im Jahr 1817, als sich die deutschen Einwanderer in der Schweiz niederliessen. Niederer senior lässt in Hergiswil seine Deko- und Gebrauchsgegenstände herstellen, die im Globus, Jelmoli und dem Schweizerischen Heimatwerk ab 1953 Absatz finden. Sein Fachwissen und auch seine Produkte überzeugen die dort angestellten Arbeiter; und als das Geschäft wegen einer zu späten Umstellung auf die Industrialisierung in Schieflage gerät, versichern ihm die Arbeiter: Wenn du Arbeit hast – wir verrichten sie!
Es wird ein Kraftakt. Im wahrsten Sinne des Wortes ist die Glasi ein Unternehmen mit Herzblut: Obwohl die Gemeinde hilft und das Land kauft, erlebt Niederer senior 13 harte Jahre und hat fünf Herzinfarkte, bevor sein Unternehmen Profit abzuwerfen beginnt. Sein Erfolgsrezept, neben Zähheit: Er schmeisst die Industrialisierungs-Maschinen raus, setzt auf eigenes Design, solides Handwerk und gibt den Arbeitern so ihren Stolz zurück. Niederer junior, von klein auf mit der Produktion vertraut, verfolgt die gleiche Philosophie.
Am ersten Sonntag im Dezember wird die erste Adventskerze angezündet. Doch was bedeutet der Advent und woher kommen unsere Adventsbräuche eigentlich?
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Und was ist jetzt mit dem Weihnachtsschmuck? Solch runde Freiformen entstehen an einem kleineren Ofen. Hier dürfen sogar Zuschauer und Kinder unter Assistenz eines erfahrenen Glasbläsers ihre eigenen Kugeln blasen – ein ideales Weihnachtsgeschenk fürs Gotti. Niederer weiss eben, wie man die Menschen im Herzen anspricht.
Welcher Christbaum soll es denn nun sein? Ob für Preisbewusste, Ästheten, Umweltfreundliche oder Schmerzfreie – es ist für alle was dabei.
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Kommentar von Christine Binder:
Die Stille Nacht ist nur noch ein Traum. Weihnachten ist heute ein Social Event, das Wichtigste ist der Luxus, Saus und Braus – wie im Fünf-Sterne-Hotel. Bei Licht betrachtet ist das natürlich absurd. In der Weihnachtsgeschichte geht es ja gerade um ein ärmliches Paar, das seinen Sohn in eine Krippe bettet. Warum also trinken die Massen unter dem Christbaum Champagner? Weil Luxus einfach Spass macht? Wir verbinden Weihnachten nun einmal mit Geschenken, mit leuchtenden Kinderaugen, mit einer saftigen Gans. Es ist seit Entstehen des Bürgertums ein Konsumfest. Würden die Leute nur Engel und Krippenfiguren kaufen, wären alle Warenhäuser voll damit. Man mag den Tanz um das Goldene Kalb geisseln, doch wir haben ja die Wahl. Wir können Weihnachten schlicht feiern, mit Holzengeln, Wurst und Kartoffelsalat und der Weihnachtsgeschichte – das steht jedem frei. Aber erzwingen lassen sich religiöse Gefühle nicht.
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Die Stille Nacht ist nur noch ein Traum. Weihnachten ist heute ein Social Event, das Wichtigste ist der Luxus, Saus und Braus – wie im Fünf-Sterne-Hotel. Bei Licht betrachtet ist das natürlich absurd. In der Weihnachtsgeschichte geht es ja gerade um ein ärmliches Paar, das seinen Sohn in eine Krippe bettet. Warum also trinken die Massen unter dem Christbaum Champagner? Weil Luxus einfach Spass macht? Wir verbinden Weihnachten nun einmal mit Geschenken, mit leuchtenden Kinderaugen, mit einer saftigen Gans. Es ist seit Entstehen des Bürgertums ein Konsumfest. Würden die Leute nur Engel und Krippenfiguren kaufen, wären alle Warenhäuser voll damit. Man mag den Tanz um das Goldene Kalb geisseln, doch wir haben ja die Wahl. Wir können Weihnachten schlicht feiern, mit Holzengeln, Wurst und Kartoffelsalat und der Weihnachtsgeschichte – das steht jedem frei. Aber erzwingen lassen sich religiöse Gefühle nicht.