Leugnen kann man es schlecht: Weihnachten ist längst nicht mehr nur das Fest der Geburt Christis, der Liebe, der Besinnlichkeit.
Ein Einkaufs-Event reiht sich nach dem anderen und macht deutlich, Weihnachten ist vor allem eines: Fest des Konsums und der klingelnden Kassen. Wie sehr Sonntagsverkäufe mit Nächstenliebe zu den Verkäufern und Kassierern vereinbar ist, bleibt fraglich.
Religiöse Rituale verlieren an Bedeutung
Auch wenn Weihnachten der Tag ist, an dem viele Leute noch in die Kirche gehen – dass sich unsere Gesellschaft «weitgehend säkularisiert hat» stimmt, meint Mischa Gallati (48), Dozent für populäre Kulturen an der Universität Zürich. Nicht Krippenspiel und Hallelujah, sondern üppiges Essen und teure Geschenke stehen im Fokus des Weihnachtsfests.
«In einer zunehmend säkularen oder gar atheistischen Gesellschaft werden die religiösen Rituale durch das Zelebrieren des Konsums ersetzt», erklärt die Professorin Dorothea Schaffner (44) das Phänomen aus der Perspektive der Wirtschaftspsychologie. «In der Konsumgesellschaft dienen Produkte und Besitz als eine Erweiterung des Selbst und werden damit Teil der eigenen Identität.»
Ein Fest mit mehreren Facetten
Verteufeln muss man das Kaufen und Schenken trotzdem nicht: «Weihnachten ist schon immer auch ein säkulares Fest gewesen», so Gallati.
Das Weihnachtsfest bündelt nämlich «verschiedene Kerne» in sich, wie der Dozent es formuliert. Man zelebriert Freundschaft und Familie, kommt an den Festtagen zusammen und pflegt so wichtige Beziehungen. Das Schenken fungiert schliesslich auch als eine Stärkung und Bestätigung der sozialen Netze. «Schenken beruht auf einem gegenseitigen Nehmen und Geben» – und ist deshalb so wichtig für die Bindungen zum Umfeld.
Abgesehen davon bringt Weihnachten Licht in die dunkle Jahreszeit und spendet etwas Wärme.
«Dies alles wird überlagert von der Weihnachtsgeschichte, die sich auch um diese Dinge dreht.» Weihnachten sei deshalb eigentlich ein «ideales Fest», findet Gallati – auch wenn es uns dazu bringt, üppig zu feiern und zu konsumieren.
Dass Verkäufer dieses System nutzen und es auch noch befeuern, ist laut dem Kulturwissenschaftler lediglich Ausdruck davon, dass wir in einer ökonomischen Gesellschaft leben. «Warum sollte sich also die Konsumgesellschaft ausgerechnet an Weihnachten nicht zeigen?» Gesellschaft und Weihnachten sind kongruent.
Mit Achtsamkeit gegen den Überfluss
Statt aber sinnlose Gegenstände zu schenken, rät die Wirtschaftspsychologin zu Achtsamkeit. Sich ausserhalb des Kaufrummels hinzusetzen und sich eine Einkaufsliste zusammenzustellen braucht zwar «die Fähigkeit zur Selbstregulation», führt aber zu Entscheidungen, die langfristig glücklicher machen. Als Alternative schlägt Schaffner das Schenken von Erlebnissen vor. «Die stehen nicht herum und man kann das Ritual des Schenkens trotzdem ausleben.»
Kulturwissenschaftler Gallati sieht es ähnlich: «Man kann nicht alles monetär ausdrücken. Es ist nicht so, dass je grösser das Geschenk, desto besser die Beziehung ist.»
Der magische Moment der Überraschung kann nicht durch Grössenwahn ersetzt werden – auch wenn die Konsumgesellschaft anderes suggeriert. «Den Überfluss haben wir bereits. Diesen mit noch mehr Überfluss toppen zu wollen, ist sinnlos», so der Kulturwissenschaftler.
Vielmehr hat Schenken etwas mit Empathie zu tun. Für ein passendes Geschenk muss man sich mit dem Menschen beschäftigen, sich fragen: Woran hätte diese Person Freude?
«In dieser Botschaft, «ich denke an dich», darin liegt die Essenz des Geschenks – und nicht im Geldwert.»
Das richtige Geschenk zu finden, ist keine leichte Aufgabe. Die uralte Tradition sollten wir trotzdem aufrechterhalten, finden Experten. Und sie verraten auch, warum das teuerste Geschenk nicht immer das beste ist.
Das richtige Geschenk zu finden, ist keine leichte Aufgabe. Die uralte Tradition sollten wir trotzdem aufrechterhalten, finden Experten. Und sie verraten auch, warum das teuerste Geschenk nicht immer das beste ist.