Undurchsichtige Inhalte, extreme Rabatte
Ami-Firma lockt Schweizer mit Gratis-Seminaren

Die Firma Industry Rockstar bietet in Schweizer Städten gratis Business-Seminare an. Mit geschickter Rhetorik verkauft sie dort ihre kostenpflichtigen Anschluss-Seminare. Eines davon fand am letzten Wochenende in Zürich statt.
Publiziert: 08.11.2019 um 21:13 Uhr
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597 statt 9000 Dollar: Industry Rockstar lockt ihre Kunden mit extremen Rabatten.
Foto: zVg
Anne Grimshaw

«Wer will in den nächsten drei Jahren fünf Millionen Dollar verdienen?», fragt Speaker Vincent Dowd (50) in die Runde und etwa hundert Hände schiessen in die Luft. Wir befinden uns in einem Gratisseminar der Firma Industry Rockstar im Zürcher Marriott-Hotel. Die Teilnehmer sind begeistert. Sie hoffen auf beruflichen Erfolg. Nach zwei Stunden Zuhören melden sich viele von ihnen am Ende freiwillig für das nächste – kostenpflichtige – Seminar an.

Der gutaussehende Dowd ist ein blendender Rhetoriker, immer super drauf und lässt gerne einfliessen, wie erfolgreich er ist. Sara Stalder (51) von der Stiftung für Konsumentenschutz kennt die Masche: «Redner an solchen Events sind oft attraktive, extrovertierte Menschen, die angeben, erfolgreich in den Bereichen Marketing oder Kommunikation zu sein.» Dass Dowd die Zuhörer in seinen Bann zieht, ist also kein Zufall.

Doch manchmal blitzt eine andere Seite von ihm hervor: Als er vom Krebsleiden seiner Mutter erzählt, bezeichnet er Ärzte als geldgierig und Chemotherapien als reine Geldmacherei. Seiner Mutter, die an Lungenkrebs starb, wirft er vor, sie hätte sich mit der richtigen Einstellung selbst heilen können. Kane Minkus (41), Inhaber von Industry Rockstar, unterstützt die Aussage des Speakers auf Anfrage von BLICK. Dowd habe ja keine medizinischen Ratschläge gegeben, sondern nur aus eigener Erfahrung gesprochen.

Das Geschäft mit der Hoffnung

Die amerikanische Firma Industry Rockstar veranstaltet weltweit solche kostenlose Events. Enthusiastische Redner wie Dowd verkaufen den Teilnehmern dort Seminare – und die Aussicht auf finanziellen Erfolg. Diesen soll haben, wer das nächste Angebot der Firma bucht. Und danach wieder eins. Am Schluss winkt eine Partnerschaft mit Industry Rockstar: Im Austausch für Ratschläge der Firma muss man zehn Prozent seines Einkommens abgeben. Minkus sagt zu BLICK, seine Firma verdiene einzig und allein an diesen Partnerschaften etwas. Am Verkauf der kostenpflichtigen Seminare würden sie keinen Rappen verdienen. Im Gegenteil, sie würden damit sogar Verluste schreiben.

Extreme Rabatte locken

Im Gratisseminar in Zürich geht es nun zur Sache: Dowd will dem Publikum ein kostenpflichtiges Seminar verkaufen. Er greift in die Trickkiste: Gerade mal 588 statt 8875 Franken koste es, wenn man sich gleich draussen vor der Tür einschreibe. Ein Schnäppchen! Die Leute stürmen reihenweise aus dem Saal.

Was nicht gesagt wird: Für den «Originalpreis» von umgerechnet 8875 Franken wird das Seminar nirgends verkauft. Nach Möglichkeiten, sich in Ruhe online einzuschreiben, sucht man vergebens. Minkus hat auch dafür eine Erklärung parat: Der Preis von 8875 Franken sei ein Richtpreis, zu dem das Seminar das letzte Mal vor drei Jahren verkauft worden sei. Seither verkaufe man die Seminare nur noch für 588 Franken.

Warum aber wird der Preis von 588 Franken dann als Spezial-Angebot und nicht als Standardpreis dargestellt? Minkus erinnert sich plötzlich: Der höhere Preis gelte schon noch. Einfach nicht in der Schweiz, sondern in Dubai. Und sich online einzuschreiben, sei nicht möglich, weil das Seminar bereits ausgebucht sei. Es hätte zufällig gerade noch Platz für alle Teilnehmer des Gratisseminars in Zürich gegeben, danach sei der Link zum Online-Einschreiben gelöscht worden.

Hier ist Vorsicht geboten

Firmen wie Industry Rockstar wissen, was sie tun. «Sie bewegen sich in einer gesetzlichen Grauzone. Rechtlich gegen solche Firmen vorzugehen, ist schwierig. Bezahltes Geld zurückzuerhalten, praktisch unmöglich», weiss Stalder. Wenn eine Firma die folgenden Merkmale aufweist, sollte man sich laut dem Konsumentenschutz besonders gut überlegen, worauf man sich einlässt:

  • Produkte werden mit extremen Rabatten beworben. Oftmals werden sie aber nie zum «Normalpreis» verkauft.
  • Der Kunde soll sofort an Ort und Stelle einen Kauf tätigen. Die momentane Euphorie des Kunden wird ausgenutzt und verhindert, dass er sich eine Zweitmeinung einholen kann.
  • Die Firma wirbt aufdringlich und hartnäckig für ihr Produkt.
  • Der Ort, an dem die Events stattfinden, wird erst kurzfristig bekanntgegeben.

Es gibt viele seriöse Weiterbildungsangebote. Diese drängen aber nie zu einem Vertragsabschluss und sind transparent, was die Kosten ihrer Angebote angeht.

Gutes Gefühl, leichteres Portemonnaie

Am Ende von Dowds Rede haben die meisten Teilnehmer einen Platz im nächsten, kostenpflichtigen Seminar von Industry Rockstar gebucht. Ein junger Autoverkäufer erzählt BLICK, er werde auf ein neues Handy verzichten, damit er sich das Seminar leisten kann. Ein weiterer Teilnehmer, ein Ingenieur, freut sich, seine bisherige Karriere hinter sich zu lassen und mit dem eigenen Geschäft durchzustarten. Ob ihm dies dank der Seminare von Industry Rockstar gelingen wird, bleibt offen.

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