Noch bevor E.L James die ganze Welt mit ihren SM-Romanen über Christian Grey und Anastasia Steele sexualisiert hat, war mir klar, dass Bondage nicht nur eine Sexpraktik ist, sondern auch eine ausgesprochen alte asiatische Kunstform des Fesselns. Mich beruhigt daher die Tatsache, dass ich nicht plötzlich Opfer von irgendwelchen Hardcore-Techniken werde, wenn ich mich probehalber fesseln lasse. Obwohl mir dennoch der Gedanke an die bevorstehende Bewegungsunfähigkeit doch etwas Angst bereitet.
Sextoys, Kerzen, Peitschen, Masken und jede Menge Massageöle und Gleitcrèmes stechen mir ins Auge, als ich in den Erotikshop von Alexandra Haas (43) in Zürich eintrete. Der Laden ist klein und einladend. Darin erwartet mich bereits der Bondage-Meister Mino. Er ist in der Szene eine Bekanntheit und eine sehr symphatische Person. Er erklärt mir, worauf man achten muss, wenn man eine Person fesseln möchte und veranschaulicht eine Verknotungsart - das Takate Kote - an mir.
So heftig das von aussen auch aussieht, gefesselt zu sein ist ausgesprochen interessant. Da ich die Arme am Rücken zusammen gebunden habe, bin ich gezwungen, mich zu entspannen, damit sich meine Gelenke und Muskeln nicht verkrampfen und nicht anfangen zu schmerzen.
Während ich spüre, wie Mino an meinen Fesseln herumzieht, und vollen Körpereinsatz leistet - ein Wunder, dass er dazu nicht auch seine Zehen gebraucht - übe ich mich in Geduld. Als die Augenbinde zum Zuge kommt, überkommt mich ein leichter Anflug von Unsicherheit. Sich nicht bewegen zu können, ist eine Sache. Aber dann auch noch nichts sehen können?
Ich bin überrascht, als ich merke, dass meine Sinne sich schärfen und ich anfange, alles intensiver wahrzunehmen. Ob das der eigentliche Sinn von Bondage beim Sex ist? Wer weiss. Spannend ist die Erfahrung trotzdem, aber mit meinem Schicksal wohl eher weniger verbunden. Mit «Ropemarks» - so nennt man die Abdrücke der Seile auf der Haut - laufe ich dennoch stolz aus dem Kurs.