Viel Hoffnung gab es für Munin nicht, sein ganzer Körper war mit infizierten Bisswunden übersäht. «Sie waren voller Maden und teils so tief, dass nur noch Knochen da waren. Durch sein Bein konnte man regelrecht hindurch schauen», so Susy Utzinger (52). Ein Anblick, der auch für die Tierschützerin ungewohnt hart ist: «So etwas habe ich noch nie gesehen, es ist ein Wunder, dass er noch lebte und überlebt hat.»
Utzinger vermutet, dass der Hund ausgesetzt wurde und in dem fremden Revier von einem Rudel Hunde so massiv verbissen wurde. «Jemand hat ihn am Strassenrand aufgelesen und ins Tierspital in Galati gebracht», so Utzinger. «Mittlerweile ist in Rumänien bekannt, dass wir alle Hunden, Katzen, aber auch Esel oder Kleintiere unentgeltlich behandeln.» Seit der Eröffnung im Mai 2015 durch die Susy Utzinger Stiftung für Tierschutz (Sust) sind es 10'000 Fälle.
Dem Tode nah
Ein Jahr ist vergangen, seit Munin dem Tode nahe auf den OP-Tisch im Tierwaisenhospital Galati gekommen ist. Jetzt hat er bei Utzinger ein neues Daheim gefunden, damit ist es ihr vierter Hund: «Sein Schicksal hat mich nicht mehr losgelassen. Ich habe genug Platz und er passt gut in meine Hundefamilie.» Seinen Charakter zeigte er bereits bei der langwierigen Behandlung, geduldig liess Munin alles über sich ergehen und es sei offensichtlich, dass er menschliche Nähe braucht.
Utzinger ist sich sicher, dass Munin kein Strassenhund war, sondern mal ein Zuhause hatte. Dafür spricht auch das Brandmal auf seiner Nase: «Eine grausame Methode, von der viele Rumänen glauben, damit Krankheiten von ihrem Hund fernhalten zu können.» Als er nach seiner Genesung in den Zwinger zu anderen Hunden kam, war das besonders hart für ihn. «Er lechzte nach jedem Menschen, der vorbeigekommen ist, das war wirklich herzzerreissend.» Utzinger vermittelt mit ihrer Stiftung keine Hunde in die Schweiz, sondern hilft vor Ort mit Kastrationen, Aufklärung und Tierspitälern. Natürlich können die Hunde auch adoptiert werden, am besten in der Umgebung. «Ausser, wenn Interessierte persönlich nach Rumänien kommen und die Hunde kennenlernen können, so wie bei unseren Patenreisen.»
Eine Herausforderung und ein Traum
Ein Leben mit vier Hunden? Natürlich sei das eine Herausforderung, für Utzinger ist es aber viel mehr ein gelebter Traum: «Ich wollte schon immer viele Hunde, sie sind mein Leben. Eigentlich dachte ich immer, das mache ich, wenn ich mal älter und pensioniert bin und mehr Zeit habe. Aber wer weiss schon, was die Zukunft bringt und wie lange man gesund bleibt?» Vor zwei Jahren hat Utzinger ihren Mann an Krebs verloren. Seither hat sich das Leben der Tierschützerin verändert.
Sie arbeitet mehr im Homeoffice und hat sich ein zweites Daheim in Ungarn aufgebaut. «Dort bin ich näher an meinen Tierschutzprojekten und die vier Hunde haben hier genügend Auslauf. Und vielleicht werde es ja sogar noch mehr, wer weiss.»
Angekommen in der Hundefamilie
Erstmal lernt aber Munin seine neue Hundefamilie kennen. Gestern ist er in seinem neuen Zuhause angekommen. Autofahrt und Leine waren zunächst gewöhnungsbedürftig, jetzt rennt Munin bereits mit den anderen Hunden durch den Garten und benimmt sich so, als ob er schon immer hier gewesen wäre. «Zwischendurch kommt er mit dem breitesten Hundegrinsen zu mir gerast, um zu schauen, ob ich noch hier bin.» Utzinger hofft, dass er sich mit ihrer ältesten Hundedame Noroc (9) anfreundet: «Sie hing sehr an meinem verstorbenen Mann Lars und vermisst ihn auch sehr.»