«Sehr edel», sagt Steff la Cheffe, als sie am Lounge-Tisch im Salon d’Or Platz nimmt. Der goldene Salon gehört zum Konzerthaus Casino Bern, das nach einer zweijährigen Sanierungspause seit Ende 2019 wieder geöffnet ist, inklusive neuen Gastrokonzepts.
Stefanie Peter, wie die Bernerin gebürtig heisst, trägt ein Jeans-Outfit. In ihren zu einem Dutt zusammengebundenen Haaren stecken zwei Krähenfedern. «Selbst gefunden», sagt sie. Wenn ihre Hand nach der Tasse Jasmintee greift, die vor ihr steht, klimpert ein Kettchen. Es verbindet Handgelenk und Ringfinger. Sie habe es aus der Coffee Bay in Südafrika, wo sie vor fast einem Jahrzehnt mit Dodo, ihrem damaligen Produzenten, unterwegs war.
Seither hat sie sich von der Vorzeige-Rapperin der Schweiz zu einer der bekanntesten Mundart-Popmusikerinnen des Landes entwickelt. Gerade hat sie ihr viertes Album «PS:» veröffentlicht.
SonntagsBlick: Steff la Cheffe, vor zehn Jahren erschien Ihr erstes Album. Welchen Ratschlag würde die heute 33-jährige der damals 23-jährigen Stefanie Peter rückblickend geben?
Steff la Cheffe: Vielleicht würde ich sie vor dem Leiden bewahren wollen, das auf sie zukommen wird. Aber in die Vergangenheit zu reisen, um etwas zu verändern, kommt selten gut. Das weiss ich aus Science-Fiction-Filmen.
Also doch keine Warnung vor dem, was kommen wird?
Nein, denn es tat mir schlussendlich gut, dass nicht immer alles glatt lief. Ich ändere immer erst etwas an meiner Situation, wenn der Leidensdruck zu gross wird. Menschen, die etwas ändern, ohne dass sie Chnörz haben, sind Streber.
Um welche Chnörz gehts bei Ihnen?
Ich hatte zum Beispiel lange das Gefühl, dass ich unbedingt gut von der Musik muss leben können. Weil mir das zu stressig wurde, habe ich eineinhalb Jahre Pause gemacht und in einem Käseladen gearbeitet. Es hat mir unglaublich gutgetan.
Haben Sie jetzt noch immer einen Job neben dem der Sängerin?
Nein, aber ich habe meine Lebenshaltungskosten gesenkt, bin aus meiner urbanen Single-Wohnung und mit einer Freundin und ihrem Kind aufs Land gezogen. Seit ich wieder in einer WG wohne, komme ich über die Runden, ohne dass ich verkrampft dem Geld hinterherrennen muss.
Ihr neues Album heisst «PS:». Wie Ihr letztes dreht es sich um die Liebe. Nur der Herzschmerz ist nicht mehr so präsent. Sind Sie frisch verliebt?
Ja, das bin ich. Mehr sage ich nicht.
In Ihren neuen Songs sind Sie nicht so zurückhaltend. Dort besingen Sie einen «Giu» folgendermassen: «Sit i dir vor Jahre denne zerscht Mau bi begägnet. Hesch du dir e Bahn i mini Härzregion gäbnet.»
Der Song bezieht sich zwar auf die Vergangenheit, doch er passt auch gut zu dem neuen Menschen. Das Leben ist wie eine Uhr, deren Zeiger immer wieder auf dieselben Zahlen zeigt. Die Momente, die der Zeiger anzeigt, wiederholen sich aber nie.
Oder anders ausgedrückt: Sie hatten noch Material vom letzten Album übrig, das Sie unbedingt veröffentlichen wollten.
So könnte man es auch sagen. Es sind aber auch neue Songs entstanden.
Woher nehmen Sie die Ideen für Ihre Songs?
In meinem Kopf läuft ein Programm, das rund um die Uhr Bilder und Wörter abspeichert, die sich zu einer Song-Idee verdichten. Das können Gesprächsfetzen sein, die ich im Tram aufschnappe, Teile von inneren Dialogen oder Dinge, die mir ins Auge stechen.
Stefanie Peter, heute bekannt als Steff la Cheffe, wuchs als Tochter einer alleinerziehenden Mutter im Berner Breitenrain-Quartier auf. Einer ihrer zwei Brüder litt an Autismus, die Familie war auf Sozialhilfe angewiesen. Peter absolvierte das Gymnasium, schrieb schon früh eigene Liedtexte und machte sich mit Beatboxing einen Namen – eine Technik, bei der sie mit dem Mund Rhythmen erzeugt. Mit 22 Jahren stand die heute 33-Jährige mit Harfenspieler Andreas Vollenweider während dessen damaliger Welttournee auf der Bühne. Kurz darauf landete ihr Debütalbum «Bittersüessi Pille» in den Top Ten der Schweizer Charts.
Stefanie Peter, heute bekannt als Steff la Cheffe, wuchs als Tochter einer alleinerziehenden Mutter im Berner Breitenrain-Quartier auf. Einer ihrer zwei Brüder litt an Autismus, die Familie war auf Sozialhilfe angewiesen. Peter absolvierte das Gymnasium, schrieb schon früh eigene Liedtexte und machte sich mit Beatboxing einen Namen – eine Technik, bei der sie mit dem Mund Rhythmen erzeugt. Mit 22 Jahren stand die heute 33-Jährige mit Harfenspieler Andreas Vollenweider während dessen damaliger Welttournee auf der Bühne. Kurz darauf landete ihr Debütalbum «Bittersüessi Pille» in den Top Ten der Schweizer Charts.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Bei einem meiner Produzenten hängt eine Postkarte am Kühlschrank mit einer Zeichnung eines herzigen «Bybyyli» (berndeutsch für «Küken»). Darüber steht: «Kann Karate!». Dieses Vögelchen hat mich zu dem neuen Song «Karate» inspiriert. Wer es ansieht, denkt: Jö, so herzig. Wer es reizt, muss allerdings aufpassen. Damit kann ich mich identifizieren.
Zum Glück sitzen wir zwei Meter voneinander entfernt!
Keine Sorge, ich bin harmoniebedürftig. Zu Teeniezeiten war ich mehr auf Konfrontationskurs – doch das ist schon länger her.
Und trotzdem posieren Sie auf aktuellen Fotos mit einem Samurai-Schwert.
Das Schwert ist ein Symbol für Selbstverteidigung und Aufbruch. Wenn ich es aus der Scheide ziehe, «ent-scheide» ich mich für etwas. Auf dem Cover meines letzten Albums posiere ich mit Gladiolen. Ihr Name kommt von «gladius», lateinisch für «Schwert». Das habe ich allerdings erst kürzlich per Zufall erfahren.
Bei einem Auftritt am Rap-Battle «Cypher» auf SRF Virus haben Sie das Schwert vergangenes Jahr metaphorisch gebraucht und gedroht, es aus der Scheide zu ziehen und gegen «Schwänze», sprich Männer, mit überholtem Frauenbild, einzusetzen. Wie viel Mut hat das gebraucht als eine der wenigen Frauen vor Ort?
Sich ins Rampenlicht zu stellen, ist immer eine Mutprobe. Was ich am Cypher gesagt habe, war eine selbstironische Reaktion auf all die Sachen, die ich mir schon anhören musste. Auch das ist eine Art, sich zu verteidigen. Wenn ich mich selbst auf die Schippe nehme, bleibt nichts mehr übrig, worüber sich andere lustig machen können.
Wie kam Ihre Teilnahme an der Show «Sing meinen Song – Das Tauschkonzert», die Anfang Jahr auf TV24 zu sehen war, eigentlich in Ihrem Umfeld an? Sie sangen dort Songs von Musikern wie dem Schlager-Darling Francine Jordi. Für jemand, der politisch in der Berner Reitschule sozialisiert wurde, eher unerwartet.
Grundsätzlich war das Feedback enorm positiv. Aber ich habe schon mitgekriegt, dass vereinzelt hinter meinem Rücken gelästert wurde. Typen schrieben auf Facebook in altbewährter Mansplaining-Manier Dinge wie: «Meitschi, mach dich doch nicht kaputt mit solchen Kommerz-Auftritten. Da stehst du doch drüber!»
Was hat das bei Ihnen ausgelöst?
Es ist völlig an mir abgeperlt, denn ich stehe nicht über dieser Art von Show, sondern voll dahinter. Ich bin vor zehn Jahren mit Andreas Vollenweider um die Welt getourt und habe damals gecheckt, dass der Nenner, der die verschiedenen Musikgenres verbindet, hundertmal grösser ist als der Zähler, der sie unterscheidet. Warum sollte ich also keinen Schlagersong neu vertonen?
Sie haben in der Show gezeigt, was für eine tolle Soul-Sängerin Sie sind. Aber mal ehrlich: Haben Sie nicht vor allem aus finanziellen Gründen mitgemacht?
Nein. Die Show war gute Werbung für mich als Künstlerin und hat wahnsinnig Spass gemacht. Auch wenn es anstrengend war.
Inwiefern?
Während der Dreharbeiten habe ich nur vier Stunden pro Nacht geschlafen, zweimal pro Abend stand ich auf der Bühne. Dazwischen Interviews, Soundchecks, Make-up, immer gut aussehen, immer liefern. Wenn du Stress hast und wenig pennst, schlägt sich das sofort auf die Stimme nieder. Verglichen mit dem Leben, das ich normalerweise führe, war das ein Bootcamp.
Wie aussergewöhnlich war die Zeit im Lockdown für Sie als Musikerin?
Es wäre übertrieben zu behaupten, dass die Situation meinen Alltag völlig auf den Kopf gestellt hat. Ich lebe in einer Parallelwelt, habe keinen geregelten Tagesablauf und in Zeiten, in denen ich nicht auftrete, weniger Kontakt zu anderen Menschen als jemand, der täglich ins Büro geht. Ich bin es also gewohnt, über mehrere Wochen mehr oder weniger isoliert zu leben.
Was haben Sie in der Zeit gemacht?
Ich habe mein neues Zimmer eingerichtet und meinen ganzen Tatendrang in den Schrebergarten gesteckt, den ich seit letztem Jahr habe. Die Erde dort war nicht gut. Ich habe sackweise neue bestellt und sie eingearbeitet.
Diesen Lifestyle hätte ich auch gerne, werden sich manche Leser dieses Interviews jetzt vielleicht denken. Was möchten Sie ihnen erwidern?
Mir entspricht diese Art zu leben. Ich glaube aber, dass nur wenige auf die Dauer mit mir tauschen wollen.
Warum nicht?
Ich lebe als Musikerin mit einer grossen Ungewissheit, bin abhängig von der Gunst des Publikums, der Medien. Wenn du ein Erfolgsalbum am Start hast, gehen dir alle Türen auf, du wirst bejubelt und bist überall gern gesehen. Es kann sein, dass du ein Jahr später etwas herausbringst, in das du genauso viel Liebe gesteckt hast wie in alles zuvor. Doch es interessiert keine Sau mehr, weil sich der Zeitgeist geändert hat. Auf dem Podest, auf dem du gerade noch standest, steht jetzt jemand anderer.
«PS:» ist das vierte Album von Steff la Cheffe. Dass die Rapperin und Sängerin erstmals eine Vinyl-Version eines ihrer Werke herausbringt, passt: Die elf neuen Songs klingen warm und soulig – an einigen Stellen hört man das Knacken und Knistern der Nadel eines Plattenspielers, das als Soundeffekt beigemischt wurde. Die Beats sind funky, rockig, karibisch, die Textinhalte mal introvertiert, mal angriffslustig. Anspieltipps: «Holunder» (Sommerhit 2020?), «Härzregion» (Prince lässt grüssen), «Eifach» («Chasch mi gärn ha» ist das neue «Ha ke Ahnig»).
«PS:» ist das vierte Album von Steff la Cheffe. Dass die Rapperin und Sängerin erstmals eine Vinyl-Version eines ihrer Werke herausbringt, passt: Die elf neuen Songs klingen warm und soulig – an einigen Stellen hört man das Knacken und Knistern der Nadel eines Plattenspielers, das als Soundeffekt beigemischt wurde. Die Beats sind funky, rockig, karibisch, die Textinhalte mal introvertiert, mal angriffslustig. Anspieltipps: «Holunder» (Sommerhit 2020?), «Härzregion» (Prince lässt grüssen), «Eifach» («Chasch mi gärn ha» ist das neue «Ha ke Ahnig»).