«Die Schweizer mögen es, wenn man sich benimmt»
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Schmidt zu seinem Auftritt:«Die Schweizer mögen es, wenn man sich benimmt»

Spitze Zunge, scharfer Verstand: Harald Schmidt (64)
«Aus Virologen sind nahtlos Militärexperten geworden»

Satire trifft auf grosse Oper: Entertainer Harald Schmidt moderiert einen Talk im Zürcher Opernhaus und erzählt im Interview, warum aus ihm doch kein Pfarrer geworden ist.
Publiziert: 23.04.2022 um 10:39 Uhr
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Aktualisiert: 23.04.2022 um 11:53 Uhr
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Harald Schmidt kommt für eine neue Talkrunde ins Opernhaus nach Zürich.
Foto: STEFAN BOHRER
Interview: Katja Richard

Mit seiner Grösse von über 1,90 Metern ist er nicht zu übersehen: Erkannt wird Harald Schmidt (64) in der schicken Hotellobby nahe vom Zürcher Opernhaus trotzdem nicht. Das Publikum ist zu jung, um den legendären deutschen Talkmaster mit scharfem Intellekt und böser Zunge noch am TV-Bildschirm erlebt zu haben. Ungerührt legt die DJane an diesem Samstagabend Musik auf, der Kellner unterbricht uns im Gespräch mit der Bitte, im Restaurant während dem Fotografieren nicht zu blitzen. Harald Schmidt nimmt es gelassen, zur Begrüssung streckt er mir die Faust entgegen.

Geben Sie die Hand tatsächlich nicht mehr?
Harald Schmidt: Ja, ich habe am Anfang der Pandemie ein Interview mit einer Virologin gehört, sachlich und unaufgeregt. Sie schüttelt schon seit 25 Jahren keine Hände mehr und steigt nicht in einen vollen Lift. Das hat mir sofort eingeleuchtet. Dieses Küsschen hier und Küsschen da war eh nie mein Ding. Das habe ich mir jetzt mit guter Begründung vom Hals schaffen können.

Hat Corona aus uns allen Hypochonder gemacht?
Nein, ich glaube eher Virologen. Und aus denen sind jetzt nahtlos Militärexperten geworden. Das ist ganz erstaunlich, wenn man sich Talkshows anschaut, wer da so alles mit diskutiert und einordnet. Ich sehe die Nachrichten und lese die Zeitung, aber gebe keine Urteile und fachliche Einschätzungen ab.

Sobald Sie die Bühne betreten, ist da diese Erwartungshaltung, dass es gleich lustig wird. Sie moderieren am 2. Mai eine neue Talkrunde am Opernhaus. Der Start erfolgt zur Premiere der Wagner-Oper «Rheingold». Wird es ernsthaft?
Nein, das wäre völlig sinnlos. Auch wenn ich sagen würde, ich habe einen Gehirntumor und noch zwei Minuten zu leben, würden sich die Leute kaputtlachen. Ein Riesengag. Ich habe lange genug dran gearbeitet, dass die Leute mich lustig finden. Es wäre völliger Quatsch, das nicht zu bedienen. Mein Einstieg wird sein: mein Abend zu Wagner, von dem ich keine Ahnung habe.

Die Wagner-Oper Rheingold feiert am 30. April Premiere im Zürcher Opernhaus.
Foto: Monika Ritterhaus

Haben Sie echt keine Ahnung von Wagner?
Natürlich habe ich jetzt nach und nach seine Musik für mich entdeckt. Wagner, das ist ein ganzer Kosmos, dazu gibt es schon genug Experten. Mein Fokus ist seine Zeit in Zürich und was sich so alles boulevardesk verbraten lässt – etwa sein privater Knatsch, Affären oder dass er Seidenwäsche getragen hat. Er hatte ein eigenes Zimmer mit Damenunterwäsche.

Wagner ist als Lieblingskomponist Adolf Hitlers noch für viele ein Reizthema.
Ich würde keine Sekunde bestreiten, dass Wagner ein Antisemit war. Aber die Musik ist was anderes als der Mensch. Man kann Wagner auch nicht nur mit den Nazis in Verbindung bringen oder dafür verantwortlich machen, dass Hitler nach Bayreuth gegangen ist. Das war ja nach seiner Zeit. Und inzwischen wurde Wagner auch in Israel vom Divan-Orchester inszeniert.

Momentan werden russische Künstler teils aus dem Kulturleben ausgeschlossen. Ist das ein ähnlicher Mechanismus?
Dass man sich von Putin-nahen Künstlern distanziert, kann ich verstehen. Teils wird aber auch vorschnell alles über einen Kamm geschert. Sich hysterisch von allem zu verabschieden, was russisch ist, finde ich zu verallgemeinernd.

Sie sind ausgebildeter Kirchenmusiker. Wie sind Sie dazu gekommen?
Ich habe mal so eine Prüfung gemacht, eigentlich bin ich Laie. So was machen sonst nur wild gewordene Hausfrauen aus Oberschwaben mit zu viel Zeit und Ehrgeiz. Sonntags habe ich im Gottesdienst gespielt, als Gegenleistung dafür, dass ich üben durfte.

Wild gewordene Hausfrauen – darf man sich heute über so was noch lustig machen?
Das waren die guten alten Zeiten der Late-Night-Show. Da hat man sich über kleine Italiener lustig gemacht oder Chinesen parodiert. Man hat auch Witze gemacht, wenn jemand hinkte oder einen Sprachfehler hatte. Mein ehemaliger Bühnenpartner Herbert Feuerstein hat gesagt, auch Behinderte hätten ein Recht, verarscht zu werden. Und er selber war ja extrem klein. Eine solche Show würde heute massiven Ärger geben.

Legendär: Harald Schmidt brachte die Late Night Show ab 1995 nach Deutschland.
Foto: imago images/United Archives

Zurück in die Kirche. Sind Sie religiös?
Ja, sehr katholisch. Jetzt, wo immer mehr Leute aus der Kirche austreten, sage ich: Ist doch super, es war mir eh immer zu voll. Aber ich bestreite nichts von diesen grauenhaften Dingen, die passiert sind. Bei einer 2000 Jahre alten Kirche kann es aber mal 100 oder 200 Jahre bergab gehen. Austreten, das kommt für mich nicht in Frage.

Wie geht Satire und Religion zusammen?
Eine Late-Night-Show ist wie eine Liturgie, mit einem klaren Ablauf. Man kommt rein, begrüsst das Publikum, geht zum Schreibtisch, dann spielt die Band und dann kommt der Gast. Als Kind habe ich Pfarrer gespielt, aber leider das Zölibat ernst genommen, und wusste: Das ist nix für mich.

Was gibt Ihnen die Kirche?
Na ja, wie lange ist man hier auf der Welt? 80 Jahre, vielleicht auch 90 oder nur 65. Man weiss ja nicht, was die Pumpe macht. Vielleicht stehe ich auf und falle in den Zürichsee. Und was kommt dann? Es ist noch keiner zurückgekehrt.

Beten Sie?
Ja, jeden Tag. Für mich ist ganz klar, dass das irdische Dasein eine Durchgangsstation ist. Wenn man nicht plötzlich durch einen Unfall oder Herzinfarkt stirbt, sondern eine längere Krankheit hat, dann hilft der Glaube. Es ist einfacher, das anzunehmen, wenn man weiss, es ist kein Ende, sondern ein Übergang. Das kann man aber auch mit Meditation oder Buddhismus haben.

Katholizismus ist für Sie etwas Spirituelles?
Eindeutig, ja. Ein Schluck Weihwasser, und weg ist die Magenverstimmung.

Was nicht jeder weiss: Sie spielen beim «Traumschiff» und in Rosamunde-Pilcher-Filmen mit!
Ja, das ist fantastisch. Für mich gilt: Drehort vor dem Drehbuch. Darum komme ich auch gerne nach Zürich. Für die Pilcher-Filme gehts nach Cornwall, und wir drehen in alten Schlössern, wo noch der echte Graf drinsitzt. Ich spiele meist kleine Rollen als Bösewicht.

Drehort vor Drehbuch: Harald Schmidt tritt in der Serie «Traumschiff» regelmässig als Kreuzfahrtdirektor Oskar auf. Hier mit Kollegin Hannelore Elsner.
Foto: ZDF und Dirk Bartling

Was ist Ihre beste Eigenschaft?
Die Leute glauben ja, ich würde ständig alle zuquatschen. Aber ich kann sehr gut zuhören. Das «Traumschiff» ist eine besonders gute Quelle, die Leute dort beichten mir ihre halbe Lebensgeschichte. So sammle ich Material, das verwende ich dann 14 Tage später auf der Bühne.

Was ist Ihre grösste Schwäche?
Man könnte sagen, meine enorme Eitelkeit ist eine Schwäche. Das sehe ich aber nicht so.

Sie wirken nicht eitel.
Die höchste Form der Eitelkeit ist, so zu tun, als wäre man nicht eitel. Bei mir zeigt sich das darin, dass ich niemals so etwas machen würde wie Haare färben oder implantieren. Mein Verfall ist immer noch besser als die Attraktivität von allen anderen.

Aber narzisstisch sind Sie nicht?
Narzissmus ist ja gerade das Top-Modewort. Jeder, der sich morgens vor dem Spiegel wäscht, wird schon mit einer narzisstischen Störung diagnostiziert. Aber das noch wichtigere Modewort ist Trauma. Einer, der sein Joghurt nicht aufkriegt, ist schon traumatisiert.

Iggy Pop in einer durchsichtigen Plastikhose 1996 in der Harald Schmidt Show.
Foto: Screenshot youtube/SAT1

Vermissen Sie die Late-Night-Show?
Das waren andere Zeiten mit tollen Gästen. Iggy Pop kam in durchsichtiger Plastikwäsche. Prince gefiel die Show so gut, dass er gleich zwei Songs spielte. Catherine Deneuve holten wir persönlich in Paris ab und sind mit ihr frühstücken gegangen. Ich bin sehr froh, dass ich keine tägliche Sendung mehr habe. Das würde keinen Spass machen, denn die Lage wird insgesamt unlustiger. Und das nach zwei Jahren Corona. Ich geniesse den Ruhestand mit leichter Operntätigkeit, hier am Zürichsee.

Zum Abschied reicht mir Harald Schmidt die Hand.

Entertainer und Kirchenmusiker

Harald Schmidt stammt aus Neu-Ulm (D). Nach dem Abitur besuchte er die Schauspielschule und begann eine Laufbahn als Kabarettist. Seinen grössten Erfolg feierte er mit dem Late-Night-Format «Harald Schmidt Show» auf Sat.1. Er hat fünf Kinder und lebt mit seiner Lebensgefährtin Ellen Hantsch in Köln (D). Als Orgelspieler, gelernter Kirchenmusiker und Schauspieler ist ihm die Affinität zum Musiktheater schon in die berufliche Wiege gelegt worden. Am Montag, 2. Mai, startet er am Zürcher Opernhaus mit der neuen Talkrunde «Hinterm Vorhang».

STEFAN BOHRER

Harald Schmidt stammt aus Neu-Ulm (D). Nach dem Abitur besuchte er die Schauspielschule und begann eine Laufbahn als Kabarettist. Seinen grössten Erfolg feierte er mit dem Late-Night-Format «Harald Schmidt Show» auf Sat.1. Er hat fünf Kinder und lebt mit seiner Lebensgefährtin Ellen Hantsch in Köln (D). Als Orgelspieler, gelernter Kirchenmusiker und Schauspieler ist ihm die Affinität zum Musiktheater schon in die berufliche Wiege gelegt worden. Am Montag, 2. Mai, startet er am Zürcher Opernhaus mit der neuen Talkrunde «Hinterm Vorhang».


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