Berge von Kleidern. Vor der Waschmaschine, auf einem beliebigen Stuhl, im Umkleideraum. Ein Bild, das (fast) jeder kennt. Haufenweise Kleider zeigt auch die Installation «Metamorfosi» des Künstlers Michelangelo Pistoletto von 2013, die momentan im Kunsthaus Zürich ausgestellt ist und auf die Wegwerfmentalität in der Mode aufmerksam machen soll. Kunst, die sich mit Mode auseinandersetzt, das ist die Thematik der Ausstellung «Fashion Drive».
70 Kleidungsstücke besass eine Frau in den 70ern
Mode nutzt Kunst häufig als Inspirationsquelle und Ideenschmiede, Kunst wiederum bildet Mode ab, beurteilt sie, kritisiert sie. Ein Werk aus den 70er-Jahren von Hans-Peter Feldmann, «Alle Kleider einer Frau», zeigt ein gerahmtes Bild, auf dem 70 kleine Polaroids aufgeklebt sind. Fotos von T-Shirts, Dessous, Röcken, Hosen, Schuhen, Socken. Es sind alle Kleidungsstücke, die eine Frau in dieser Zeit durchschnittlich besass. Ziemlich viele, mag man denken. Wie viele es heute sind, dazu später.
Die Verschwendung von Kleidern ist ein recht neuzeitliches Phänomen, Mode selbst aber ein uraltes. «Mode ist ein sehr vielfältigeres Phänomen, als man denkt», sagt auch Cathérine Hug, Kuratorin des Kunsthauses Zürich.
Und die Kunst hat den Werdegang der Mode, ihre verschiedenen Facetten seit jeher abgebildet. Kunst in Form von Gemälden sei teilweise die einzige Zeugin, die man von Mode in den Jahrhunderten vor der Fotografie hatte, sagt Hug. Zeitzeuge von einem rebellischen Umgang mit Mode ist zum Beispiel ein Gemälde von 1783.
Es zeigt die französische Königin Marie-Antoinette (1755–1793), die auf höfische Konventionen und Kleiderregeln pfiff und sich sehr einfach gekleidet malen liess. Und das von einer Frau. Marie-Antoinette wurde von Marie Louise Élisabeth Vigée-Lebrun porträtiert, einer der ersten erfolgreichen Malerinnen. Damals war das Gemälde ein Skandal. Heute gilt es als eine der wichtigsten höfischen Darstellungen überhaupt.
Kunst stellt immer wieder dar, wie Menschen mit Mode aus den Normen ausbrechen. Modeerscheinungen wurden mal ausgelöst vom Adel, mal von Rebellen, Subkulturen oder Stars. Und die Kunst greift das immer wieder auf, zeigt in ihren Werken nicht nur die Mode einer Zeit, sondern auch die oft vorausgehenden gesellschaftlichen Veränderungen.
Ohne Modefotografen gäbe es keine Supermodels
In den 80er- und 90er-Jahren etwa war Kunst ausschlaggebend dafür, dass aus Models Persönlichkeiten wurden. Ohne die Inszenierung der Modefotografen wie Peter Lindbergh wären aus Models nie mehr als anonyme, menschliche Kleiderständer geworden.
Auch heute beeinflussen sich Mode und Kunst gegenseitig. Modedesigner schöpfen noch immer Inspiration aus der Kunst, designen Stoffe und Schnitte nach Vorbildern von Werken grosser Künstler. Und sind auf der anderen Seite selbst Inspirationsquelle für Künstler geworden. Die wichtigsten Ideengeber für Designer und Künstler kommen heute aber von der Strasse: Streetstyles von Bloggern, Influencern oder auch Normalos sind wichtige Wegweiser für neue Kollektionen, schöne Fotografien oder kreative Installationen.
Übrigens: Heute hat der Mensch rund 100 Kleidungsstücke im Schrank – ohne Schuhe und Accessoires. Eigentlich genug. Trotzdem: Sobald eine neue Saison anbricht oder Influencer ein neues It-Piece in ihre Streetstyles integrieren, kommen häufig noch mehr Stücke dazu. Berge von Kleidern eben.
Fashion Drive. Extreme Mode in der Kunst: Kunsthaus Zürich, 20. April bis 15. Juli