Unterwegs in der Provence
Auf dem Velo durch das Luberon

Einige der malerischsten Dörfer Frankreichs, duftende Lavendelfelder und französischer Savoir-vivre: Das Luberon in der Provence ist das schönste Fleckchen Europas, findet unser Autor Christian Bauer. Nun hat der Provence-Fan die Region mit dem Velo entdeckt.
Publiziert: 01.09.2024 um 12:05 Uhr
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Das Luberon kann man leicht mit dem Velo erkunden. Etwa 30 ausgeschilderte Velorouten ziehen sich durch die Region.
Foto: Christian Bauer
Christian Bauer

Seit Studententagen liebe ich die Provence. Vor allem die Regionen um die Stadt Arles, die Alpilles und ganz besonders das Luberon, jenes Fleckchen Erde, das von der Stadt Cavaillon bis etwas hinter Apt im Osten reicht.

Vor etwa 25 Jahren wollte ich mit dem Auto bis nach Andalusien fahren. Als Zwischenstopp hatte sich die Stadt Arles angeboten – schlussendlich sind wir vier Wochen lang nicht von der Region losgekommen, die für mich zum Schönsten gehört, was Europa zu bieten hat. Seitdem bin ich immer wieder gekommen. Vor einiger Zeit habe ich sogar die gesamte Region ab der italienischen Grenze zu Fuss durchwandert, nun stand eine neue Art an, die altbekannten Favoriten und neue Orte zu entdecken: ein E-Bike.

Das Luberon ist ein Veloparadies

Das Luberon mit seinem weiten Talboden und den moderat hohen Bergen, welche die Ebene wie ein Schutzring umschliessen, ist ein ideales Velorevier. 30 ausgeschilderte Velowege durchziehen das Gebiet. Allerdings sind die Nebenstrassen so wenig befahren, dass man sich mit einer Karte eine eigene Tour zusammenstellen kann.

Der Vorteil: Nicht nur entschleunigt das Velofahren, man taucht stärker in die Landschaft ein, «schmöckt» den würzigen Duft von Rosmarin und Pinien und entdeckt Hidden Places, an denen man mit dem Auto vorbeirauschen würde.

Und das Schöne an Südfrankreich ist ja, dass (fast) jedes Örtchen eine Augenweide ist und man in jedem Bistro schlemmen kann wie der sprichwörtliche «Gott in Frankreich». Also: losradeln, sich treiben lassen, anhalten, wo man möchte. Und wenn der Hunger zwickt in einem Bistro das «plat de jour», den Tagesteller, bestellen und sich von den Aromen überraschen lassen. Und spätestens abends, wenn das E-Bike im Schuppen steht, passt dazu ein lokaler Rotwein auf einem Dorfplatz, wo die Alten eine Runde Pétanque spielen. Ist das nicht herrlich?

Das sind meine Highlights im Luberon, die man nicht verpassen sollte:

Veloroute «Les Ocres à vélo»

Von all den Velorouten ist die Route 13, die «Les Ocres à vélo», vielleicht die interessanteste, denn sie führt auf 50 Kilometern durch den farbenfrohsten Abschnitt des Luberon: das Ocker-Land. Um die Stadt Apt befindet sich eines der grössten und wichtigsten Ockervorkommen der Welt. In der Hochzeit des Abbaus wurden in 60 Steinbrüchen bis zu 40'000 Tonnen des roten, gelben und orangen Pigmentes abgebaut. Die Ockersteinbrüche haben das Aussehen dieser etwa 25 Kilometer Luftlinie betragenden Landschaft massiv geprägt. Auf den Abraumhalden wachsen heute Pinienwälder, dazwischen ragen sandige Wände der ehemaligen Abbaustellen auf. Entlang der Strecke kann man verschiedene oberirdische und einen unterirdischen Steinbruch besuchen. Schönster Ort ist Roussillon, das gänzlich in den erdigen Ocker-Farben gehalten ist.

Tipp: In der ehemaligen Ockerfabrik Ôkhra wird an historischen Maschinen gezeigt, wie aus dem sandigen Abbau das Farbpigment gewonnen wird.

Velomiete: E-Bikes können bei Electric Move im Ort Cabrières d’Avignon gemietet werden.

Übernachtungstipp: Domaine Perréal in Gargas

Als Basislager für verschiedene Velotouren im Herzen des Luberon empfiehlt sich das Boutiquehotel des Weinguts Domaine Perréal, das von einem kleinen Hügel die Ebene überblickt. Im hauseignen Restaurant kann man sich nach einer Velotour bekochen lassen und danach unter den grossen Pinien im Garten einen Wein geniessen.

Gordes – das erhabene Dorf

So wie Gordes auf einem Felssporn über der Ebene thront, zu dessen Füssen Olivenbäume, Weinfelder und Lavendel, verwinkelte Gässchen am Berghang, Steinhäuschen mit Patina, zählt das Dorf zu den schönsten Frankreichs – der Besucherandrang ist im Sommer entsprechend gross. Überhaupt gilt für den touristischeren Westen des Luberon: Beste Reisezeit sind Frühling und späterer Herbst, wenn die Massen gegangen sind. Sehenswert in Gordes sind neben dem Stadtbild das «Palais Saint Firmin», in dessen in den Fels gehauenen Höhlen man Ölmühlen und Weinkeller besichtigen kann.

Tipp: Nicht weit von Gordes entfernt befindet sich die Abtei von Senanque in einem kleinen Tal inmitten eines Lavendelfelds – toller Fotospot.

Bonnieux – die schönste Galerie

Die Provence hat Dichter, Denker und Maler angezogen, die versunken sind im strahlenden Licht des Südens und den Postkartenidyllen der Dörfer. Vincent van Gogh, Claude Monet, Paul Cezanne: Die Grossen waren hier und haben Meisterwerke geschaffen. Und nach den Berühmten kamen viele weitere, die sich hier ihren künstlerischen Ergüssen hingeben – nicht alles, was man in den vielen lokalen Galerien sieht, hat Qualität. Eine Ausnahme ist das Ehepaar Anne-Marie Ruggeri und Philippe Janin, die mit Öl, Gouache und Pastell die Stimmung des Luberon herrlich einfangen. In ihrer Galerie in Bonnieux bieten sie ihre Werke zu fairen Preisen an. Zudem steht eine grosse Auswahl an Drucken zum Verkauf – für etwas Provence-Feeling im Wohnzimmer.

Tipp: In Gare de Bonnieux (unterhalb der Stadt in der Ebene) residiert seit Kurzem die Fondation Blachère, ein Museum zu afrikanischer Kunst. Sehr interessant.

Der Markt von Goult

Provenzalische Märkte sind ein Fest für die Sinne. Lokale Produzenten verkaufen eingelegte Oliven, luftgetrocknete Salamis, fünflieber-grossen Ziegenkäse und Olivenöle. Des Weiteren findet man Seife, Lavendelprodukte, Stoffe oder Weidenkörbe – ein buntes Potpourri. Fast jedes Dörfchen und jede Stadt der Region hat einen wöchentlichen Markt. Informationen gibt es in der lokalen Touristeninformation. Oder einfach in der Bar fragen. Ein kleiner, aber süsser Markt findet jeweils Donnerstag im Städtchen Goult statt.

Lourmarin – Bilderbuch-Idylle

Das Dorf Lourmarin in den Hügeln des Luberon zählt zu einem der sechs «Plus beaux villages de France», den schönsten Dörfern Frankreichs. Bekanntgeworden ist der Ort durch den Philosophen und Schriftsteller Albert Camus (1913 – 1960), der hier ein Haus besass und auf dem Friedhof des Ortes begraben liegt. Durch Camus' Vorbild angezogen haben sich in dem 1000-Seelen-Ort Künstler und Denker angesiedelt. Dadurch ist der Ortskern schön saniert, wo viele Bistros, Galerien und Boutiquen zu finden sind. Nachdem man das Schloss, das älteste Renaissanceschloss der Provence, und Camus Grab besichtigt hat, kann man durch die Gassen schlendern, Galerien besuchen und auf dem Dorfplatz in einer der Bars gemütlich die Zeit vergessen.

Apt – die Unbekannte

Apt ist mit seinen etwa 10'000 Einwohnern die grösste Stadt im Zentrum des Luberon. Hier leben die Einheimischen, die sich in den touristischen Dörfern wegen der Preissteigerung keine Häuschen mehr leisten können. Dementsprechend «authentisch» fühlt sich die Kleinstadt an. Auch der wöchentliche Markt am Samstagmorgen bedient die Bedürfnisse der Einwohner und nicht der Besucher. Samstag ist denn auch der beste Tag für einen Besuch, wenn die Gassen und Bistros, die teilweise ein besonderes «Markt-Menü» aufgelegt haben, voller Menschen sind.

Unbedingt besuchen sollte man die Patisserie «Au Pierrot blanc», wo viele Leckereien, unter anderem auch das Baguette, mit Lavendel hergestellt werden. Sehenswert ist das Stadtmuseum, in dem man Wissenswertes über die Industriegeschichte der Region erfährt. Gewusst, dass Apt die Hauptstadt der kandierten Früchte ist?

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