Geisterstädte kennt man vor allem aus Western. Verlassene kleine Minen-Städtchen mitten im Niemandsland. Doch an eine Touristenhochburg mit über 50 000 Einwohner denkt man dabei nicht.
Varosha liegt direkt an der türkischen Grenze im Osten Zyperns. Bis 1974 florierte die Stadt. Sie brachte 54 Prozent der Einnahmen durch Touristen in Zypern ein, bestand aus 45 Hotels mit über 10 000 Betten, 60 Appartment-Hotels und über 3000 Geschäften. Kinos und Theater existieren genauso wie Shoppingcenter. Mehr als 380 weitere Gebäude befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch im Bau. Die Stadt boomte.
Die Betten sind noch frisch bezogen
Stars wie Elizabeth Taylor, Richard Burton und Brigitte Bardot verbrachten ihren Urlaub hier. Die weiten Sandstrände waren belebt, die Restaurants hatten ihre Tische stets gedeckt und die Hotels sämtliche Betten frisch bezogen.
Das alles änderte sich schlagartig. Das türkische Militär besetzte 1974 im Rahmen der Invasion den Nordteil der Insel und rückte immer näher an Varosha heran. Das Gerücht, sie würden mit einem Massaker die Stadt einnehmen, liess Einwohner, Arbeiter und Touristen Varosha innerhalb weniger Stunden fluchtartig verlassen. Sie hinterliessen alles so, wie es in diesem Moment war: Mit Liegen am Strand, Gedecken auf den Tischen und den Strandtüchern auf den Balkonen.
Druckmittel und Pfand
Varosha wurde tatsächlich eingenommen und wird von den Türken bis heute als Druckmittel und Pfand gegenüber den griechischen Zyprioten eingesetzt. Die Stadt ist zu militärischem Sperrgebiet erklärt und seit dem Tag der Einnahme ausser von Militärangehörigen von niemandem mehr betreten worden.
Seither sind 39 Jahre vergangen, und die Natur hat die Stadt zurückerobert. Die einst gepflegten und prunkvollen Hotelfassaden sind von Pflanzen überwuchert. Wurzeln haben die breiten Flanierstrassen aufgebrochen. Auf den Balkonen brüten Vögel, und wo einst Menschen sich entspannten und unterhielten, leben heute nur noch Tausende von Ratten und Insekten.
Im Autohaus im Zentrum stehen noch heute fabrikneue Modelle aus den 70er-Jahren, alle mit einer dicken Sand- und Staubschicht bedeckt. Und die Baukräne ragen wie Mahnmale in den stillen Himmel über der einst florierenden Touristenstadt.
Die Schildkröten freuts
Einen Vorteil hat die Verlassenheit. Der Strand ist inzwischen eine wichtige Brutstätte für die bedrohten Meeresschildkröten. Da Zypern mehrheitlich Steinstrände hat, ist der Sand an der Küste vor Varosha nun der ideale Ort für die Tiere, ihre Eier zu vergraben.
Varosha übt eine bizarre Faszination auf jeden aus, der sich ihr nähert. Über den Seeweg kann bis an die Sperrzone herangefahren werden und der Blick durch den Feldstecher lässt erahnen, wie es dort wirklich aussieht. Dank digitalen Medien wie Youtube dringen trotz Sperrzone und Fotografie-Verbot immer Amateur-Aufnahmen an die Öffentlichkeit. Es gibt aber nur sehr wenige offizielle Fotografien, die den wahren Zustand von Varosha dokumentieren. Es wird wohl noch einige Jahre dauern, bis Menschen wieder legal durch diese Stadt streifen dürfen. Falls es überhaupt je wieder so weit kommen wird.