Mit Helmi Sigg und seiner Frau Barbara auf Vestfirðir
Islands Wilder Westen

Der Autor und Komiker Helmi Sigg und seine Frau, die Fotografin Barbara Sigg, reisten abseits der touristischen Trampelpfade durch Vestfirðir auf Island. Ein Bericht.
Publiziert: 23.10.2018 um 21:10 Uhr
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Aktualisiert: 05.08.2019 um 16:02 Uhr
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Glauben Sie an Trolle, Feen und Elfen? Diese Frage stellte Helmi Sigg auf seiner Reise durch die Westfjorde Islands den unterschiedlichsten Menschen.
Helmi Sigg (Text) und Barbara Sigg (Fotos)

Gleich vorweg: Es war die schönste Reise meines ­Lebens. Die Insel mit ungefähr 350 000 Bewohnern hat ihre eigenen ­Gesetze, sie fordert und gibt. Island rockt, im wahrsten Sinne des Wortes! Aus einer Wunschdestination wurde eine Liebesbeziehung.

Auf gehts

Es ist später Nachmittag. In Keflavik, dem Hauptflughafen des Landes, steigen wir in einen voll­getankten Four Wheeler mit Navi. Eine Stunde später, die Hauptstadt Reykjavik liegt hinter uns, umrunden wir den Hvalfjörður, einen pittoresken Fjord. Schnell wird klar, es gibt geteerte Strassen, Naturstrassen und Schlag-lö-cher-stras-sen. 1. Etappe: Fossatún Country Hotel. Rechts abbiegen, rauf in die Hügel, eine Riesenstaubwolke ­hinter uns herziehend. Nach 20 Minuten ­erste Zweifel – haben wir uns verfranst? Umkehren? Vorwärts, zeigt das Navi­gationsgerät. Eine halbe ­Stunde später sind wir am Ziel.

Trollland Fossatún

Es begrüsst uns der breite Wasserfall des ­Grimsa-Flusses. Gegenüber auf der Hügel­kuppe, im Gegenlicht, eine überlebensgrosse Gestalt – ein Troll! Wir sind hellwach, obwohl die Uhr bereits 23 Uhr anzeigt. Erstmals erleben wir die berühmte ­Mitternachtssonne. Die ländliche Anlage besteht aus flachen Ge­bäudekomplexen und originellen 1-Zimmer-Hütten. Sie sind wild über das romantische Gelände ­verstreut. Überall Trollwege, Trollgeschichten, Trollfiguren.

«Wir ­hatten 2001 die Möglichkeit, dieses Grundstück hier zu kaufen. Ich war sofort von diesem Ort einge­nommen», erzählt Steinar Berg (66), der Besitzer. Der ehemalige Mu­sik­produzent (Mezzoforte) und Musik­label-Besitzer hat etwas Rock ’n’ Trolliges an sich. «Ich hängte meinen alten Job an den Nagel und fing ein neues Leben an. Der Hof und der Trollwasserfall inspirierten mich, Geschichten zu schreiben.» Inzwischen ist Steinar auch ein ­berühmter Autor mehrerer Bücher mit Trollgeschichten.

Sturm und Gammelhai

 Stykkisholmur ruft. Das Wetter dreht. Geplant war, die Halbinsel Snæfellsnes zu umrunden und Sehenswürdigkeiten zu besuchen. In Arnarstarpi sind wir innert fünf Minuten völlig durchnässt. Gut, haben wir Ersatzkleider und einen Plan B. Nach einer Passfahrt verzieht sich der Regen, die Sonne lacht. Auf zum Haimuseum in Bjarnarhöfn. Dort wird die isländische Spezialität Hákarl (Gammelhai) produziert. Gudjon Hildibrandsson (38) demonstriert, wie der Grönlandhai fermentiert und getrocknet wird. Dieser Delikatesse widmet sich ­seine Familie seit Generationen. Die Mutprobe: ein kleiner Happen. Das weisse, gummige Fleisch schmeckt leicht nach Ammoniak. Ein Schluck Brennivin (Schnaps) hilft.

Viking Sushi und Puffins

 Stykkisholmur ist eine Bilderbuch-­Hafenstadt. Bald gehts aufs Meer. An Bord unseres Schiffes begrüsst uns Kapitän Gudmundur Haraldsson (68). Wir fahren hinaus in die Inselwelt des Breidaf­jörður. Ein grosses Vogelparadies. Vor allem die knuffligen Papageientaucher, Puffins genannt, haben es uns angetan. Früher dienten sie den Menschen als Nahrung. Apropos: Ein spezieller Schlepprechen wird ausgeworfen. Fünf Minuten später geniessen wir frische Kammmuscheln. Aus dem Meer, in den Mund, besser geht es nicht.

Das eigene Trollerlebnis

Für die nächste Etappe, Patreksfjörður, nehmen wir die Fähre. Der Himmel weint, die See wogt, der Magen streikt. Puh, wieder auf festem Boden. Wir geniessen die Fahrt über Berge und an Fjorden entlang, zum berühmten Vogelfelsen Látrabjarg. Die Landschaft verändert sich in kurzer Zeit stetig: diese Weite, diese Felsen, die Natur. Emotionelle ­Eindrücke sind schwierig in Worte zu fassen. Dann passiert es. Es stürmt heftig. Seit langer Zeit sind wir ­keinem Auto mehr begegnet. Wir verlassen uns aufs Navi. Nach 20 Minuten wird klar, dass ­etwas nicht stimmt. Die Umgebung wird immer gespenstischer. Der Wind tobt, das Navi spielt verrückt. Die Geröllstrasse wird unfahrbar. Wir beschliessen umzukehren. Meine Frau geht nach draussen, der Wind wirft sie beinahe um. Aha, darum heisst das hier der Wilde Westen. Nach einer gefühlten Ewigkeit sind wir wieder auf der richtigen Strasse.

«Das war ein wirkliches Troll­erlebnis», sagt meine Frau, immer noch vom Wind zerzaust und wacke­lig auf den Beinen. «Etwas wollte, dass wir hier nicht weiterfahren.» Ich nicke erleichtert, wir fahren direkt nach Patreksfjörður und übernachten dort.

Fjorde, Wasserfall und ein Buch­laden

Unsere nächste Etappe ist ­sicher eine der schönsten, dem nördlichsten Ziel, Ísafjörður, entgegen. Im Supermarkt noch ein paar Äpfel kaufen. Neben dem Eingang ein Flyer, der auf den ältesten noch offenen Buchladen in ganz Island hinweist. Machen wir. Zuerst aber noch zum Dynjandi, einem herrlich grossen Wasserfall. Gemütlich ­nehmen wir die 170 Kilometer ­lange Strecke unter die Räder. Eine bezaubernde Route, mal alpin, mal maritim. Mir wird bewusst: Das Land und die Weite tun mir sehr gut. Ich fühle mich unendlich frei. Selbst der Regen hat auf mich einen Reinigungseffekt. Auf das staubige Auto auch. Dynjandi bedeutet: der Dröhnende, Tobende. Der Wasserfall ist 100 Meter hoch, oben 30, unten 60 Meter breit. Eine mäch­tige Wassershow, der man stundenlang zusehen könnte. Aber noch wartet der Buchladen.

Ein Kilo Bücher bitte

Eineinhalb Stunden später erreichen wir das kleine Dorf Flateyri. Idylle pur. Ein Fjord, rundherum Berge, ein wenig isoliert, wie uns Augusta Gudmunsðóttir (61) erklärt. Ihr Sohn betreibt an der Hauptstrasse den ältesten Buchladen Islands. Heute ein Secondhandladen, der die Bücher pro Kilo verkauft. Im Haus blieb die Zeit schon ­lange stehen. Alles wurde seit der Zeit, als Augustas Grosseltern noch da­rin lebten, so belassen.

Kurz vor Ísafjörður fahren wir durch einen abenteuerlichen Tunnel, der einem «Indiana Jones»-Film entsprungen sein könnte. Im Ort kommt man an der Gamla ­Bakaríið nicht vorbei. Brot und Patis­serie vom Feinsten. Rosa Thorsteinsdóttir (67) führt die Bäckerei in der vierten Generation. Ihre ­Produkte werden in ganz Island verschickt.

Zurück ins Jahr 1893

 Heute treffen wir Sigrun Einarsdóttir (40), eine Fischarbeiterin aus dem Jahr 1893. Wie bitte? Doch, da steht sie, rotbäckig, in groben Original­kleidern, und lacht uns an. Sie spricht Deutsch und führt uns ­erzählend durch eine der ältesten Handelsstädte Islands. Nein, ich habe kein Brennivin getrunken. Die gute Frau heisst mit richtigem Namen ­Helga Ingeborg Hausner (61) und stammt ursprünglich aus Berlin, sie lebt hier. Ihre anschau­liche Stadtführung mit vielen ­Geschichten und Anekdoten ist eine richtige Zeitreise.

Reykjavik und ein Elfen-Hotspot

Bye-bye, Ísafjörður, nach 40 Minuten Flug sind wir in der Hauptstadt. Bald heisst es Abschied nehmen. Nicht bevor wir in Hafnarfjörður mit Sigurbjörg «Sibba» Karlsdóttir (61) ein paar Feen- und Elfen-Hotspots besucht haben. Ihre unheimlichen Geschichten verursachen bei uns eine Gänsehaut.

Ob wir nun an Trolle, Elfen und Feen glauben? Ich denke, wir müssen noch ein paar Mal nach Island zurückkehren, um diese Frage wirklich beantworten zu können.

Reisetipps vom Island-Profi

Meike Baumann, von Kontiki Reisen gibt Auskunft:

Kleidung
Wer nach Island reist, packt nach dem Zwiebelschalenprinzip. Die Inselbewohner pflegen zu scherzen: «Wenn dir das Wetter in Island nicht gefällt, dann warte fünf Minuten!». Mit Sicherheit ändert sich das Wetter. Wolle gehört auch im Land mit einer halben Million Schafe zu der praktischsten Kleidung. Sie transportiert bei der Kurzwanderung auf den Vulkan die Feuchtigkeit vom Körper weg und hält warm, wenn man den Gletscher nur aus der Ferne anschaut. Idealerweise hat man für drüber immer eine leichte Regenjacke im Rucksack und, da es in Island auch mal horizontal regnet (der Wind bläst da erfahrungsgemäss gerne), ist eine Softshell-Hose eine exzellente Begleiterin. Auch im Sommer nicht die Mütze vergessen, besonders - aber nicht nur - wenn man im Hochland unterwegs ist. Gleichzeitig die Badehosen nicht vergessen, die brauchen Sie in Island jeden Tag, um sich mit der Nase an der frischen Luft im warmen Wasser zu wärmen und unter Umständen einen gemütlichen Schwatz mit Isländern zu halten.

Nützliches
– Feldstecher zur Sichtung von Seehunden, Walen, Elchen (die verstecken sich im Osten), Polarfüchsen, Schneeeulen und Trollen. Elfen werden Sie keine sehen.
– Kreditkarte für den Hot Dog, den Skyr, die Fischchips oder andere Snacks, sowie für alles, was man auf so einer Reise braucht. An jeder Tankstelle kann man sein Softeis mit Kreditkarte bezahlen, sie ist eine wichtige Begleiterin in Island, besonders gegen Ende der Reise, wenn man nicht sicher ist, wieviel Isländische Kronen man noch braucht.
– Trekking- oder knöchelhohe Wanderschuhe mit harter Sohle.

Ausflugs Tipps für eine Reise in die Westfjorde
– Das «The Icelandic Sea Monster Museum» – witziges Museum mit kleinem Café und Souvenirshop.
– Das «Arctic Fox Centre» für alle, die Polarfüchse nicht live gesehen haben und es unbedingt wollen. Im Garten des Zentrums findet man ein Gehege mit zwei Polarfüchsen.

Meike Baumann, von Kontiki Reisen gibt Auskunft:

Kleidung
Wer nach Island reist, packt nach dem Zwiebelschalenprinzip. Die Inselbewohner pflegen zu scherzen: «Wenn dir das Wetter in Island nicht gefällt, dann warte fünf Minuten!». Mit Sicherheit ändert sich das Wetter. Wolle gehört auch im Land mit einer halben Million Schafe zu der praktischsten Kleidung. Sie transportiert bei der Kurzwanderung auf den Vulkan die Feuchtigkeit vom Körper weg und hält warm, wenn man den Gletscher nur aus der Ferne anschaut. Idealerweise hat man für drüber immer eine leichte Regenjacke im Rucksack und, da es in Island auch mal horizontal regnet (der Wind bläst da erfahrungsgemäss gerne), ist eine Softshell-Hose eine exzellente Begleiterin. Auch im Sommer nicht die Mütze vergessen, besonders - aber nicht nur - wenn man im Hochland unterwegs ist. Gleichzeitig die Badehosen nicht vergessen, die brauchen Sie in Island jeden Tag, um sich mit der Nase an der frischen Luft im warmen Wasser zu wärmen und unter Umständen einen gemütlichen Schwatz mit Isländern zu halten.

Nützliches
– Feldstecher zur Sichtung von Seehunden, Walen, Elchen (die verstecken sich im Osten), Polarfüchsen, Schneeeulen und Trollen. Elfen werden Sie keine sehen.
– Kreditkarte für den Hot Dog, den Skyr, die Fischchips oder andere Snacks, sowie für alles, was man auf so einer Reise braucht. An jeder Tankstelle kann man sein Softeis mit Kreditkarte bezahlen, sie ist eine wichtige Begleiterin in Island, besonders gegen Ende der Reise, wenn man nicht sicher ist, wieviel Isländische Kronen man noch braucht.
– Trekking- oder knöchelhohe Wanderschuhe mit harter Sohle.

Ausflugs Tipps für eine Reise in die Westfjorde
– Das «The Icelandic Sea Monster Museum» – witziges Museum mit kleinem Café und Souvenirshop.
– Das «Arctic Fox Centre» für alle, die Polarfüchse nicht live gesehen haben und es unbedingt wollen. Im Garten des Zentrums findet man ein Gehege mit zwei Polarfüchsen.

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