Auftanken in der milden Wintersonne, statt sich vor den brennenden Sommerstrahlen schützen zu müssen – neu ist das nicht. All die Hotelpaläste, die in der Belle Époque südlich des Gotthards entstanden sind, waren auf Wintergäste ausgerichtet. Den Sommer verbrachte man hingegen nördlich in den kühlen Bergen. Mit der Klimaerwärmung und immer dichteren Touristenströmen besinnt man sich auf die Qualität des mediterranen Winters. Und im Gegensatz zu damals sind die meisten Hotels heute auch beheizt.
Sizilien
Dieses Jahr kann man auf Sizilien locker bis Ende November im Meer schwimmen: Das Wasser hat sich im langen und heissen Sommer bis zu 30 Grad aufgeheizt und ist derzeit noch immer 23 Grad warm. Die grösste Insel im Mittelmeer gehört zu jenen Destinationen, die auch im späten Herbst und in den Wintermonaten einen Besuch wert sind.
Komponist Richard Wagner (1813–1883) verbrachte einen seiner letzten Winter in Palermo, der Hauptstadt Siziliens, und vollendete dort sein letztes Werk «Parsifal». Er schwärmte von den sechs Monaten auf Sizilien: «Wir sind hier, um keinen Winter zu haben: Hier ist nämlich nur Sommer und Frühjahr.»
Die angenehmen Temperaturen sind das eine – das antizyklische Reisen hat aber noch andere Vorteile. Anstatt sich neben Massen von schwitzenden Menschen durch enge Gassen zu drängeln oder die Spaghetti in einer Touristenfalle zu essen, kann man abseits der Hochsaison mit den Einheimischen auf Tuchfühlung gehen und die Sehenswürdigkeiten der Insel in intimer Atmosphäre geniessen. Sei es im beschaulichen Städtchen Taormina oder in Noto. Die barocke Stadt im Südosten der Insel hat dank der aktuellen Netflix-Serie «Chef's Table» breite Bekanntheit erlangt. Darin wird die Pasticceria Caffè Sicilia vorgestellt, in der es nicht nur typisches sizilianisches Gebäck, sondern auch warme Mandelsuppe gibt.
Wichtig: Heizung und Infrastruktur
Der Südosten von Sizilien ist touristisch erschlossener und auch dichter besiedelt, voller Kulturschätze und charmanter Küstenstädtchen wie Siracusa mit der Insel Ortigia. Zwar leert sich die Insel im Winter deutlich, aber die Infrastruktur mit geöffneten Restaurants und Hotels – ganz wichtig: mit Heizung! – bleibt bestehen.
Wer noch mehr Ruhe sucht, wird im Westen der Insel fündig. Dort hat am Rand des Naturschutzgebiets Riserva Torre Salsa erst im Sommer 2022 ein neues Hotel eröffnet. Mit dem Adler Spa Resort Sicilia trifft die Südtiroler Hotelierfamilie Sanoner den Nerv der Zeit: ein Wellness-Resort direkt am Meer, inmitten von unberührter Natur, diskret aus Holz und Glas in Landschaft eingebettet und weitgehend nach ökologischen Standards gebaut. Der kilometerlange Sandstrand ist unberührt, man kann dort spazieren und schwimmen, aber er bleibt unverbaut – nur ein paar wenige Strandliegen sind erlaubt. Und von Anfang an war klar, dass das Hotel abgesehen von einer kurzen Pause auch im Winter geöffnet bleiben soll. Für kuscheligen Komfort sorgen die warmen Outdoor-Bäder mit Blick auf die rauschenden Wellen.
Weihnachten in Palermo
Ein Besuch in Palermo lohnt sich ganz besonders im Dezember. Mit etwas Glück kann man seine Arancini – die frittierten Reisbällchen sind die Spezialität der Insel – draussen bei 25 Grad geniessen. Abends wärmt die opulente Weihnachtsbeleuchtung in der Altstadt das Herz. Auf den Weihnachtsmärkten kann man sich mit Geschenken eindecken, und entlang der Via Vittorio Emanuele laden dekorierte Restaurants zum Schmaus ein. Zum Übernachten empfiehlt sich stilgerecht das nahe gelegene und altehrwürdige Hotel Wagner. Ansonsten lohnt es sich, früh genug nach einer Ferienwohnung mit Dachterrasse zu stöbern.
Marbella
Das Klischee, dass nur golfende Rentner den Winter in Marbella verbringen, ist überholt. Spätestens seit der Pandemie hat eine neue Generation die südspanische Costa del Sol entdeckt. Sei es zum Überwintern mit flexiblem Arbeitsplatz oder für Ferien. Dank des Mikroklimas und der Lage am Mittelmeer können die Temperaturen tagsüber bis auf 26 Grad steigen und fallen nachts selten unter 10 Grad. Mit 320 Sonnentagen im Jahr ist die Chance auf schönes Wetter besonders hoch.
Mallorca
Kein Ballermann und in den typischen Touristenorten bleibt vieles geschlossen: Die Baleareninsel kann man im Winter in einer völlig anderen Atmosphäre erleben. Lohnenswert ist vor allem die Hauptstadt Palma. Man kann in Ruhe shoppen und die berühmte Kathedrale mit wenig anderen Besuchern besichtigen. Im Januar und Februar kann es zwar auch mal regnen, aber im Durchschnitt nur an sechs bis acht Tagen pro Monat – dafür wird die Insel grün. Das Klima ist mild, und bei Sonnenschein lässt sich der Cappuccino oder das Bier auch draussen geniessen.
Kreta
Es ist die grösste Insel Griechenlands und mit dem Inselchen Gavdos die südlichste Spitze Europas. Wenn Ende Oktober die letzten Charter-Flieger ausbleiben, kehrt wieder griechische Gelassenheit ein. Es ist die ideale Zeit, um die antiken Tempelanlagen zu besichtigen, den Strand hat man für einen Spaziergang quasi für sich allein und Mutige wagen sich auch im Dezember noch in die Fluten. Während die meisten Bade-Hotels geschlossen haben, findet man in Chania genügend Unterkünfte und Tavernen. Das Städtchen mit dem alten Hafen und Hammam gilt als Venedig Griechenlands.
Lissabon
Die Wintersonne taucht Lissabon in ein warmes Licht, es legt sich wie ein Sepia-Filter über die Hauptstadt Portugals. In der kühleren Jahreszeit teilt man sich die Stadt mit mehr Einheimischen als Touristen. Und nicht nur die Temperaturen sinken, sondern auch die Preise: Ideal fürs Shopping auf den vielen Weinachtsmärkten. Im Mittelpunkt steht dabei der riesige Christbaum auf der Praca do Comercio. Die Stadt ist auch bekannt für ihr Nachtleben. Über Silvester und Neujahr gibt es kostenlose Konzerte und ein riesiges Feuerwerk.