Irgendwo üben Kinder einen Abzählreim, und ein Stockwerk unter uns schnauben Wasserbüffel. Ansonsten ist es nach Sonnenuntergang absolut still in dem kleinen Bauerndorf, in dem wir die Nacht verbringen. Kein Fernseher dudelt, niemand zieht durch die staubigen Gassen. Nur über dem Buddha im Hausaltar funzelt ein Lämpchen, angetrieben durch eine Blockbatterie. «Mit europäischer Technik» prangt darauf. In Myanmar ist das ein Qualitätsmerkmal. Ansonsten ist es stockfinster.
Und da hier in der Provinz die Fernseher noch nicht die Gespräche gedrosselt haben, sitzt man zusammen und schwatzt. Über die fallenden Ingwerpreise, die Lokalpolitik, die alles schlimmer macht, und natürlich über den Touristen, der durch diese Landschaft trekkt.
Myanmar ist von Touristenmassen noch verschont
Für drei Tage wandern wir durch ein Märchenland, das von den Touristenmassen noch herrlich verschont geblieben ist. Vom kleinen Bergstädtchen Kalaw im Osten Myanmars bis zum berühmten Inlesee, wo das Volk der Intha auf Stelzendörfern über dem Wasser lebt. 600 000 Touristen kommen jährlich ins Land. Oder sind es doch 800 000? Man ist sich nicht sicher. Zum Vergleich: Das Nachbarland Thailand zählt jährlich 30 Millionen Besucher.
Myanmar ist immer noch ein Geheimtipp, ein Reiseziel für Individualisten. Das liegt auch daran, dass die Militärdiktatur, die bis vor fünf Jahren das Sagen hatte, das ehemalige Burma von der Aussenwelt abgeschottet hatte. Daher hat sich ein Land konserviert, das noch den Charme einer längst vergangenen Zeit versprüht – auch wenn Myanmar in den letzten Jahren einen technischen Quantensprung hingelegt hat.
Myanmar: Mittelalter trifft 21. Jahrhundert
Mittlerweile hat das Handy auch im letzten Winkel noch Netz, stehen in den Touristenorten Geldautomaten herum (zuvor mussten Reisende das gesamte Budget in Bargeld mitbringen) und wurden Überlandstrassen asphaltiert. Und dennoch ist das Land zwischen Indien, China und Thailand eine Herausforderung für die mitteleuropäische Logik. Während mein Wanderguide unsere Abenteuer mit seinem Smartphone auf Facebook postet, zuckeln Ochsenkarren an uns vorbei und kocht man auf offenem Feuer. Myanmar steht mit einem Bein im Mittelalter und mit dem anderen im Jetzt.
Nirgends lassen sich diese Gegensätze besser aufsaugen als bei einem Trekking. Wer nur Myanmars Highlights besucht (Tempel von Bagan, Mandalay, Inlesee, Yangon), wo die Tourismusmaschinerie mittlerweile wie geschmiert läuft, verpasst das Wesentliche: den Zauber des alltäglichen Lebens.
Holzpflug und Ochsenwagen
Unser Weg führt durch eine hügelige Agrarlandschaft, die es so auch in Europa geben könnte – würden hier nicht Ingwer und Reis aus dem fruchtbaren Boden spriessen. Und zögen nicht Wasserbüffel den Holzpflug durch die rostrote Kruste. Das Leben ist augenscheinlich hart. Aber längst nicht so hart wie unser Marsch, wie die Bauern uns attestieren. Schliesslich machten wir das freiwillig. So etwas Seltsames. «Warum fährt ihr nicht mit dem Töff?», fragt man ungläubig und bietet uns gekochten Kürbis an – als Stärkung für diese absurde Unternehmung.
Sechs Stunden sind wir täglich auf den Beinen; wird es Zeit für eine Rast, machen wir in einem Tempel ein Nickerchen und schwatzen mit den Mönchen, deren Umhang ebenso intensiv rot leuchtet wie die Erde. Wir schlafen bei einer Bauernfamilie und in einem buddhistischen Kloster. Ein Erlebnis, das man in Myanmar nur in dieser Region erleben kann. Im Rest des Landes dürfen Touristen nur in offiziellen Guesthouses übernachten – die einstige Diktatur hat einige seltsame Gesetze vererbt.
Mönche singen uns in den Schlaf
Weil das Mini-Kloster, in dem ich die zweite Nacht verbringe, keinen Gästetrakt hat, darf ich im Andachtsraum schlafen, überwacht von drei goldenen Buddhastatuen, von vier Mönchen und vier Novizen, die mich abends mit ihren Mantragesängen in den Schlaf wiegen. Der Buddhismus ist Lebensmittelpunkt und moralischer Wegweiser für die Burmesen. Hier leben 500 000 Vollzeit-Mönche noch nach Buddhas Regeln. Jedes Dorf, das es sich leisten kann, baut ein Kloster und bittet einige Mönche einzuziehen. Das wird allerdings zusehends schwieriger. Auch in Myanmar ist es wie mit den Ärzten in der Schweiz: Die meisten wollen in die Stadt.
Es ist Abend geworden. Vor dem Holzgebäude hockt ein Mönch und biegt über einem Feuer Bambusstäbe gerade. Für Feuerwerksraketen, die beim nächsten Tempelfest zum Einsatz kommen. Oder nimmt er doch an Raketen-Wettbewerben teil, bei denen man viel Geld gewinnen kann? Die Feuchtigkeit hängt als Dunst zwischen den Bäumen und schiebt der untergehenden Sonne einen Sepiafilter vor. Leben in einer vergilbten Fotografie.
Hinkommen
Mit der Thai Airways oder der Swiss über Bangkok nach Yangon. www.thaiairways.com, www.swiss.com
Einreise
Benötigt wird ein Visum, das man problemlos online beantragen kann. Die Bearbeitungszeit beträgt 3–5 Tage.
Buchung
Das beschriebene Wanderabenteuer sowie weitere Rundreisen und Erlebnisse können bei asia365 gebucht werden. www.asia365.ch
Hinkommen
Mit der Thai Airways oder der Swiss über Bangkok nach Yangon. www.thaiairways.com, www.swiss.com
Einreise
Benötigt wird ein Visum, das man problemlos online beantragen kann. Die Bearbeitungszeit beträgt 3–5 Tage.
Buchung
Das beschriebene Wanderabenteuer sowie weitere Rundreisen und Erlebnisse können bei asia365 gebucht werden. www.asia365.ch
Nachgefragt bei Ruth Landolt, Geschäftsführerin von Reiseveranstalter «asia365» und Myanmar-Kennerin.
Frau Landolt, derzeit schreibt Myanmar durch den Konflikt mit der Minderheit der Rohingya negative Schlagzeilen. Um was geht es dabei?
Ruth Landolt: Die Rohingya sind eine muslimische Minderheit, die im Westen des Landes an der Grenze zu Bangladesch leben. Im Verständnis der Burmesen sind die Rohingya illegale Einwanderer aus Bangladesch. Laut den Rohingya ist das Gebiet ihr angestammtes Zuhause. Myanmar hat sie nach der Unabhängigkeit von England nicht als Staatsangehörige akzeptiert – im Gegensatz zu den 135 anderen Volksgruppen, die als offizielle Minderheiten anerkannt sind.
Was war der Auslöser der derzeitigen Gewalt?
Konflikte flammen seit Jahren immer wieder auf. Der neuste Ausbruch geht auf Angriffe auf das burmesische Militär durch Rebellen der Rohingya zurück, die einen eigenen Staat ausrufen wollen. Das möchte Myanmar nicht akzeptieren und schlägt militärisch zurück.
Die internationale Gemeinschaft wirft Myanmar schwere Verbrechen vor. Kann man derzeit guten Gewissens nach Myanmar reisen?
Das muss jeder für sich entscheiden. Myanmar ist derzeit in den Medien sehr präsent. Aber eine brüchige Demokratie und Menschenrechtsverletzungen in unterschiedlichen Abstufungen gibt es in vielen Feriendestinationen ausserhalb Europas. Die Grenze muss jeder persönlich ziehen.
Hat der Konflikt Auswirkungen auf die Touristen?
Nein. Das Konfliktgebiet ist weit von den touristischen Zentren entfernt. Reisen in Myanmar ist für Ausländer sehr sicher.
Kann der Tourismus dem Land helfen?
Ja. Der Tourismus bringt Geld ins Land und verbessert die Lebensbedingungen der Menschen. Ausserdem ist der Kontakt zu Ausländern wichtig, um die Sichtweisen der Bewohner zu erweitern. Das wird auch positiven Einfluss auf die Veränderungen in Myanmar haben.
Nachgefragt bei Ruth Landolt, Geschäftsführerin von Reiseveranstalter «asia365» und Myanmar-Kennerin.
Frau Landolt, derzeit schreibt Myanmar durch den Konflikt mit der Minderheit der Rohingya negative Schlagzeilen. Um was geht es dabei?
Ruth Landolt: Die Rohingya sind eine muslimische Minderheit, die im Westen des Landes an der Grenze zu Bangladesch leben. Im Verständnis der Burmesen sind die Rohingya illegale Einwanderer aus Bangladesch. Laut den Rohingya ist das Gebiet ihr angestammtes Zuhause. Myanmar hat sie nach der Unabhängigkeit von England nicht als Staatsangehörige akzeptiert – im Gegensatz zu den 135 anderen Volksgruppen, die als offizielle Minderheiten anerkannt sind.
Was war der Auslöser der derzeitigen Gewalt?
Konflikte flammen seit Jahren immer wieder auf. Der neuste Ausbruch geht auf Angriffe auf das burmesische Militär durch Rebellen der Rohingya zurück, die einen eigenen Staat ausrufen wollen. Das möchte Myanmar nicht akzeptieren und schlägt militärisch zurück.
Die internationale Gemeinschaft wirft Myanmar schwere Verbrechen vor. Kann man derzeit guten Gewissens nach Myanmar reisen?
Das muss jeder für sich entscheiden. Myanmar ist derzeit in den Medien sehr präsent. Aber eine brüchige Demokratie und Menschenrechtsverletzungen in unterschiedlichen Abstufungen gibt es in vielen Feriendestinationen ausserhalb Europas. Die Grenze muss jeder persönlich ziehen.
Hat der Konflikt Auswirkungen auf die Touristen?
Nein. Das Konfliktgebiet ist weit von den touristischen Zentren entfernt. Reisen in Myanmar ist für Ausländer sehr sicher.
Kann der Tourismus dem Land helfen?
Ja. Der Tourismus bringt Geld ins Land und verbessert die Lebensbedingungen der Menschen. Ausserdem ist der Kontakt zu Ausländern wichtig, um die Sichtweisen der Bewohner zu erweitern. Das wird auch positiven Einfluss auf die Veränderungen in Myanmar haben.