Auf Schienen durch Indien
Zugfahren für Puristen mit festem Magen

Wer sich in einer «Sleeper Class» durch Indien aufmacht, erlebt den Subkontinent im Miniaturformat: menschenüberfüllt, chaotisch, herzlich. Und kommt an seine Grenzen: Das tagelange Bahnfahren zehrt an der Substanz, ist aber eines der eindrücklichsten Erlebnisse Asiens.
Publiziert: 29.11.2018 um 17:18 Uhr
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Christian Bauer

Zugfahren ist der Inbegriff des Slow-Travel, des langsamen Reisens, welches in Zeiten von Digitalisierung und Beschleunigung ein regelrechtes Revival erlebt. Doch während im Westen die Züge immer schneller werden, ist das Bahnfahren in Indien noch so gemächlich wie einst – mit 50 Stundenkilometer zuckelt man auf dem Subkontinent über die hitzeverbogenen Gleise. Da bleibt der Seele viel Zeit zum Nachkommen. Eine Erholung ist die Zugfahrt in einem ordinären indischen Zug allerdings nicht. Aber eine Erfahrung – vielleicht das letzte authentische Bahnerlebnis des Planeten.

Luxus-Zugreise für Touristen

Auch in Indien gibt es Luxusvarianten für Touristen mit allem möglichen Schnickschnack (siehe Box rechts); das authentische Indien erlebt man aber nur in der günstigen «Sleeper Class», den Abteilen fürs normale Volk. Eine 24-Stunden-Fahrt von Neu Delhi nach Kalkutta kostet gerade mal acht Franken – für 1600 Kilometer. Das kann sich ein Grossteil der Bevölkerung leisten. Studenten reisen hier ebenso, wie Bauern mit Sack und Pack, Businessmen, jung verheiratete Pärchen, die sich verstohlen küssen und Sadhus: Heilige Männer, die sich bereitwillig fotografieren lassen – für klingende Münze. Dafür aber auch gerne ihren Joint mit den neugierigen Besuchern teilen. «Smoke, my Friend. Makes you happy!»

Zum Berauschen brauchts auf den tagelangen Fahrten allerdings keine wundersamen Kräuter, da reicht schon das Chaos, das bei jedem Bahnhof biblische Ausmasse annimmt. Denn dann schwirren die fliegenden Händler herein und verkaufen alles, was der Reisenden braucht: Zeitungen, Lottolose, Bücher (auf Englisch!), Ladekabel, Rasierapparate, Gemüse-Curry, Gurkenschnitze, geröstete Erdnüsse, Chai-Tee  – der Geruchsmix ist ein Frontalangriff auf die Nase. Auch die Bettler drängt es herein: Blinde Pärchen, die Lieder vortragen und Beinlose, die Schuhe putzen. Manche Anblicke sind schwer zu ertragen.

Bahnverkehr in Indien

Indiens Bahnverkehr ist ein Abbild der Gesellschaft. In täglich 20 000 Zügen (auf 67 000 Kilometer Strecke) werden jährlich 8 Milliarden Menschen transportiert. Die meisten davon in der Sleeper Class, die ihren Namen von den Bänken erhielt, die zu Betten umfunktioniert werden können – einfache Plastikpritschen, an denen die verschwitze Haut klebt wie Kaugummi. Ob da auch mal jemand mit einem Desinfektionsmittel drüberwischt? Wahrscheinlich nicht. Wer in Indien unterwegs ist, sollte ohnehin seine westliche Angst vor Bakterien und Viren über Bord werfen. Die Devise lautet: Geniessen – für alles andere gibt es Antibiotika.

Ein Genuss ist eine Zugreise in Indien nicht immer, manchmal gar eine Plagerei – und vielleicht gerade deswegen eines der eindrücklichsten Erlebnisse Asiens.

Praktische Infos zu Zugreise in Indien

Billette: Zugtickets können in Indien leicht am Schalter gekauft werden. Am Besten ein paar Tage vor der Fahrt. Pass mitnehmen: Jeder Sitz/Bett wird auf einen Namen reserviert.
www.indianrail.gov.in

Sicherheit: In den Zügen gibt es viel Personal. Das Reisen ist generell sicher. Selbstverständlich sollte man ein Auge auf seine Wertsachen haben: Pass, Kreditkarte, Geld immer bei sich tragen.

Verpflegung: Die Züge halten so lange an den Stationen, dass man sich Wasser/Essen kaufen kann. Das Essen der fliegenden Händler ist nur etwas für robuste Mägen.

Billette: Zugtickets können in Indien leicht am Schalter gekauft werden. Am Besten ein paar Tage vor der Fahrt. Pass mitnehmen: Jeder Sitz/Bett wird auf einen Namen reserviert.
www.indianrail.gov.in

Sicherheit: In den Zügen gibt es viel Personal. Das Reisen ist generell sicher. Selbstverständlich sollte man ein Auge auf seine Wertsachen haben: Pass, Kreditkarte, Geld immer bei sich tragen.

Verpflegung: Die Züge halten so lange an den Stationen, dass man sich Wasser/Essen kaufen kann. Das Essen der fliegenden Händler ist nur etwas für robuste Mägen.

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