Als Königstochter lernte Hatschepsut am Hof lesen, schreiben, singen, tanzen sowie kulturelle und religiöse Pflichten. Sie war die ältere der beiden Töchter von Pharao Thutmosis I. und seiner Königlichen Gemahlin. Aufgrund ihres Geschlechtes war sie zwar erbberechtigt, jedoch als Nachfolgerin ihres Vaters nicht geeignet. Stattdessen bestieg ihr Halbbruder Thutmosis II., dessen Mutter eine Nebenfrau des Pharaos war, den Thron.Die ihm angetraute Gattin – die künftige Grosse Königliche Gemahlin – war keine geringere als Hatschepsut.
Um 1500 vor Christus war dies in Ägypten nichts Ungewöhnliches, denn obwohl die Wahl des Partners frei war, hatten viele Ehen einen geschäftlichen oder politischen Charakter. Eine Heirat zwischen Verwandten bot sich an, um das Vermögen in der Familie zu halten. In Königshäusern war es ausserdem üblich, Mehrehen einzugehen; dies erfolgte mit der Zustimmung der ersten Frau, welche dann über die in einem Harem lebenden Nebenfrauen herrschte. Hatschepsut gebar ihrem Halbbruder Thutmosis II. zwei Töchter und Isis, eine Nebenfrau, schenkte ihm zwei Söhne.
Die Thronfolge
Überlieferungen zufolge soll Thutmosis II. ein schwacher Regent gewesen sein, was anhand seiner gut erhaltenen Mumie, die eindeutige Krankheitsspuren aufweist, belegt werden kann. Bis heute vermögen Historiker seine Regierungszeit nicht eindeutig zu bestimmen; sie liegt mutmasslich zwischen 3 und 4 Jahren. Als der Pharao starb, wurde Hatschepsuts Stiefsohn und Neffe Thutmosis III. zu seinem offiziellen Nachfolger ernannt. Doch der damals zwischen zwei und acht Jahre alte Knabe war für die Regentschaft zu jung, weshalb Hatschepsut traditionsgemäss seine Aufgaben übernahm. Die Grosse Königliche Gemahlin liess sich als stellvertretende Regentin stets gemeinsam oder hinter ihrem unmündigen Stiefsohn darstellen – bis zu einem Zeitpunkt zwischen dem zweiten und siebten Jahr ihrer Amtsausübung. Da brach sie sämtliche Bräuche und erhob sich selbst «im Namen des Gottes Amun» zur Pharaonin und Herrscherin über Ober- und Unterägypten. Abbildungen aus nachfolgender Zeit zeigen sie mit den Beinamen, die Königen vorbehalten waren, sowie einem Zeremonialbart als Zeichen der Herrschaft. Ihr Stiefsohn Thutmosis III. erscheint auf den Reliefs lediglich als Mitregent. «Ich bin selbst ein Gott, der, was geschieht, bestimmt. Kein Ausspruch meines Mundes geht fehl», sollen Hatschepsuts Worte gewesen sein. Die eigene Ernennung zum Pharao, zum lebenden Gott, sowie die Verdrängung des legitimen Thronfolgers waren in der Geschichte Ägyptens einmalig.
Blütezeit des Reiches
Unter Hatschepsut erlebte Ägypten eine Blütezeit. Den Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten setzte die selbst ernannte Pharaonin auf innenpolitische Aufgaben; insbesondere auf die Errichtung und den Wiederaufbau von Tempeln. Zu ihren bedeutendsten Taten zählen eine Exkursion nach Punt (vermutlich im heutigen Somalia gelegen), die auf den Wänden ihres Tempels in West-Theben verewigt wurde sowie der Bau des bekannten Felsentempels von Deihr-el-Bahari bei Luxor. Architekt des Tempels und wichtiger Mann an der Seite der Machthaberin war Senenmut, den sie bereits zu Lebzeiten ihres Halbbruders ins Amt erhob. Er soll nicht nur Baumeister und Vermögensverwalter sowie Erzieher ihrer Tochter Neferure gewesen sein, sondern auch der heimliche Liebhaber der Pharaonin, die nach einer Amtszeit von ungefähr 20 Jahren verstarb. Konkrete Beweise dafür fehlen, genauso wie die Spekulationen, denen zufolge Thutmosis III. für den Tod seiner Stiefmutter verantwortlich sein sollte, nicht belegt werden können. Fest steht, dass der eigentliche Thronfolger, der sich zu Lebzeiten Hatschepsuts stets im Hintergrund gehalten hatte, nach ihrem Tod seine Aufgabe als Oberhaupt Ägyptens wahrnahm.
Plötzliches Verschwinden
Die Verstümmelung von Hatschepsuts Statuen, die Ausmeisselung ihrer Reliefs auf den Tempelwänden sowie die Ummauerung der von ihr errichteten Obelisken im Karnak-Tempel fanden lange nach ihrem Tode statt. Offensichtlich sollten jegliche Spuren der Pharaonin vernichtet werden. Tatsächlich haben Forscher die Existenz der Pharaonin erst im 19. Jahrhundert entdeckt. Da die Vernichtung ihrer Andenken erst in den späten Amtsjahren von Thutmosis III. stattfand, zweifeln Historiker an dessen Schuld. Nahe liegender sei die Wahrscheinlichkeit, dass späteren Thronfolgern die Erinnerung an einen grossartigen Pharao weiblichen Geschlechts missfiel.