Unser Besuch am Bodensee beginnt mit einer unerwarteten Einladung. «Man kann doch nicht an unserer Weinstube vorbeigehen, ohne ein Glas zu trinken», sagt Andreas Fritz (64) lachend und bittet uns in seine «Niederburg», eine der traditionellsten Weinstuben der Stadt mit dem Namen «Franz Fritz».
Seit über 380 Jahren wirtschaftet die Familie Fritz im Weingewerbe: als Küfer, Winzer und Weinhändler – im Originalhaus in der Niederburg, jenem Quartier zwischen Münster und Rhein, in dem das Mittelalter gestern noch lebendig war, wie es scheint. An den Häusern bröckelt der Putz, die Gassen sind verwinkelt und eng – zu eng für den Lieferverkehr, sodass sich hier keine Shoppingszene etablieren konnte. Stattdessen sind in die alten Gemäuer Geigenbauer, Buchbinder und Weinstuben eingezogen. Das Beste: Einkaufstouristen sucht man hier vergebens.
Denn die Shoppingtouren der Eidgenossen sind Fluch und Segen zugleich für die 80'000-Seelen-Stadt. Die Schweizer Shopper bringen zwar Geld, das für wichtige Infrastrukturprojekte ausgegeben werden kann, verstopfen Konstanz an Spitzentagen allerdings komplett – und übersehen bei der Jagd nach Schnäppchen das Wichtigste: Konstanz ist die schönste Stadt am Bodensee und ein Schmuckstück für Touristen.
Vielfältige Stadt
«Konstanz wurde das letzte Mal im 10. Jahrhundert durch einen Krieg zerstört», erläutert Stadtführer Daniel Gross (57), der uns seine Heimat jenseits des Einkaufszentrums Lago und des DM Drogeriemarktes zeigt. Wir entdecken eine Stadt voller Charme und hoher Lebensqualität, sitzen in gemütlichen Cafés, machen eine Bootstour in der Konstanzer Bucht, sehen moderne Kunst und das Geburtshaus von Guillaume Henri Dufour (1787–1875), der als General, Politiker und Festungsbauer in die Schweizer Geschichte eingegangen ist. Und immer wieder führt unser Weg vorbei an Klöstern, Kirchen und Kapellen (Konstanz ist insbesondere für Geschichts- und Kulturinteressierte interessant).
Über 1300 Jahre gehörten zum Bistum Konstanz grosse Teile Süddeutschlands und der Schweiz (im 15. Jahrhundert wurde beim Konstanzer Konzil gar ein Papst gewählt). Klar, dass sich die Stadt mit Prachtbauten geschmückt hat. Viele der kirchlichen Gebäude werden heute freilich anderweitig genutzt, in manchen Gemäuern lebt die Tradition des Mittelalters allerdings noch fort, wie beispielsweise in der Spitalkellerei in der Niederburg, in deren mittelalterlichem Keller seit 800 Jahren Wein gekeltert wird.
Keine Einkaufstüten, dafür Erinnerungen
«Man kann nicht in die Spitalkellerei kommen, ohne unsere Weine zu probieren», begrüsst uns Winzer Hubert Böttcher (54). Badische Gastfreundschaft. Und so nippen wir an lokalem Müller-Thurgau, Weissburgunder, Gutedel und dem vollmundigen Spätburgunder.
Wohlig berauscht sitzen wir zum Abschluss des Tages am Bodenseeufer, Boote wippen auf den Wellen, in der Ferne hat sich der Alpstein in ein goldenes Kleid gehüllt. Diesmal schleppen wir keine Einkaufssäckli mit uns herum, sondern nehmen Erinnerungen mit nach Hause. Auch schön.
Sehenswertes und Highlieghts in Konstanz
Münster: Das Münster «Unserer Lieben Frau» zeigt einen Querschnitt der Architektur von der Romanik bis hin zum Barock. Eindrücklich ist die Krypta aus dem 10. Jahrhundert, in der vier vergoldete Kupferscheiben aus dem Mittelalter zu sehen sind.
Städtische Wessenberg-Galerie: Am Münsterplatz befindet sich das wichtigste Kunstmuseum der Stadt, die Wessenberg-Galerie. Sie ist spezialisiert auf die Kunst des Bodenseeraums aus dem 19. und 20. Jahrhundert.
Rathaus: Das Rathaus in der Kanzleistrasse übersieht man leicht. Reingehen lohnt sich: Das Gebäude stammt aus dem 16. Jahrhundert und besitzt einen imposanten Innenhof.
Rosgartenmuseum: Im ehemaligen Zunfthaus der Metzger «Haus zum Rosgarten» befindet sich das Museum zur Stadtgeschichte und Kultur des Bodenseeraums. Die Exponate reichen bis zur Steinzeit zurück. Highlight ist die illustrierte Chronik des Konstanzer Konzils von Ulrich von Richental aus dem Jahr 1465. Kurios ist der «Historische Saal», der die originale Ausstattung aus dem 19. Jh. enthält.
Erleben
Rundfahrt in der Konstanzer Bucht: Am schönsten sieht Konstanz aus, wenn man es vom Bodensee aus betrachtet. Wer nur eine kurze Spritztour auf dem Wasser machen möchte, kann mit der «Möwe» für 45 Minuten durch die Bucht kreuzen. Informationen gibt es hier.
Velotour zu unbekannten Orten: Konstanz bietet sich auch als Basislager zur Erkundung der Region an. Der Veloverleih Kultur Rädle (direkt am Bahnhof) bietet geführte Touren zu unbekannten Highlights und ungewöhnlichen Themen in der Region an.
Eine Stadtführung mitmachen: Besonders wenn man schon öfters in Konstanz war, bietet sich eine geführte Tour an, um die Stadt mit neuen Augen zu sehen. Angeboten werden viele unterschiedliche Führungen (teilweise auch in historischen Kostümen).
Geniessen
Seerestaurant Riva: Mit dem Blick über den See speist man im Restaurant des Hotels Riva vorzüglich (z. B. feine Bodenseefelchen auf Spinat). Wer es noch einen Tick edler mag, besucht abends das Restaurant Ophelia im gleichen Haus, das zwei Michelin-Sterne trägt. Adresse: Seestrasse 25.
Eugens Bio Restaurant: Vor cirac 10 Jahren hat Eugen Bücheler sein Bio-Restaurant gegründet. Mittlerweile ist noch eine Bäckerei dazugekommen. Alle Produkte sind biologisch und nachhaltig. Adresse: Münzgasse/Ecke Brotlaube; Informationen gibt es hier.
Gasthaus Wallgut: Etwas ausserhalb der Altstadt befindet sich das Gasthaus Wallgut, in dem man gutbürgerliche Küche aus Baden serviert. Wer den Geschmack der Region kosten will, ist hier genau richtig. Adresse: Schottenstrasse 33
Praktische Informationen
Hinkommen: Gerade samstags wird es in Konstanz sehr voll, daher lohnt sich eine Anreise mit dem Zug. Wer mit dem Auto kommt, sollte die Innenstadt meiden und beispielsweise am Bondenseeforum parkieren. Von dort pendelt der Wasserbus über den Rhein zur Altstadt.
Übernachten: Die beste Adresse am Platz ist das Steigenberger Inselhotel, das in einem ehemaligen Dominikanerkloster direkt am See untergebracht ist, historischer Kreuzgang inklusive. Vom Restaurant und dem neuen Biergarten hat man einen schönen Blick über den See. DZ ab etwa 300 Euro (Superior Zimmer).