Um Verfallsdaten bei Lebensmitteln habe ich mich nie gekümmert. Auf Schimmel achten, Geruchstest machen und gut ists, hat mir die Oma beigebracht. Aber bei einem Lebensmittel, das ohne desinfizierenden Alkohol 25 Jahre und mehr auf dem Buckel hat, da werde auch ich vorsichtig – und nach den ersten Tropfen zum glühenden Verehrer.
Ein Balsamico wie kein anderer
Im Weingut Tenuta Medici Ermete, in einer warmen Kammer im Dachgeschoss, dreht Hausherrin Alessandra Medici den Verschluss eines Mini-Fasses auf und lässt eine braune Flüssigkeit auf einen Keramiklöffel tropfen, der an Waldhonig erinnert. «Probier das.» In meinem Mund explodiert eine Mischung aus zarter Säure und fruchtiger Süsse, eine unerwartete Genussbombe. Alessandra grinst. «Gell, das macht gute Laune?» Stimmt!
Diese Glückshormone in Flüssigform sind das Familienhobby der Medicis und eines der grössten Entdeckungen unserer Tour durch die Region in Norditalien: der Essig Balsamico Tradizionale, der mindestens zwölf Jahre in verschiedenen Holzfässern reifen muss. Alessandra Medicis Goldprodukt ist 25 Jahre alt (also fast mein halbes Leben) und das teuerste Lebensmittel, das ich je gekauft habe. 100 Milliliter kosten etwa 90 Euro. «Einen Balsamico Tradizionale nimmt man nicht für das Salatdressing», erläutert Alessandra Medici. «Man gibt nur wenige Tropfen auf Parmesankäse oder Erdbeeren.» Wir probierens: ein himmlischer Genuss.
Schmeckt nicht nur, sieht auch toll aus
Die Region Emilia östlich des Appennin und südlich des Po mit den Städten Piacenza, Parma und Reggio Emilia hat sich den PR-Begriff «Food Valley» gegeben, das Tal des Genusses (wenn man das Englische frei übersetzt). Passt: In einem Gebiet etwa so gross wie Graubünden entstehen so viele regional geschützte Produkte wie kaum sonst in Italien: Parmigiano Reggiano, Prosciutto di Parma, Balsamico Tradizionale, der sprudelnde Lambrusco und vieles mehr.
Obwohl wir schon seit Kindesbeinen Parmesan über die Pasta raspeln, ist die Gegend für uns noch ein Geheimtipp. Das, was wir auf unserer Stippvisite entdecken, haut uns um, und wir fragen uns, warum wir nicht früher hergekommen sind?
Der Landstrich ist ein Italien wie aus dem Bilderbuch: An den Ausläufern des Appennin schmiegen sich Weinhänge an die sanften Hügel, dazwischen verteilen sich mittelalterliche Dörfer, in denen kleine Schlösschen thronen. Auf den Piazze tafelt man stundenlang, und das sagenumwobene Dolce Vita gibts gratis überall dazu.
Abseits des Massentourismus
Das Gute: Das alles ist keine Show für Touristen, wie man es aus der Toskana oder den Cinque Terre kennt. Hier sind Traveller in der Unterzahl. Und diejenigen, die vorbeikommen, so wie wir, sind auf der Suche nach Gaumenfreuden. Wir schlemmen in der Taverna del Castello im Örtchen Torrechiara Pancetta, machen einen Tortellini-Kochkurs bei der Foodbloggerin Ilaria Bertinelli in Parma und erkunden die Geheimnisse des Parmigiano Reggiano und des luftgetrockneten Parmaschinkens.
Für Letzteren braucht es Keulen von zwei erlesenen Schweinerassen aus zehn vorgeschriebenen Regionen, viel Salz und den richtigen Windhauch, der ausschliesslich in einer kleinen Region um die Stadt Langhirano am Ausläufer des Appennin weht – nur was von dort kommt, darf sich Prosciutto di Parma, Parmaschinken, nennen.
«Hier in unseren Hängen befinden wir uns an einem Korridor, der Luft vom Meer herüberspült», so Daniela Conti von der Salumificio Conti. «Das sorgt für die ideale Temperatur und Feuchtigkeit für den Parmaschinken.» Sie schneidet von einer Keule geschickt nanometerdünne Scheiben ab, die auf unserer Zunge in einem leichten Hauch von Salz zerschmelzen. «Für die besten Produkte braucht es nur wenige Zutaten, Erfahrung und eben Zeit», so die Lebensmittelexpertin. Der Schinken, der uns so in Entzücken versetzt, hing zwei Jahre lang in der parmesischen Bergluft, und Alessandra Medicis Balsamico stammt aus dem Jahr 1998. Ich glaube, wir sollten dem PR-Team der Region einen neuen Slogan vorschlagen: «Das Tal der Geruhsamkeit».
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