Ein Raum, in dem sich Menschen schwitzend zu lauter Musik im Takt bewegen, sich von Strobo-Gewittern blenden lassen und womöglich auch noch glauben, dabei die Liebe des Lebens zu finden. Nüchtern betrachtet kein Traumszenario. Doch jeder, der sich schon einmal im richtigen Moment auf dem richtigen Dancefloor im richtigen Club vorfand, weiss: Besser als hier lässt sich der Alltag nicht vergessen.
Ein Ort für neues
«Night Fever. Design und Clubkultur 1960 – heute» ist die erste umfassende Ausstellung zur Kulturgeschichte eines Orts, an dem Grafikdesign, Architektur, Inneneinrichtung und modische Experimente zu einem Gesamtkunstwerk zusammenfliessen. Ein Ort, der Menschen aus allen Schichten für eine Nacht zusammenführt.
Anhand von Modellen, Fotografien, Installationen und Filmdokumenten spannt das Vitra Design Museum in Weil am Rhein (D) bei Basel einen Bogen von den Sechzigern, als in New York die ersten tanzenden Subkulturen entstanden, bis in die Gegenwart, in der die Partygänger ihre Reviere an die Gentrifizierung verlieren. Wir zeigen auf diesen Seiten Clubs, die in der Ausstellung vertreten sind, und erklären, wie sie die Kulturgeschichte prägten.
The Palladium, New York, 1985–1997
In einem ehemaligen Kinopalast in Manhattan eröffnete Mitte der 80er das Palladium. Seine Betreiber, Ian Schrager und Steve Rubell, hatten bereits den Club Studio 54 gross gemacht und sassen danach wegen Steuerhinterziehung im Gefängnis. Nach ihrer Freilassung engagierten sie den japanischen Architekten Arata Isozaki, der in die Gemäuer des Palladiums eine multimediale Welt hineinbauen liess. Über der Tanzfläche hingen zwei Blöcke aus je 25 Fernsehern, auf die ein einziges Bild projiziert wurde – eine Sensation. Dazwischen ein riesiges Foto des Künstlers Keith Haring. Sein Kollege Jean-Michel Basquiat gestaltete eine der vielen Bars. Das Palladium gilt als Paradebeispiel des Clubs als Ort der visuellen Reizüberflutung.
Area, New York, 1983–1987
Das Area war mehr Museum als Club, wie einer der damaligen DJs sagte. Alle sechs Wochen liess es Art Director Serge Becker, ein gebürtiger Schweizer, neu einrichten. Prominente wie Discoqueen Grace Jones (Bild) wurden Teil von Kunstinstallationen zu Mottos wie «Confinement» (Einkerkerung). Die Ausstellung «Night Fever» zeigt Einladungen zu Partys im Area, sogenannte Flyer. Darunter eine blaue Pille, die in Wasser aufgelöst ein Stück Papier freigab, auf dem das Programm stand. Das Area war der erste Club, in dem die Einrichtung wichtiger war als das Tanzen.
Electric Circus, New York, 1967–1971
Als Vorläufer des modernen Nightclubs brachte der Electric Circus im East Village die Avantgardhaltung der Sixtiesgeneration auf den Punkt. Das Innendesign war psychedelisch, die Plakate (Bild) sorgten beim Betrachter für verzerrte Wahrnehmung. Vor 1967 hiess der Club DOM und gehörte Andy Warhol, der dort multimediale Performances mit der Band Velvet Underground inszenierte. 1970 explodierte im Electric Circus eine kleine Bombe und verletzte 15 Menschen. Angeblich hatten sie Anhänger der Black Panther gelegt.
Haçienda, Manchester (GB), 1982–1997
Der Club ist Geburtsort der britischen Rave-Kultur und erster Ort in Europa, an dem DJs zunächst House und später die giftiger klingende Variante Acid-House auflegten. In einem ehemaligen Ausstellungsraum für Yachten setzte Designer Peter Saville auf eine postindustrielle Hightech-Architektur, die an ein Lagerhaus erinnerte und sich an den Albumcovern von New Order orientierte. Die Band besass den Club mit ihrem Plattenlabel. Es brauchte ein paar Jahre, bis sich das Publikum an das Design gewöhnte, ab Ende der 80er war die Haçienda das Symbol für den Club als Ort des Exzesses, wie ihn die Briten lieben. Bezeichnenderweise musste er schliessen, weil um ihn zwischen Mafiabanden ein brutaler Drogenkrieg ausbrach.
Tresor, Berlin, 1991–2005
Ohne den Tresor der 90er-Jahre wäre Berlin heute nicht das Mekka des Club-Tourismus. Im ehemaligen Tresorraum eines Kaufhauses spielten DJs aus Chicago und Detroit nach der Wende erstmals ausserhalb der USA eine härtere Tanzmusik: Techno. Die deutsche Hauptstadt bedient bis heute ein Partypublikum, das sich nicht um Glamour schert. Im Zentrum steht die Qualität der Musik und der Anlage, über die sie läuft.
Flash Back, Borgo San Dalmazzo (I), 1973
In den späten 60er- und frühen 70er-Jahren machten Architekten der italienischen Radical-Design-Bewegung ihre Heimat zu einer Hochburg der stilvollen Clubs. Das Flash Back im Piemont war in den unteren zwei Stockwerken eines Ausstellungsgebäudes für Keramikplatten untergebracht. Über einer beleuchteten Tanzfläche thronte ein Labyrinth aus rot gefärbten Treppen und Säulen. Verantwortlich fürs Design war die Gruppe Studio 65, am besten bekannt durch ein rotes Sofa in Form einer weiblichen Lippe, das sie entworfen hat.
Studio 54, New York, 1977–1980
Der Club an der 54. Strasse von Manhattan ist der bekannteste der Geschichte. Das liegt vor allem daran, dass keiner besser dokumentiert ist. Im Studio wimmelte es von Fotografen, die den Celebritys auf Schritt und Tritt folgten und den Tempel des Exzesses zum Zeitungsthema machten. Der Club war stilbildend für die Discomusik, die Menschen aller Hautfarben und sexuellen Orientierungen auf der Tanzfläche vereinte, gilt aber auch als Vorbild des Promiclubs, in dem sich Normalsterbliche eine Nacht im Licht der Stars sonnen dürfen.
«Night Fever. Design und Clubkultur 1960 – heute», 17. März – 9. September, Vitra Design Museum, Weil am Rhein (D)