Unser Mann auf der Hörnlihütte berichtet vom Berg
Das Leben? Hier oben ist es crazy!

Das Leben am Fusse des Matterhorns ist verrückt: Wie geht man mit Gästen um, die man nicht versteht? Mit Freundlichkeit, Geduld und Geradlinigkeit – Eigenschaften des langjährigen Hüttenwarts Kurt Lauber.
Publiziert: 22.07.2015 um 15:28 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 02:23 Uhr
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Kurt Lauber und Partnerin Stephanie Mayor beitreiben die Hörnlihütte.
Foto: Christian Bauer
Von Christian Bauer

Das Matterhorn trotz schon seit etwa 30 Millionen Jahren den unberechenbaren Wettergewalten. Zeit, so könnte man meinen, spielt hier keine Rolle. Das gilt allerdings nur für Steine, fürs Duschen gilt das nicht. 2,5 Minuten hat man in der Hörnlihütte für eine gründliche Wäsche von Kopf bis Fuss und alles, was sich dazwischen tummelt. Ziemlich knapp bemessen.

«Du hast ja keine Haare mehr, das reicht dann schon», neckt mich die herzig-freche Mitarbeiterin, die sich einen Scherz daraus macht, mir ihren Namen zu verschweigen. Recht hat sie! Da könnte ja jeder kommen. (Übrigens: Die Mädels haben verraten, dass sie selbst mindestens zwei Duscheinheiten verbrauchen. Frechheit!)

Trotz Highspeed-Duschen ist die Hörnlihütte eine Luxus-Herberge. Pünktlich zum Matterhornjubiläum hat das Haus, das es schon seit 1911 gibt, ein Facelifting bekommen. Mit einem neuen Anbau, in dem sich ein Speisesaal mit gigantischem Ausblick befindet, fühlt man sich hier wie in einem Hotel. Zehn Mitarbeiter halten den Betrieb aufrecht und kümmern sich hilfsbereit und äusserst freundlich um die internationalen Gäste - auch wenn das nicht immer leicht ist.

Mitarbeiterin Sarah beispielsweise hört mit asiatischer Gelassenheit einem Japaner zu, der in einem abenteuerlichen Mix aus Japanisch und einigen englischen Wörtern Folgendes erzählt: «Hei konhu tschi Toilet wah nei ka zi Water!» So geht das eine viertel Stunde lang. Niemand versteht ihn. Zufrieden bedankt er sich fürs Zuhören und geht seiner Wege (interessanterweise sorgen die zurückhaltenden Japaner immer für die lustigsten Erlebnisse). Total crazy, das Ganze!

Herr der Hörnlihütte ist Kurt Lauber (53), der seit 20 Jahren als Hüttenwart am Fusse des Matterhorns ausharrt. Gerade als ich ihn zu einem Gespräch treffen möchte, trudelt ein Hubschrauber ein. «Ich muss kurz weg», ruft er mir zu. «Wir müssen an den Fixseilen ein paar Instandsetzungsarbeiten machen, damit morgen wieder alle sicher nach oben kommen.» Und schon schwebt er davon Richtung Matterhorn.

Das Leben hier oben auf 3000 Metern ist crazy! Hubschrauber als Postboten, Hüttenwarte als Allrounder und ein Berg, den das alles nicht kratzt.

Zu einem Gespräch ist es dann doch noch gekommen. Spät am Abend, als die Bergsteiger schon in den Federn lagen.

Eben haben Sie die Fixseile gewartet, und nun kümmern Sie sich wieder um einen reibungslosen Ablauf auf der Hütte. Wie verbinden Sie diese unterschiedlichen Tätigkeiten?
Kurt Lauber: Bis vor drei Jahren habe ich auch als Bergretter gearbeitet. Bei den Einsätzen wurde ich vom Helikopter von der Hörnlihütte abgeholt. Da lernt man, die verschiedenen Tätigkeiten zu trennen und abzuschliessen - sonst kann man keine Menschen retten und eine halbe Stunde später den Gästen das Abendessen servieren.

Das Matterhorn feiert seinen 150. Geburtstag. Dafür wurde die Hörnlihütte komplett umgebaut. Wie ist dieses Jahr für Sie?
Mein Bestreben, eine neue Hütte zu bauen, ist schon 15 Jahre alt. Das Jubiläum war für mich deshalb wichtig, weil dadurch das Projekt Wirklichkeit wurde. Nach 20 Jahren als Hüttenwart ist das ein Neubeginn. Alles hat sich geändert – nur das Matterhorn ist geblieben. Das macht es wieder spannend.

Das klingt, als seien Sie nach so vielen Jahren schon «hüttenmüde» gewesen.
Nicht unbedingt. Aber ich habe gerne eine Aufgabe, die mich fordert. Die letzten Jahre hier oben verliefen reibungslos. Nun ist es interessanter.

Wie wäre denn die Stellenbeschreibung des Hüttenwarts?
Man muss flexibel sein und mit den unterschiedlichsten Situationen umgehen können. Besonders wichtig ist die Logistik. Im Tal kann man in fünf Minuten neues Brot kaufen. Wenn hier oben etwas ausgeht, haben wir ein Problem. Übrigens: Ich habe den Stellenbeschrieb nie gelesen. (Lacht)

Die Saison dauert drei Monate. Eine lange Zeit.
Stimmt. Es gibt hier nichts Grünes, es ist eine schwarz-weisse Welt. Man lebt hier wie auf einer Insel, ist isoliert. Das Leben ist in dieser Höhe sehr monoton. Und deshalb ist es schon gut, wenn man nach den drei Monaten wieder runter kommt.

Muss man auf der Hörnlihütte besondere innere Stärke beweisen?
Entscheidend für die Arbeit hier ist ein gutes Team. Zudem ist es wichtig, dass man konsequent ist. Es sind zu viele Leute, zu viele Meinungen, zu viele Ansprüche, zu viele Nationalitäten. Wenn man da nicht geradlinig ist, geht man unter.

Das Matterhorn ist wahrlich ein spezieller Berg. Auch für Sie?
Die Form ist natürlich wunderschön! Aber die Faszination für das Matterhorn beginnt für mich schon bei der Geschichte, die ja sehr dramatisch war. Zudem habe ich als ehemaliger Bergführer einen sehr engen Bezug zum Matterhorn, eine enge Beziehung. Man ist eine Familie.

Was war denn ein besonders schönes Erlebnis am Matterhorn?
Eines von den schönsten Erlebnissen war die Besteigung mit unserem achtjährigen Sohn. Mit Abstand der Jüngste, der auf dem Gipfel stand war. Das war ein ganz spezieller Moment. Meine Frau, mein Sohn und ich. Das vergesse ich nie.

Heute sind sehr viele Menschen auf das Matterhorn gestiegen. Sind das nicht zu viele?
An allen bekannten Bergen und schönen Orten gibt es viele Menschen - vielleicht zu viele. Damit es für die Besucher ein schönes Erlebnis bleibt, braucht es Regeln. Wir haben darauf reagiert, indem die neue Hütte nun weniger Plätze hat. Heute gibt es 130 Plätze im Gegensatz zu 170. Zudem haben wir das wilde Campieren verboten, was die Anzahl zusätzlich verringert und die Natur schont.

Ich finde das Leben hier auf der Hütte toll. Könnte ich auch mal eine Saison mitarbeiten?
Viele Menschen haben eine sehr romantische Vorstellung von dem Leben hier. Sie haben ja nur einen kurzen Einblick bekommen. Die Realität ist harte Arbeit. Es ist hier eine andere Welt - ich würde mir das noch sehr gut überlegen!

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