Bellinzona ist die Fasnachtshochburg des Tessins. Die Fasnacht heisst hier «Rabadan» und ist nach Basel die zweitgrösste Fasnacht der Schweiz: Am Karneval feiern über 150’000 Menschen, Einheimische wie Touristen, zusammen mit buntem Treiben auf den Strassen.
Was bedeutet «Rabadan»?
Das Wort «Rabadan» entstamme dem Mailänder Dialekt und bedeute so viel wie «Rummel», «Getöse» oder «Verwirrung», sagte eine Mitarbeiterin des Tessiner Zentrums für Dialektforschung und Ethnografie auf Anfrage.
Das Programm
Anführer des Rabadans ist der König, der jedes Jahr von der örtlichen Karnevalsgesellschaft neu gewählt wird. Am "Schmutzigen Donnerstag" wird dem König Rabadan vom Stadtpräsidenten von Bellinzona der Schlüssel zu den Stadttoren überreicht. Damit haben die Narren sechs Tage lang das Sagen.
Nach dem Kinderumzug am Freitag finden am Samstag Konzerte von verschiedenen Guggenmusiken aus der Umgebung statt. Am Sonntag ist der grosse Umzug, der sogenannte "Corteo", mit vielen bunten Wagen, Gruppen und Guggenmusiken. Weitere Bestandteile des Rabadans sind Strassentheater, Turniere und Maskenwettbewerbe. In den zahlreichen Festzelten und Kneipen trifft sich die Bevölkerung zum Essen, Trinken und Feiern bis spät in die Nacht.
Die Fasnacht-Tradition in Tessin
«Rabadan» ist die grösste Tessiner Fasnachtsveranstaltung. Doch die Tessiner Fasnacht beschränkt sich keineswegs nur auf Bellinzona. Neben grösser angelegten Anlässen, die in den Zentren organisiert werden, zählt der Kanton insgesamt auch über 130 lokale Fasnachtsveranstaltungen, in denen die gängigen gesellschaftlichen Verhältnisse für sechs Tage ausser Kraft gesetzt werden.
In Bellinzona regiert dann Re Rabadan, Biasca steht unter dem Zepter von Re Naregna (König Lachanfall), und das ehemalige Fischerdorf Muralto unter Re Sbotapiss (König Fischschlitzer). Auch manche Orte wechseln den Namen, indem sie zu einer typischen Eigenschaft das Anhängsel «-poli» fügen.
Chiasso, dessen fasnächtliche Staatsform nicht monarchisch, sondern republikanisch ist und von einem Premierminister regiert wird, heisst Repubblica di Nebiópoli, da sie oft dem Nebel aus der Po-Ebene ausgesetzt ist.
Ausserdem durchzieht in der Fasnachtszeit wieder eine alte, seit 1888 abgeschaffte, Grenze den Kanton, jene zwischen den Bistümern Como und Mailand. In Orten wie Lugano oder Regionen wie dem Mendrisiotto, die einst zu Como gehörten, endet der Karneval nach dem römischen Kirchenkalender mit dem Aschermittwoch. Doch nach dem ambrosianischen Kalender, den die früher zu Mailand gehörenden Gemeinden wie Tesserete, Biasca oder Brissago befolgen, geht er weiter und dauert bis zum folgenden Wochenende.
Die Geschichte der Fasnachtszeit in Tessin
Der Legende nach ist im 4. Jahrhundert der aufmüpfige Bischof von Mailand, der heiliggesprochene Jurist und Politiker Ambrosius, verspätet von einer Pilgerreise zurückgekehrt und hat deshalb die Fastenzeit um vier Tage verschoben. Der Karneval verschiebt sich damit ebenfalls auf den Samstag nach Aschermittwoch, den «sabato grasso» - «Fetter Samstag».
Daraus ergibt sich eine rege fastnächtliche Migrationsbewegung. Zuerst ziehen die Narren aus den ambrosianischen Dörfern zu ihren Nachbarn, die den römischen Kalender befolgen, dann kehrt sich der Strom um, und aus den Gemeinden, in denen die Fastenzeit schon begonnen hat, ergiessen sich die Fasnächtler in die ambrosianischen Dörfer, um beim zweiten Karneval ein paar Tage weiterzufeiern.