Wie ein magischer, azurblauer Pool ruht das Meer unter der meterhohen schwarzen Decke vulkanischen Gesteins. Licht fällt durch eine runde Öffnung wie durch ein Fenster von oben in die Grotte. Betörend schön und verführerisch ist die Cueva del Tancón. Ein beliebtes Fotomotiv in den sozialen Netzwerken. Doch wer hier schwimmt, riskiert sein Leben. Seit 2018 ertranken vier Menschen in der Meereshöhle. Am Freitagabend kamen zwei neue Opfer hinzu.
Obwohl fünf aufgestellte Tafeln das Baden verbieten, verfallen immer wieder Touristen und Einheimische dem Zauber der kanarischen Cueva. Auch Jasmine Ben Ali (†33) kann nicht widerstehen. Die Tessiner Lega-Politikerin ist kurz zuvor auf Teneriffa gelandet. Sie will ihre Ferien bei einer Landsmännin verbringen, die auf den Kanaren wohnt. Jasmine Ben Ali trifft sich mit zwei Spaniern und einem Italiener (†27) zum Baden. Die Gruppe steigt am späten Freitagnachmittag in die Meereshöhle ab. Was sie nicht merken: Das Meer draussen wird plötzlich rau. Die Falle schnappt zu.
Plötzlich füllt sich die Grotte mit Wasser und Gischt
Mehrere Wellen stossen in kurzen Abständen in die Grotte, wie spanische Medien später berichten. Die Kammer füllt sich blitzschnell. Wasser und Gischt spülen die Badenden nach oben. Dann werden sie wieder in die Tiefe gesogen und erneut gegen die scharfkantigen Vulkanwände geschleudert. Zeugen sagen, dass einige der Opfer mit ihren Köpfen gegen die Decke schlugen.
Der Notruf geht ein. Es ist 19.26 Uhr, als die Rettungsmannschaften eintreffen. Die zwei Spanier sind leicht verletzt, können sich in Sicherheit bringen. Jasmine Ben Ali aber ist regungslos. Schnell ziehen die Helfer die Tessinerin aus der Grotte. Sie hat Wasser in den Lungen. Ihr Herz schlägt nicht mehr. Die Ärzte im Universitätsspital Nuestra Señora de La Candelaria versuchen, Ben Ali zu reanimieren. Vergebens. Später wird auch der Leichnam des Italieners geborgen.
«Ciao Jasmine, du wirst uns fehlen»
Die Hiobsbotschaft vom Tod der Lega-Frau erreicht das politische Tessin. Noch im März 2020 kandidierte Jasmine Ben Ali für den Stadtrat von Bellinzona TI. Die gelernte Architektin arbeitete für den Kanton, unter anderem in der Abteilung für Bevölkerungsschutz. Sie gehörte zum Direktionsrat der Museen Bellinzonas und stand der Vereinigung der Heimpflege vor.
«Ciao Jasmine, du wirst uns fehlen», schreibt die Lega dei Ticinesi. Man werde «ihr Lächeln, ihren Elan und ihre Originalität» vermissen. Grausam nennt Norman Gobbi (44) das Schicksal. «Das Meer hat dich aus deinem Leben gerissen, das aus Leidenschaft und Einsatz für verschiedene Institutionen bestand», schreibt der Tessiner Regierungspräsident und Lega-Chef.