Rasa ist kein Tourismusmagnet, der laut und bunt die Aufmerksamkeit seiner Besucher einfordert. Im Gegenteil, in Rasa wird man gezwungen, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Die Stille hier oben, die nur von einem klopfenden Specht und dem leisen Quietschen der Centovallibahn unterbrochen wird, wirkt geradezu aufdringlich, wenn man aus dem lebhaften Locarno hierher kommt. Ins autofreie Dorf auf 900 m ü. M. führt die Seilbahn von der Haltestelle der Centovallina in Verdasio. Nach Verdasio gelangt man mit der beige-blauen Panoramabahn aus Locarno, die durch das Centovalli, das Tal der hundert Täler, vorbei an rauschenden Wasserfällen und steilen Bergflanken und durch zahlreiche Tunnels führt.
Lieblicher Dorfkern vor dramatischer Bergkulisse
Das Dorf Rasa mit seinen gepflegten Gemüse- und Blumengärten wirkt lieblich – im Kontrast zu der zerklüfteten Gebirgswelt am Horizont, die vom 2188 Meter hohen Ghiridone, dem höchsten Gipfel am Ufer des Lago Maggiore, dominiert wird. Die Bergterrasse wurde 1700 erstmals besiedelt. Die Bewohner stammten aus dem tiefer gelegenen Dorf Terra Vecchia und hatten ein hartes Leben. Die verlassene Siedlung bei Bordei wird seit den Siebzigern von einer Stiftung wiederaufgebaut. Unter anderem im Rahmen von Sozialprojekten und der Suchthilfe. Wer eine Ahnung von den Mühen, aber auch von der Schönheit, die das Leben in der Bergwelt der Centovalli bereitet hat, bekommen will, sollte wandern. Zum Beispiel über Terra Vecchia und Bordei bis nach Palagnedra.
Hier ist nicht nur der Weg das Ziel
Die meisten Wanderführer behaupten, dass der Weg das Ziel ist. Das ist sicherlich auch bei einer Wanderung von Rasa nach Palagnedra der Fall. Aber hier ist eben auch das Ziel das Ziel. Denn das Dorf ist reich an rustikaler und herrschaftlicher Architektur und künstlerischen Malereien. Im Chor der antiken Kirche des Heiligen Michael findet man einen bemerkenswerten Freskenzyklus des Antonio da Tradate aus dem 15. Jahrhundert, und der smaragdgrüne Stausee ist ein fantastisches Foto-Sujet. Von Rasa führt der gut ausgeschilderte und häufig begangene Weg nach Terra Vecchia hinab, dann wieder hinauf nach Bordei und schliesslich hinab nach Palagnedra, wo auch die Centovalli-Bahn wieder fährt. Für die ganze Strecke im Gebiet des Nationalparkprojekts des Locarnese müssen etwa vier Stunden Gehzeit veranschlagt werden.