Zu Besuch in...
Gossau - auch eine Stadt

Die Touristen lassen Gossau SG links liegen. Grund genug für uns, mal vorbeizuschauen. Der Auftakt unserer neuen Serie «Zu Besuch in…». Eine Entdeckungsreise mit einem Augenzwinkern.
Publiziert: 19.03.2018 um 13:37 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 19:40 Uhr
Eine Stadt hat auch ein Stadtzentrum: Die Häuserfront mit typischen Ostschweizer Fassaden an der St. Gallerstrasse. In unserem Rücken befindet sich die katholische Kirche von Gossau SG.
Foto: zVg
Christian Bauer

Gossau ist auch eine Stadt. Das verkündet stolz der Gemeindeslogan. Sie besitzt einen Bahnhof und zwei Kirchen. Und sonst nicht viel. Genau deswegen sind wir hier. Gossau SG ist eine jener Städte, an denen Touristen auf den Weg zu bekannteren Sehenswürdigkeiten vorbeirauschen. Doch siehe da: Hier gibt es trotzdem Überraschendes zu entdecken – wenn man sich auf das Unscheinbare einlässt. Gossau versteckt nämlich seine Schätze in schmucklosen Verpackungen. Und zwischen den Gleisen der Intercity-Züge. Dort steht ein altersschwacher Schuppen, in dem sich das herzigste Radiomuseum der Schweiz befindet.

Radiofan Heinrich Menzi (66) hat in dem Mini-Raum bis unter die Decke Radios aus den letzten hundert Jahren gestapelt: Kofferradios, Röhrenradios, Radio- und Fernseh-Kombinationen. Und gebe es da nicht Menzis Frau Doris, das Chaoswäre kaum auszuhalten. Sie schaut, dass der passionierte Pensionär nicht zu viele Radios aufstellt: 100 Stück musste er schon weggeben. Eine besondere Rarität ist ein amerikanischer «Wire Recorder», der Musik auf Draht speichert. Während draussen die Züge rumpeln, scheppert drinnen Jazz aus einem 60 Jahre alten Kasten. Das ist einmalig.

Heinrich Menzi vor seinen geliebten Radios.
Foto: Christian Bauer

Die grösste private Motorradsammlung der Schweiz

Einmalig ist auch das Motorradmuseum von Joe Hilti (62). In einem unscheinbaren Bauernhaus wartet die grösste private Motorradsammlung der Schweiz auf Besucher. Woher sollen sie auch kommen, wenn hier jegliches Hinweisschild fehlt? Der Töff-Liebhaber stellt etwa 140 Maschinen aller Motorrad-Couleur aus. Besonders irrwitzig: ein Wehrmachts-Töff vom berühmten Afrikafeldzug im Zweiten Weltkrieg.

Joe Hilti besitzt die grösste private Motorradsammlung der Schweiz
Foto: Christian Bauer

Wir erobern Gossau allerdings zu Fuss. Durchhalten heisst hier die Devise: Langweilige Zweckbauten säumen dieweil den Weg. Doch es wird besser, je näher wir dem Zentrum kommen. Hie und da tauchen alte Villen auf, die von vergangener Glorie künden. Dazu zählt auch die einst grösste Bettenfabrik der Region, ein Backsteinbau, der aussieht wie ein Schlösschen. Die happy AG produzierte hier einst Matratzen. Happy sind die Gossauer seit ein paar Jahren über das Restaurant in der ehemaligen Fabrikhalle, das mit seinem Industrie-Chic einen Hauch «Weite Welt» vermittelt. Ein Stopp lohnt sich! Internationalen Glanz – etwa eine Medaille von den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro – bringt auch die berühmteste Gossauerin in die Ostschweizer Provinz: die Turnerin Giulia Steingruber. Nach Bronze in Brasilien träumt man hier nun von noch grösseren Erfolgen in Tokio 2020. Dann soll Gossau an die Weltspitze «gumpen».

Die bekannteste Gossauerin ist unser Turn-Star Giulia Steingruber, hier mit ihrer Olympia-Bronzemedaille aus Rio.
Foto: Keystone

Gossau mit Schwebebahn?

Träume von einer glorreichen Zukunft hatte man hier allerdings schon früher. Im kleinen Buchladen «Gutenberg» werden derzeit alte Fotografien ausgestellt. Auf einer vergilbten Postkarte ist zu lesen: «Gossau in der Zukunft»; darauf zu sehen ist eine Schwebebahn, die über den alten Bauernhäusern thront. Eine Schwebebahn ist nie nach Gossau gekommen – dafür viele Punkte. Vor einigen Jahren wollte man das Stadtbild aufhübschen und hat den zentralen Kreisel und die Durchfahrtsstrasse mit farbigen Punkten bemalt. Die Idee hinter dem Design erschliesst sich nicht wirklich. Egal! Denn just dort punktet Gossau mit schönen Riegelhäusern aus dem 18. Jahrhundert. Und da man hier nicht an jeder Ecke mit Eye-Catchern bombardiert wird, bleibt das Auge an Details hängen: an den Blumengemälden auf der Fassade, an den Dachformen und den Jahreszahlen. 1731 ist am Weibelhaus zu lesen, in dem historische Malereien entdeckt wurden.

Die Gossauer sind freundliche Menschen. Gross ist die Freude, wenn man sich als Tourist zu erkennen gibt – und noch grösser die Augen, wenn man nach den Sehenswürdigkeiten fragt. «Ja also. Wir haben den Walter Zoo. Und eine Kirche haben wir auch.» Genau genommen sind es zwei historische: eine zu gross geratene katholische und eine reformierte aus der Zeit des Jugendstils. Letztere ist ein Schmuckstück mit einem schönen Blick über die Stadt. Stadt? Es könnte wohl auch ein Dorf sein. Gut also, dass überall zu lesen ist: Gossau – auch eine Stadt.

Das gibts in Gossau

Radiomuseum:
Das Radiomuseum von Doris und Heinrich Menzi kann nach Voranmeldung samstags besucht werden. Der Eintritt ist kostenlos.

Motorradmuseum Hilti:
Nur nach Voranmeldung. Die Telefonnummern für die Vereinbarung von Terminenmit den Museen finden sich im Internet:
www.stadtgossau.ch

Walter Zoo:
Beliebt bei den Familien der Region ist das «Abenteuerland Walter Zoo». Der familiengeführte Tierpark bietet viele spannende Extras für Kinder an. Von März bis Oktober gibt es täglich eine märchenhafte Theateraufführung für die ganze Familie in einem Zirkuszelt. Neu seit letztem Jahr ist das Savannenhaus. Erwachsene 20 Franken, Kinder 10 Franken.
www.walterzoo.ch

Essen:
Gute Küche gibt es im Restaurant Egli, Restaurant Toggenburg und im Stadtgasthaus Sonne, alle im Zentrum. Etwas ausserhalb liegt die kleine Brauerei Freihof in einer ehemaligen Fabrik, wo man auch gut essen kann. Weitere Restaurants sind im Internet unter:
www.stadtgossau.ch

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