Eine St.Gallen Postkarte
Foto: ZVG

Unterwegs in der Schweiz
St. Gallen ist viel mehr als nur Olma

Nach dem Fahrplanwechsel vom letzten Dezember fahren neuerdings noch mehr Züge nach St. Gallen. Warum so viele? Wir sind mal hingefahren – und haben eine Weltmetropole entdeckt.
Publiziert: 26.02.2019 um 11:28 Uhr
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Aktualisiert: 12.05.2020 um 12:19 Uhr
Die Olma-Stadt ist die einzig wahre Weltmetropole der Schweiz.
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Nehmen wir an, es verschlägt Sie in jenen 354 Tagen nach St. Gallen, an denen keine Olma stattfindet, an denen keine Schweinchen-Rennen veranstaltet, neue Melkmaschinen vorgestellt und Kühe prämiert werden. Dann werden Sie sich wahrscheinlich fragen: Gibts da überhaupt etwas zu sehen?

Verblüffend viel sogar. Beispielsweise eine Uhr, die niemand lesen kann. Am neu gestalteten Bahnhof blinkt eine binäre Uhr, welche die Zeit in Quadraten, Kreisen und Xen anzeigt und das System von Smartphone, iPad und Co. verwendet. Unser analoges Gehirn ist damit überfordert. Freilich: Die Leuchtzeichen sind eine Kunstinstallation – die an dem Bahnhof gar nicht nötig gewesen wäre. Denn die Piazza mit Bahnhofsgebäude und Hauptpost aus den 1910er-Jahren wurde angeregt durch den Marktplatz der italienischen Stadt Verona. Dolce Vita in der Ostschweiz. Heute wirkt das alles etwas protzig für ein Provinzstädtchen. Damals aber, war der Bahnhof St. Gallens Aushängeschild als weltweite Stickerei-Hochburg. Der Textil-Boom ist längst passé, auch wenn St. Galler Spitze noch manches Prominenten-Dekolleté umflattert. Cameron Diaz, Michelle Obama oder die Queen wurden in Ostschweizer Tuch gesichtet – die lokalen Zeitungen berichten jeweils stolz darüber.

Ein Abstecher nach St. Gallen lohnt sich

Überbleibsel der goldenen Jahre sind die Bauten jener Zeit. Nur ein paar Meter vom Bahnhof entfernt steht in der St. Leonhard-Strasse das Stickerei-Geschäftshaus «Oceanic», das erste und schönste Jugendstilgebäude der Stadt. Vorbei an der knallroten Stadtlounge (die grösste benutzbare Kunstinstallation Europas) und dem Stickereimuseum (sehenswert!) gehts zum mittelalterlichen Kern der Stadt. Bitte halten Sie jetzt die Nase arrogant in den Wind, denn während es auf Augenhöhe in den Schaufenstern nur Belangloses zu sehen gibt, thronen die wahren Kunstschätze über den Köpfen. In der Altstadt zieren 111 Erker die Häuser der ehemals reichen Stadtväter. Erker waren Lichtbringer und Statussymbol gleichermassen. Der Vorbau im Haus Pelikan aus dem Jahr 1709 zeigt zum Beispiel Allegorien der Kontinente Europa, Asien, Afrika und Amerika – der Besitzer war also ein Mann von Welt.

Klosterplatz, Kathedrale und Abteigebäude

Irgendwann stehen Sie bei Ihrem Rundgang unweigerlich auf dem Unesco-geehrten Klosterplatz mit Kathedrale und Abteigebäuden. Alle Wege führen hierhin. Verpassen Sie nicht die Stiftsbibliothek. Und wenn Sie mit Kindern unterwegs sind, die mittlerweile keine Lust mehr auf eine Stadtbesichtigung haben, lassen Sie Ihren Nachwuchs in und um der Kathedrale die Gallusbären zählen. Von der Bescheidenheit des Heiligen Gallus, der hier 612 sein Kloster gründete, ist bei der barocken Fülle nichts mehr zu sehen.

Ein leichter Hang zu Prunk scheint ein Markenzeichen zu sein, hier draussen am Fusse des Alpsteins. Vielleicht weil man in der Schweiz immer schon ein bisschen am Rand lag? Historiker würden da widersprechen: In dem Tresor der Stiftsbibliothek liegt der St. Galler Klosterplan aus dem 9. Jahrhundert – die Blaupause, nach deren Prinzip viele Abteien in ganz Europa gebaut wurden. Wer hätte es gedacht: Die Olma-Stadt ist die einzig wahre Weltmetropole der Schweiz. Das erklärt also die vier stündlichen Züge Richtung Zürich.

Der ultimative Guide für St. Gallen

Die Ostschweizer Metropole zwischen Bodensee und Alpstein bietet unzählige Möglichkeiten für einen Aktivaufenthalt, aber auch urbanes Stadtleben mit zahlreichen Vergnügungs- und Kulturangeboten. 

Die Ostschweizer Metropole zwischen Bodensee und Alpstein bietet unzählige Möglichkeiten für einen Aktivaufenthalt, aber auch urbanes Stadtleben mit zahlreichen Vergnügungs- und Kulturangeboten. 

Nicht verpassen

Das Highlight des Jahres wird die Ausstellung «Das Wunder der Überlieferung – Der St. Galler Klosterplan und Europa im frühen Mittelalter» im Stiftsbezirk (ab 13. April). Nach vielen Jahren wird der originale Klosterplan erstmals wieder zu sehen sein (bis jetzt musste man sich mit einer Kopie zufriedenstellen). Das Pergament zeigt den Grundriss eines idealen Klosters mit Kirche, Kreuzgang, Wirtschaftsräumen und Viehställen und ist eines der wichtigsten Dokumente des frühen Mittelalters.

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