Herbie wäre in Werdenberg fast im Gefängnis gelandet – hätte er nicht den Charme eines Mittvierzigers, mit dem er Bussen-Androhungen und Gezeter in strahlende Augen verwandelt. Herbie ist ein VW Käfer, Baujahr 1969, der Strassenschilder mit der Aufschrift «Zubringerdienst gestattet» nicht versteht. Oder hat er einfach seinen eigenen Willen, so wie der Wunderkäfer aus dem gleichnamigen Spielfilm?
Wir erkunden die Grand Tour of Switzerland, die neue Touringstrasse zu den schönsten Ecken der Eidgenossenschaft. Die über 1600 Kilometer lange Route führt durch 51 Städte, über fünf Alpenpässe, vorbei an elf Unesco-Welterbestätten und zahllosen Naturschönheiten zwischen Lago Maggiore und Matterhorn. Schweiz Tourismus und der Verein Grand Tour of Switzerland haben im April den Startschuss zur brandneuen Rundtour gegeben. Grund: Man möchte mehr Touristen ins Land locken (siehe Interview) und den Schweizern einen Ansporn geben, ihr Land (wieder) zu entdecken.
Ob diese Idee bei In- und Ausländern ankommt, wird sich zeigen. Eines ist schon jetzt klar: Nun gehört auch die Schweiz zu den Roadtrip-Nationen der Welt. Ein bisschen Route 66, ein Hauch Highway Number 1 und Amalfi Drive im Alpenland. Das schmeckt nach Freiheit, Vagabunden-Leben und röhrendem Cruising-Sound – genau so, wie Herbie das Leben liebt. Aber ein paar Zweifel beschleichen ihn: Kommt auch in der kleinteiligen Schweiz echtes Roadtrip-Feeling auf?
Startschuss in Zürich
Los gehts auf der ersten Etappe von Zürich über Winterthur zum Reinfall nach Schaffhausen, dem Rhein und Bodensee entlang, durch St. Gallen, über Appenzell hinein ins Rheintal. Fast 250 Kilometer Sonnenschein und Frühlingserwachen. Wir cruisen los mit dem unverwechselbaren Soundmix aus Klopfen, Tuckern und Röcheln – der typische Klang von einst, bei dem sich Teenies verblüfft umdrehen und Golden Agers sehnsüchtig werden. In St. Gallen ruft uns jemand laut «Heeerbie» hinterher, und ein Rentner philosophiert: «Ein Käfer ist doch viel besser als ein Mercedes.»
Da Schweiz Tourismus die Strecke noch nicht durchgehend markiert hat, fahren wir nach Bauchgefühl. GPS? Fehlanzeige! Herbie hat keinen Zigarettenanzünder für die Navi-Power. Egal, solange die Richtung stimmt. Manchmal kommen wir vom offiziellen Weg ab, den Rheinfall, die bunten Hausfassaden von Stein am Rhein und den Bodensee finden wir auch so.
Für ein Bad im «Schwäbischen Meer» ist es noch zu kalt. Aber der Frühling lässt auch bei den Segelbootbesitzern die Hormone spriessen: In den Häfen wird geschrubbt, repariert und frisch gestrichen. Doch auch der inbrünstigste Segler lässt die Arbeit ruhen, wenn Herbie in Sicht kommt. Oldtimerbesitzer und Ami-Schlitten-Fahrer hupen und winken uns zu. Der kleine Käfer ist ein «Sunneschi.»
Landschaft und Essen geniessen
Der Tag vergeht rasch: Wir schnabulieren Bodenseeforellen und Glacé am See und geniessen Apfelbäume, Löwenzahnwiesen sowie die Sehenswürdigkeiten in St. Gallen. Das Tempo ist gemütlich, nur im Appenzellerland geht Herbie fast die Puste aus. Zwischen Urnäsch und der Passhöhe auf der Schwägalp (1300 Meter) am Fusse des Säntis kommen wir kaum voran. «Man darf den alten Kerl nicht so plagen», ruft uns jemand zu.
Schliesslich kommen wir also nach Werdenberg im Rheintal, wo Herbie fast im Knast landen sollte. Über Jahrhunderte überstand die kleinste Stadt Europas (sie hat nur 34 Holzhäuser!) unbeschadet alle Angriffe. Und nun steht Herbie in der schmalen Gasse. So eine Frechheit. Recht haben die Werdenberger, die ihr einmalig schönes Städtchen mit jenem ominösen Verbotsschild vor Herbie beschützen! Der kleine Käfer mit der grossen Seele nimmts mit Humor. Schliesslich scheint die Sonne, und er ist «on the road again» – mehr braucht es nicht.
Herbies Fazit: Die Grand Tour durch die Ostschweiz ist eine schöne Gelegenheit, Altbekanntes wieder neu zu entdecken. Das schönste Roadtrip-Feeling gibt es aber zuweilen abseits der offiziellen Wegführung.
- Automiete
Herbie wurde von der Firma Sport Car Drive mit Standorten in Bazenheid SG und Schwerzenbach ZH zur Verfügung gestellt. Preise: Herbie 350 Fr./Tag. sportcardrive.ch - Orientierung
Die Grand Tour ist noch nicht durchgehend gekennzeichnet. Eine detaillierte Karte ist bei Hallwag Kümmerly+Frey erschienen. GPS-Daten und Infos: www.myswitzerland.com - Infos
Touring Guide «Grand Tour of Switzerland» von Hallwag Kümmerly+Frey. 288 Seiten, 30.90 Fr.
Gaudenz Thoma, Präsident Verein Grand Tour of Switzerland, weiss alles über die neue Traumstrasse der Schweiz. Wir haben ihn zum ungewöhnlichen Projekt befragt.
Herr Thoma, ein Roadtrip durch die Schweiz – wie sind Sie auf diese ungewöhnliche Idee gekommen?
Gaudenz Thoma: Touring ist eine Reiseart, die im Trend liegt. Da wollte die Schweiz nicht abseitsstehen. Denn auch bei uns bewegen sich viele Gäste bereits entlang unserer tollsten Sehenswürdigkeiten. Es war die Idee von Schweiz Tourismus und den 14 Schweizer Tourismusregionen, Touring zu einem durchgängigen Produkt zu vereinen.
Wie wurde der Streckenverlauf ausgewählt?
Im Zentrum steht das Bedürfnis der Gäste. Ein Expertenteam von Schweiz Tourismus hat die erste Grobversion entwickelt und diese anschliessend mit der Regionaldirektorenkonferenz und dem Verein Grand Tour of Switzerland verfeinert.
Dabei bleiben auch viele schöne Ecken unberücksichtigt ...
Man muss bei einem so umfassenden Projekt Mut zur Lücke beweisen. Es ist schlicht nicht möglich, ein so vielfältiges Land wie die Schweiz in einer Tour zu vereinen. Auf lokaler Ebene ergeben sich Möglichkeiten, eigene lokale Touren zu kreieren.
Die Grand Tour wird sehr stark im Ausland promotet. Was können die Schweizer auf der Grand Tour entdecken?
Die Grand Tour ist auch explizit ein Angebot für alle Schweizerinnen und Schweizer, das eigene Land auf eine neue Art zu entdecken. So wird man inspiriert, auch mal Regionen unseres Landes zu bereisen, welche man gar nicht kennt.
Mit wie vielen Besuchern rechnen Sie?
In den nächsten fünf bis sieben Jahren sollen 200'000 Gäste jährlich die Grand Tour entdecken, im Jahr 2016 bereits 50'000 Gäste.
Gaudenz Thoma, Präsident Verein Grand Tour of Switzerland, weiss alles über die neue Traumstrasse der Schweiz. Wir haben ihn zum ungewöhnlichen Projekt befragt.
Herr Thoma, ein Roadtrip durch die Schweiz – wie sind Sie auf diese ungewöhnliche Idee gekommen?
Gaudenz Thoma: Touring ist eine Reiseart, die im Trend liegt. Da wollte die Schweiz nicht abseitsstehen. Denn auch bei uns bewegen sich viele Gäste bereits entlang unserer tollsten Sehenswürdigkeiten. Es war die Idee von Schweiz Tourismus und den 14 Schweizer Tourismusregionen, Touring zu einem durchgängigen Produkt zu vereinen.
Wie wurde der Streckenverlauf ausgewählt?
Im Zentrum steht das Bedürfnis der Gäste. Ein Expertenteam von Schweiz Tourismus hat die erste Grobversion entwickelt und diese anschliessend mit der Regionaldirektorenkonferenz und dem Verein Grand Tour of Switzerland verfeinert.
Dabei bleiben auch viele schöne Ecken unberücksichtigt ...
Man muss bei einem so umfassenden Projekt Mut zur Lücke beweisen. Es ist schlicht nicht möglich, ein so vielfältiges Land wie die Schweiz in einer Tour zu vereinen. Auf lokaler Ebene ergeben sich Möglichkeiten, eigene lokale Touren zu kreieren.
Die Grand Tour wird sehr stark im Ausland promotet. Was können die Schweizer auf der Grand Tour entdecken?
Die Grand Tour ist auch explizit ein Angebot für alle Schweizerinnen und Schweizer, das eigene Land auf eine neue Art zu entdecken. So wird man inspiriert, auch mal Regionen unseres Landes zu bereisen, welche man gar nicht kennt.
Mit wie vielen Besuchern rechnen Sie?
In den nächsten fünf bis sieben Jahren sollen 200'000 Gäste jährlich die Grand Tour entdecken, im Jahr 2016 bereits 50'000 Gäste.