BLICK zu Pferd im Oberengadin
Flüstern mit Caruso

Wer sich in den Ferien auf einen Esel oder Elefanten setzt, tut das meist auf Kosten des Tieres. Darum bevorzugt BLICK-Redaktorin Katja Richard Reitferien im Engadin.
Publiziert: 19.07.2018 um 03:53 Uhr
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Aktualisiert: 12.11.2018 um 17:02 Uhr
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Reitet auch ohne Sattel: Reitlehrerin Eva Baumann.
Foto: Zvg
Katja Richard

Der Weg auf den Rücken von Caruso braucht Geduld: Zuerst holen wir das Highlandpony von der Weide, und dann wird gestriegelt, und zwar überall, auch unten am Bauch. Caruso scheint es zu gefallen, und ich verliere meine leichte Angst vor diesen grossen Tieren, die auf mich in ihrer nervösen Art oft unberechenbar wirken.

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Reitet auch ohne Sattel: Reitlehrerin Eva Baumann.
Foto: Zvg

«Es sind Flucht- und Herdentiere, darum ist es wichtig, zuerst ihr Vertrauen zu gewinnen und die Rangordnung klarzumachen», erklärt Eva Baumann (40). Im Oberengadin hat sie sich mit Stalla Chapella ihren Traum von einer eigenen Reitschule erfüllt.

Ihre Pferde und Ponys trainiert sie unter anderem nach der Lehre der «Natural Horsemanship», das ist in etwa das, was Robert Redford (81) im Film «Pferdeflüsterer» macht. «Es geht nicht darum, das Pferd mit Härte zu dominieren», so die erfahrene Reiterin. «Sondern um ein harmonisches Zusammenspiel, das dem Pferd in seinem Wesen gerecht wird.»

Am ersten Tag geht die Reiterin zu Fuss

Darum steige ich am ersten Tag auch noch nicht auf Carusos Rücken, sondern übe mit ihm sogenannte Bodenarbeit. Zum Glück ist das Pony lammfromm und überaus geduldig, wenn hier jemand Angst hat, dann das 600-Kilo-Tier, das sich leicht erschreckt. An der Longe übe ich das Führen, etwa Rückwärts-Gehen.

Das funktioniert nicht mit Ziehen oder Rufen – bei Eva Baumann übrigens ein Tabu –, sondern auf einer feinstoffliche Ebene: «Einfach ausatmen, die Energie wegnehmen, stehen bleiben und denken, wo man hin will, erst wenn nötig die Hilfe verstärken», instruiert Eva mich so klar wie ihre Pferde.

Wenns Pferd schnaubt, ist es entspannt

Das mag fast esoterisch klingen, aber es funktioniert. Caruso kann meine Gedanken lesen! «Sehr gut», lobt Eva. «Und immer, wenn er etwas richtig gemacht hat, wieder stoppen und ihn loben, streicheln oder in die Hocke gehen.»

So kann sich das Tier entspannen. Ein Zeichen dafür ist, wenn es anfängt zu lecken, kauen, schnaubt oder gähnt. Eine gute Übung, um zu erkennen, wie angespannt der eigene Kiefer oft ist – am besten gleich mitmachen. Wer mit Pferden unterwegs ist, muss absolut präsent sein, einen Fokus haben und sich selber spüren. Darum werden die feinfühligen Tiere sowohl für Therapie wie auch für Managerkurse eingesetzt.

Reiten lernen ist ein lebenslanger Prozess

Wichtig ist bei Eva Baumann nicht nur der Umgang mit den Pferden, sondern auch die Haltung. Bei ihr stehen sie nicht in Boxen, leben das ganze Jahr über im Offenstall und im Sommer auch auf Weiden. Diese Haltung entspricht der natürlichen Lebensweise und ist mit Schweizer Tierschutzlabel ausgezeichnet. 

Erst am zweiten Tag steige ich auf Carusos Rücken, am dritten geht es auf den ersten Ausritt. Schon nach ein paar Metern stoppt er, um Gras zu fressen. So ganz habe ich das mit der subtilen Dominanz nicht im Griff. «Reiten lernt man nicht an einem Tag», tröstet mich Eva Baumann. «Für mich ist das ein lebenslanger Prozess.»

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