Das Jahr 1973 war ein gutes Jahr. Elvis Presley gab sein berühmtes Konzert «Aloha from Hawaii», das als erstes via Satellit live in 40 Länder übertragen wurde; der Geldautomat wurde patentiert, und ABBA veröffentlichten ihr Debütalbum. Plus: Ich wurde geboren. Selbstverliebtheit ist sonst nicht so mein Ding, aber seit letzter Woche weiss ich, dass in mir ein Narzisst schlummert. Schuld daran ist der Roadster Triumph TR6: 6 Zylinder, 2500 Kubikzentimeter Hubraum, 100 PS unter der Haube und ein hammermässiges Fahrgefühl unter dem Füdli. Und ein ratternder Sound, der ein Statement ist. Das Baujahr? 1973 natürlich.
Wenigstens einmal cool sein
Ich bin unterwegs auf der Grand Tour of Switzerland von St. Gallen nach St. Moritz. Und überall, wo ich durchdröhne, drehen sich die Menschen um, winken mir hinterher, recken Müllmänner die Daumen aus ihrem Truck. Auf dem Flüelapass lässt es sich ein erschöpfter Velofahrer nicht nehmen, «geiles Auto!» hinterherzurufen. Erkenntnis: Ich geniesse meinen kleinen Promi-Status etwas zu sehr und verschweige tunlichst, dass der Sportschlitten nicht meiner ist.
Den Triumph TR6 kann man bei der Oldtimer-Vermietung Rent a Classic buchen. Er ist einer von 25 Klassikern zum Selberfahren, mit unlimitierter Kilometeranzahl (ab 250 Franken pro Tag).
Den Triumph TR6 kann man bei der Oldtimer-Vermietung Rent a Classic buchen. Er ist einer von 25 Klassikern zum Selberfahren, mit unlimitierter Kilometeranzahl (ab 250 Franken pro Tag).
Denn für meine Wochenend-Spritztour habe ich mir bei Rent a Classic in Kemptthal ZH ein Gefährt voller Charisma gemietet – bei meinem privaten 0815-Auto kommt kein wirklicher Fahrspass auf. Und den brauchts auf einem Roadtrip schon. Denn ich liebe das Autofahren, am liebsten auf den schnurgeraden Strassen in den USA, auf denen man bei sengender Sonne Stunden bis zum nächsten Diner braucht.
Im Vergleich dazu ist die Schweiz kein klassisches Roadtrip-Land. Schön ist das Cruisen durch Helvetien dennoch, insbesondere seit dem Jahr 2015, als Schweiz Tourismus die Grand Tour of Switzerland ins Leben gerufen hat. Auf über 1600 Kilometern führt die «Schweizer Route 66» zu den schönsten Ecken der Eidgenossenschaft, durch 51 Städte, über fünf Alpenpässe, vorbei an allen Unesco-Welterbestätten und den Landschafts-Highlights zwischen Lago Maggiore und Matterhorn.
Die berühmte Route durchs ganze Land führt durch hübsche Orte und eine überwältigende Natur. Wo lohnt sich ein «Boxenstopp»? Unser Autor verrät seine vier Highlights.
Die berühmte Route durchs ganze Land führt durch hübsche Orte und eine überwältigende Natur. Wo lohnt sich ein «Boxenstopp»? Unser Autor verrät seine vier Highlights.
Auch in der Schweiz gibt es viel neues zu entdecken
Mit dem Projekt möchte man mehr Individualtouristen ins Land locken und Frau und Herrn Schweizer einen Ansporn geben, ihr Land (wieder) zu entdecken. Und genau das habe ich vor: Ich entscheide mich für den Abschnitt von St. Gallen durch das Appenzellerland und das Rheintal über Davos bis nach St. Moritz – keine unbekannte Region, aber immer wieder schön.
Los gehts in der Ostschweizer Kantonshauptstadt mit «Gina», wie die Autofans von Rent a Classic den TR6 liebevoll nennen. Schon in den ersten kurvigen Strässchen des Appenzellerlandes verliebe ich mich in Ginas raue Schönheit: Die Dämpfung ist hart, die Lenkung direkt und die Kupplung verlangt zusätzliche Oberschenkelmuskeln. Ehrliches Fahren ohne Schnickschnack ist das – so rau wie die Berge, die sich am Horizont abzeichnen.
Vom Hauptort Appenzell, wo ich bei Roger Dörig passend zu meinen Cowboystiefeln (meinem Roadtrip-Outfit) einen Appenzeller Kuhgürtel kaufe, gehts über die Schwägalp und das Toggenburg ins Rheintal, wo ich mich auf dem kurzen Abschnitt zwischen den Weinhängen der Bündner Herrschaft wie in der Toskana fühle. Das Verdeck ist offen, die Sonne strahlt – Dolce Vita alla Svizzera.
Meine Highlights sind der Julierpass, den ich auf meinem Nachhauseweg noch «mitnehme», und der Flüelapass. Es ist erst früh am Nachmittag, als ich die kurvenreiche Strasse unter die Räder nehme. Es sind wenige Autos unterwegs, und so kann sich Gina auspowern. Ich schneide die Kurven, beschleunige mit der Kraft von sechs Zylindern und lasse mich in die Sitze drücken. Das ist so hammertoll – ich fahre den Pass gleich zweimal.
Pause muss auch sein
Aber trotz allem Fahrspass gehört auch das zur Grand Tour: anhalten, aussteigen und die Wucht der Schweizer Landschaft bestaunen. Und unbekannte Sightseeing-Spots am Wegesrand entdecken: In Davos wandle ich auf den Spuren von Schriftsteller Thomas Mann und seinem Werk «Der Zauberberg» und besuche das Ernst-Ludwig-Kirchner-Museum. Ich schaue beim «Schellen-Ursli» im bildhübschen Dorf Guarda vorbei und mache einen Abstecher zum Benediktinerinnenkloster St. Johannes Baptist in Müstair. Vieles davon wird mir in der neuen App zur Grand Tour vorgeschlagen, mit der man seinen Trip planen kann.
Zur Planung des Roadtrips kann man die neue, kostenlose «Grand Tour of Switzerland App» benutzen. In der App wählt man entweder aus vordefinierten Routenabschnitten oder plant die Reise nach persönlichen Vorlieben. Die Anwendung gibt Fahrzeiten und Distanzen an und verrät, welche Highlights einen Besuch lohnen. Ein Navigator führt zum gewünschten Ziel. In der Übersichtskarte sind Erlebnisse entlang der Grand Tour eingezeichnet.
Zur Planung des Roadtrips kann man die neue, kostenlose «Grand Tour of Switzerland App» benutzen. In der App wählt man entweder aus vordefinierten Routenabschnitten oder plant die Reise nach persönlichen Vorlieben. Die Anwendung gibt Fahrzeiten und Distanzen an und verrät, welche Highlights einen Besuch lohnen. Ein Navigator führt zum gewünschten Ziel. In der Übersichtskarte sind Erlebnisse entlang der Grand Tour eingezeichnet.
Am letzten Tag fahre ich in St. Moritz ein, der Spielwiese der Superreichen. Für einmal fühle ich mich nicht deplatziert: Selbst Bentley- und Maserati-Fahrer drehen sich nach Gina und mir um, und Touristen reissen ihre Kameras hoch. Die Aufmerksamkeit steigt mir allerdings etwas zu Kopf, und ich beschliesse, im Luxushotel Badrutt’s Palace einen stilvollen Afternoon Tea zu geniessen (immerhin ist Gina eine Engländerin). Der Barchef fragt nach meiner Zimmernummer. «Ich habe keine», antworte ich wahrheitsgemäss, «ich will hier nur einen Tee trinken.» – «Sorry, Mann, nur für Gäste», kommts zurück. Ich schleiche mich davon. Überheblichkeit kommt eben doch vor dem Fall.