Das Leben als Teufel ist kein Honigschlecken: Menschen plagen, Chaos stiften, Gottes Ordnung auf den Kopf stellen – all dies steht auf dem diabolischen Programm. Und stinkende Schweineblasen aufpusten.
Ein Bauernhof bei Wil SG: Hunderte «Sublootärä» schwimmen in einem Zuber, es stinkt nach rohem Fleisch – nichts für schwache Nerven. Doch wer ein wahrer «Wiler Tüüfel» sein will, lässt sich davon nicht abschrecken. «Blasentüüfel» Roman Bleiker (32) und seine Helfer pumpen an diesem Morgen unerschütterlich Dutzende Blootärä auf. Heute steht der erste Umzug der Fasnachtssaison an, und da braucht jeder Teufel sein wichtigsten Rüstzeug, um Angst und Schrecken zu verbreiten: eine frische Schweineblase.
Tradition seit 425 Jahren
Die «Wiler Tüüfel» zählen zu den ältesten und interessantesten Schweizer Fasnachtstraditionen und sind dennoch ausserhalb der Region kaum bekannt. Die erste urkundliche Erwähnung findet sich im Jahr 1595, als die Stadtobersten das teuflische Treiben zur Fasnachtszeit verbieten wollten: «... ungewöhnliche Teufelskleider anziehen, singen, springen, toben, wüten, tanzen und dergleichen unflätige Sachen anfachen und treiben ...», heisst es im «Mandat gegen die Fasnachts-Lustbarkeiten». Freilich liessen sich die Wiler die Lust am Teufelsein nicht austreiben. Und 425 Jahre später, im Jubiläumsjahr 2020, ist die lokale Tradition beliebter denn je – und nicht weniger wild als im ausgehenden Mittelalter.
«Wir sind aktive Teufel, die an Fasnacht die Strassen und die Beizen zum Kochen bringen wollen», so René Gerber (54), Gildemeister der Wiler Tüüfel. Die Teufelsgilde in ihrer jetzigen Form wurde im Jahr 1993 mit dem Ziel gegründet, das Brauchtum zu fördern und die Tradition in geregelte Bahnen zu bringen. Dazu gehört beispielsweise das Festlegen des offiziellen Gwändli-Designs, das einer Wiler Fasnachtstracht aus dem Landesmuseum in Zürich nachempfunden ist. Das Besondere: Im Gegensatz zu anderen Teufelsgruppen im alemannischen Raum, die sich meist in Felle hüllen, erinnert das Wiler Gwändli an ein Narrenkostüm.
Blutrünstige Fratzen mit Steinbockhörner
«Mir ist nicht bekannt, dass es noch andere Fasnachtstraditionen gibt, die eine Teufelsmaske mit einem Narrenkostüm kombinieren», so Gerber. Doch das Narrenkostüm ist keine Pflicht: Insbesondere Teufel, die nicht Mitglied in der Gilde sind, entwerfen ihr eigenes Outfit. Auch bei den Masken gibt es keine Vorgaben. Mit einer Ausnahme: Der Wiler Teufel trägt Pappmaché. Der Herr des Grauens ist Maskentüüfel Valentin Koller (30), dessen Keller einem Horrorkabinett gleicht. Blutrünstige Fratzen, mit Steinbockhörner bewährte Gestalten und weisse Wanderer aus «Game of Thrones» warten hier auf ihre Auferstehung. Gruselig! «Der Fantasie beim Gestalten einer Maske ist keine Grenze gesetzt», so Koller, der für Gildemitglieder und Interessierte jährlich einen Maskenbaukurs durchführt.
«Mancher möchte Gestalten aus Filmen nachmodellieren, aber meist entsteht die Form beim Plastizieren», so Koller. Das Herstellen der Maske fordert einiges Geschick: Zunächst wird das Teufelsgesicht in Ton modelliert, wovon ein Pappmaché-Abguss gefertigt, bemalt und mit Hörnern und Fell versehen wird.
«Wenn der Teufel kommt, muss es Hardrock sein!»
Die Wirkung lässt nicht lange auf sich warten. Am Tage unseres Besuchs steht ein Gastumzug in Benken SG an. Hin geht es mit dem Zug – in voller Kostümierung. Manch ein Kind versteckt sich da lieber hinter der Mama. Die Gruppe ist aufgeregt: Es ist der erste Umzug des Jahres. «Endlich ist der Tüüfel wieder uf de Gass!», strahlt Oberteufel Gerber. Und zum ersten Mal kommt der neue Umzugswagen zum Einsatz.
In 640 Arbeitsstunden hat Wagentüüfel Lukas Vogt (30) mit seinem Team eine wahre Höllenmaschine gebaut: Ein überdimensionierter Teufel schwingt eine Sublootärä, Feuer lodert, Blitze zucken, und roter Rauch steigt auf. Und aus den Boxen dröhnt die deutsche Band Rammstein. «Wenn der Teufel kommt, muss es Hardrock sein!», so Gerber. Auch die Hölle geht mit der Zeit.
Der erste Auftritt (oder soll man Höllenritt sagen?) war ein voller Erfolg. Nun konzentrieren sich die Vorbereitungen auf den grossen Auftritt am Gümpelimittwoch in Wil SG. Gerber träumt davon, im Jubiläumsjahr zusammen mit befreundeten Gruppen 1000 Teufel auf die Strasse zu bringen. Obs in diesem Jahr klappt, ist noch ungewiss. Aber vielleicht öffnen sich die Höllentore, und Beelzebub und seine Teufelskollegen mischen sich zum Jubiläum unter ihre Ostschweizer Verwandten – ausgestattet mit einer Sublootärä versteht sich.
- 25. Januar bis 25. Februar: Jubiläumsausstellung mit dem original Gwändli aus dem Landesmuseum Zürich, Hintergrundinfos und Bilder der vergangenen Jahre. Baronenhaus, Mittwoch bis Sonntag, 14 bis 17 Uhr.
- 14. und 15. Februar: Höllenparty. Zum Jubiläum feiern die Wiler Tüüfel im alten Feuerwehrdepot ein höllisches Fest.
- 19. Februar: Gümpelimittwoch. Offizielle Eröffnung der Wiler Fasnacht mit Rathaussturm, Tüüfelsauszug, Nachtumzug und Budenstadt, vor dem Hof zu Wil.
- 21. Februar: Beizentour der Wiler Tüüfel
- 22. Februar: Monsterkonzert in der Wiler Altstadt, ab 19.11 Uhr.
- 23. Februar: Grosser Umzug mit Wagenprämierung, Verbrennung des Nörgeli und Konfettischlacht, ab 14.01 Uhr.
- 25. Januar bis 25. Februar: Jubiläumsausstellung mit dem original Gwändli aus dem Landesmuseum Zürich, Hintergrundinfos und Bilder der vergangenen Jahre. Baronenhaus, Mittwoch bis Sonntag, 14 bis 17 Uhr.
- 14. und 15. Februar: Höllenparty. Zum Jubiläum feiern die Wiler Tüüfel im alten Feuerwehrdepot ein höllisches Fest.
- 19. Februar: Gümpelimittwoch. Offizielle Eröffnung der Wiler Fasnacht mit Rathaussturm, Tüüfelsauszug, Nachtumzug und Budenstadt, vor dem Hof zu Wil.
- 21. Februar: Beizentour der Wiler Tüüfel
- 22. Februar: Monsterkonzert in der Wiler Altstadt, ab 19.11 Uhr.
- 23. Februar: Grosser Umzug mit Wagenprämierung, Verbrennung des Nörgeli und Konfettischlacht, ab 14.01 Uhr.